Bundestagswahl 2025
Gute Arbeit und gutes Studium für alle!
Was wollen CDU, SPD, Grüne und Die Linke in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik? Die GEW-Wahlkonferenz Wissenschaftspolitik lieferte kurz vor der Bundestagswahl Antworten.
Es geht um gute Arbeit und ein gutes Studium für alle, und um noch viel mehr. „In Zeiten, in denen die AfD als Mehrheitsbeschafferin im Bundestag dient, sind wir auch als Demokratinnen und Demokraten gefragt“, erklärte Andreas Keller, GEW-Vize und Vorstandsmitglied Hochschule und Forschung, zum Auftakt der GEW-Wahlkonferenz Wissenschaftspolitik. „Aus einem Tabubruch darf kein Dammbruch werden.“
Alle Mitgliedsgewerkschaften im DGB hätten sich deswegen in der Woche nach der Zustimmung von CDU/CSU-, FDP- und AfD-Abgeordneten zu einem Fünf-Punkte-Plan zur Begrenzung von Migration klar positioniert: Das Recht auf Asyl und der Schutz von Geflüchteten seien ein zentraler Bestandteil des Grundgesetzes. Beides durch die schrecklichen Taten Einzelner nicht zur Disposition gestellt werden.
„Die Abschaffung der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe im Zuge der Föderalismusreform war ein kapitaler Fehler.“ (Andreas Keller)
Im Zentrum der GEW-Wahlkonferenz Wissenschaftspolitik, zu der die GEW am 12. Februar nach Berlin eingeladen hatte, standen indes natürlich Bildung und Wissenschaft. Und damit Themen, die, wie Keller befand, so gut wie nicht Gegenstand des Wahlkampfes waren. Die Debattengrundlage brachte Andreas Keller in Form von 22 Anforderungen der GEW an die Wissenschaftspolitik mit. Unter dem Titel „Gute Arbeit und gutes Studium für alle“ setzt die GEW drei Schwerpunkte: Hochschulfinanzierung, Ausbildungsförderung, Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft.
Die GEW fordert unter anderem eine Rückkehr zur Bundesbeteiligung am Hochschulbau. „Die Abschaffung der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe im Zuge der Föderalismusreform war ein kapitaler Fehler,“ erklärte Keller. Viele Gebäude seien in katastrophalem Zustand; hinzu komme eine unzureichende digitale Infrastruktur. Ohnehin solle sich der Bund sich stärker an der Grundfinanzierung der Hochschulen – statt an „überbordender Projektfinanzierung“ – beteiligen. Die Exzellenzstrategie solle in einen „Pakt für gute Arbeit in der Wissenschaft“ umgewandelt werden und eine Entfristungsoffensive an den Hochschulen auslösen. Zur Begründung argumentierte Keller: „Die aus der Exzellenzinitiative hervorgegangene Strategie verstärkt die finanzielle Ungleichheit zwischen den Hochschulen – ganz nach dem Matthäus-Prinzip ,Wer hat, dem wird gegeben‘. Und sie treibt das Unwesen der Befristung weiter an.“
Weiter hohe Befristungsquote in der Wissenschaft
Wie es um die umstrittenen Fristverträge bestellt ist, beschrieb Rasmus Bode, Studienleiter des „Bundesberichts Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer frühen Karrierephase“ (BuWiK, ehemals Buwin). Nach wie vor seien weniger als zehn Prozent der neuen Beschäftigungsverhältnisse in der Wissenschaft unbefristet; gegenüber 70 Prozent in der Wirtschaft. Das 22-Punkte-Papier will – was die GEW seit Jahren fordert – Befristungen auf die wissenschaftliche Qualifizierung bis zur Promotion (oder eine künstlerische Qualifizierung) beschränken. Die sachgrundlose Befristung soll im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ebenso wie im Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) gestrichen werden.
Damit ein gutes Studium für alle möglich wird, fordert die GEW eine umfassende BAföG-Reform: hin zu einer Höhe, die angelehnt an das Bürgergeld das Existenzminimum sichert, inklusive Anpassungen an Preis- und ortstypische Mietsteigerungen. Die Förderdauer soll verlängert, alle Altersgrenzen abgeschafft, aus einem Teildarlehen ein Vollzuschuss werden, perspektivisch unabhängig vom Einkommen der Eltern.
Forderung nach Vermögenssteuer
Bei der Podiumsdiskussion mit Bundestagsabgeordneten von CDU, SPD, Grünen und Linken – FDP und BSW waren nicht erschienen – wurde viel Zustimmung deutlich, am meisten bei der Vertreterin der Gruppe Die Linke. Als „goldrichtig“ wertete Nicole Gohlke, Sprecherin für Bildung und Wissenschaft, die GEW-Positionen. Auch aus Gründen der Rettung der Demokratie müsse massiv in die soziale Infrastruktur der Gesellschaft und die Daseinsvorsorge investiert werden: „Dazu gehören auch Bildung und Forschung“. Bildungsaufstiege müssten wieder möglich werden; ein „armutsfestes, existenzsicherndes BAföG ist dazu unabdingbar“. Gute Arbeit müsse in der Wissenschaft „Normalfall“ werden. Zur Finanzierung fordern die Linken eine Vermögenssteuer und eine Sonderabgabe für besonders Reiche. Die Vermögen der 100 reichsten Deutschen seien seit 2001 um 460 Milliarden Euro gestiegen. Gohlke: „Warum kann man nicht darüber reden, wie dieses Geld zum Wohle aller eingesetzt werden kann?“
Nicht ganz so enthusiastisch, aber doch unterstützend äußerte sich die stellvertretende Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, Carolin Wagner. Auch die Partei, die das BAföG „erfunden“ habe, sei für ein elternunabhängiges BAföG als Vollzuschuss; zugleich sei man auch froh über die BAföG-Reform der zurückliegenden Wahlperiode. Nun gelte es, bei der Digitalisierung und Entbürokratisierung der Studierendenwerke voranzukommen. Ein „Wegfall der Tarifsperre“ sowie der Einsatz für gute Arbeit seien wichtig, um nicht „kluge Köpfe ins Ausland oder an Bereiche jenseits der Wissenschaft zu verlieren“. Es gelte, „viel Geld in die Hand zu nehmen, um den Anschluss nicht zu verlieren“. Wer heute investiere, erzeuge damit Wohlstand – ein zumindest indirektes Plädoyer gegen die Schuldenbremse aus dem Munde einer SPD-Politikerin.
Schuldenbremse wird Investitionsstau nicht auflösen
„Den Investitionsstau kann man nicht mit der Schuldenbremse beantworten“, befand für die Grünen-Fraktion Laura Kraft, Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Die Grünen wollten diese „nicht abschaffen, aber grundlegend reformieren.“ Das BAföG solle „nicht bei der aktuellen Reform stehenbleiben“. Kraft folgte der GEW-Forderung, die Höhe der Studien- und Ausbildungsförderung an das Bürgergeld anzugleichen. Auch brauche es einen Anpassungsmechanismus an ortsabhängige Mieten. Die Grünen wollten außerdem das im Bauministerium angesiedelte Programm „Junges Wohnen“ ausbauen.
Und warum hat die Regierung von all den Versprechen so wenig umgesetzt? Das wollte der Sprecher der CDU/CSU-Fraktion für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, Thomas Jarzombek, wissen: „Es gibt doch eine linke Mehrheit.“ Das führte zwar bei Nicole Gohlke zu Gelächter – setzte aber den Ton dafür, dass „ich Ihnen keinen Honig ums Maul schmieren will“, so Jarzombek. In einer „schwierigen finanziellen Situation würden – etwa beim Hochschulbau – „Länderzuständigkeiten nicht zu Bundeszuständigkeiten werden“. Sein Vorschlag, zusätzliche Mittel in die Wissenschaft zu bekommen: über mehr „Dual-Use-Forschung“ zu zivilen wie militärischen Zwecken an Gelder aus dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Verteidigung herankommen. Auch könnte weit mehr privates Kapital eingeworben werden und Planungs- und Bauverfahren um Jahre verkürzt und damit deutlich günstiger gemacht werden.
Großer Konsens für eine echte BAföG-Reform
Beim BAföG, das „natürlich den Wohnort berücksichtigen muss“, sprach sich Jarzombek für eine Ansiedlung im Etat des Bundessozialministeriums aus; dann sei auch eine Angleichung an das Bürgergeld besser durchzusetzen. Dem Bundesforschungsministerium hielt er vor, mit 28.000 Förderprojekten selbst Befristung anzutreiben. Die CDU plädiere für mehr Department- statt Lehrstuhl-Strukturen an Hochschulen. Diese machten dauerhafte Verträge einfacher und reduzierten möglichen Machtmissbrauch durch Lehrstuhlinhaberinnen und -haber.
Andreas Keller gab sich abschließend vorsichtig optimistisch: „Ich sehe einen großen Konsens für eine echte BAföG-Reform. Auch Gute Arbeit in der Wissenschaft hat bei allen Platz. Und immerhin drei der vier heute vertretenen Parteien unterstützen die Forderung nach einer stärkeren finanziellen Beteiligung des Bundes.“ Für die GEW versprach Keller, weiterhin für ein Recht auf Tarifautonomie auch in der Wissenschaft zu kämpfen. Abschließend appellierte er: „Geht wählen. Und: Erzählt weiter, wie wichtig diese Wahl ist – für die Bildungs- und Wissenschaftspolitik wie für die Demokratie.“