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Kommt die Ganztagsbetreuung?

GEW fordert „ein Signal an die Familien“

Der Rechtsanspruch auf Ganztag in der Grundschule ist wichtig, um Familie und Beruf besser zu vereinbaren. Im Vermittlungsausschuss gibt es jetzt einen letzten Lösungsversuch zwischen Bund und Ländern. Wie meistens geht es ums Geld.

Die GEW setzt auf Qualität im Ganztag: Auf eine Fachkraft sollen nicht mehr als 10 Kinder kommen. (Foto: GEW)

Wie ernst meinen es Bund und Ländern mit der gesetzlich verankerten Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern? Kurz vor der Bundestagswahl steht das Großprojekt der scheidenden großen Koalition auf der Kippe. Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat will heute eine Lösung finden. „Die jetzige Bundesregierung steht im Wort und ich erwarte, dass sich Bund und Länder im Interesse der Familien und der Weiterentwicklung der Grundschulen in der Frage der Ganztagsbetreuung einigen“, erklärte GEW Chefin Maike Finnern gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Die Bundesländer hatten das Vorhaben der großen Koalition im Bundesrat gestoppt und in den Vermittlungsausschuss verwiesen. Hintergrund ist ein Streit über die Finanzierung des milliardenschweren Projekts.

„Für die Familien wäre es ein ganz wichtiges Signal. Sie waren und sind durch die Auswirkungen der Pandemie ganz besonders betroffen.“ (Maike Finnern)

„Für die Familien wäre es ein ganz wichtiges Signal. Sie waren und sind durch die Auswirkungen der Pandemie ganz besonders betroffen. Wenn die Wahlkampfreden keine leeren Worthülsen sein sollen, dann gilt es jetzt einen echten Schritt in Richtung bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gehen. Dann verständigt sich die Politik jetzt noch in dieser Legislaturperiode auf die schrittweise Einführung eines Rechtsanspruchs auf Ganztagsangebote in der Grundschule“, sagte Finnern weiter.

Die Umsetzung des Grundschul-Ganztagsanspruchs ab 2025 muss auf Basis einer Dauerfinanzierung von Bund und Ländern mit einer Qualitätsoffensive verbunden werden. Im Ganztag sollen ausgebildete Fachkräfte beispielsweise Erzieherinnen und Erzieher, Sozialpädagoginnen und -pädagogen, Kindheitspädagoginnen und -pädagogen sowie Grundschullehrkräfte arbeiten. Die Fachkraft-Schulkind-Relation darf bei maximal 1:10 liegen. Verankert werden muss der Anspruch auf Ganztagsbetreuung im Achten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VIII).

Verbindlich formulierte Ansprüche sind wichtig, weil die Ganztagsangebote in den Bundesländern und Kommunen oft sehr unterschiedlich sind. Es gibt etwa gebundene Ganztagsgrundschulen, offene Ganztagsangebote, Horte, Mittagsbetreuung oder Hausaufgabenhilfe. Allen Kindern muss unabhängig vom Wohnort der bestmögliche Ganztag geboten werden.

Auch für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie braucht es verlässliche Ganztagsangebote. Dabei geht es auch um Geschlechtergerechtigkeit: Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass es häufig Frauen waren, die bei geschlossenen Kitas und Schulen die Betreuungsarbeit übernommen und beruflich zurückgesteckt haben.

Im SGB VIII muss auch die Schulsozialarbeit festgeschrieben und mit Qualität hinterlegt werden: Je 150 Schülerinnen und Schülern ist mindestens eine Fachkraft zu garantieren.

  • Die GEW fordert: Schulsozialarbeit ausbauen und Recht auf Ganztag im Grundschulalter mit einer Qualitätsoffensive verbinden!

„Wir brauchen eine Qualitätsoffensive für die Ganztagsangebote.“ (Maike Finnern)

Für die GEW geht es aber nicht nur um einen Rechtsanspruch, sondern auch um die Qualität der Betreuung. „Wir brauchen eine Qualitätsoffensive für die Ganztagsangebote. Das heißt für mich, dass im Ganztag ausgebildete Fachkräfte in multiprofessionellen Teams arbeiten, also Erzieherinnen und Erzieher, Sozialpädagoginnen und -pädagogen, Kindheitspädagoginnen und -pädagogen sowie Grundschullehrkräfte“, beharrte Finnern. Dabei sollten auf eine Fachkraft nicht mehr als zehn Kinder kommen.

Die GEW macht deutlich, dass sich das Lernen in der Grundschule längst verändert hat: Kinder lernen den ganzen Tag auf unterschiedliche Weise und jedes Kind in eigenem Tempo. Multiprofessionelle Teams gestalten das Lernen und Leben in der Grundschule gemeinsam und öffnen damit bestmögliche Wege für die Entwicklung aller Kinder.

Maike Finnern betonte, dass die Finanzierung des Rechtsanspruches und einer damit verbundenen Qualitätsoffensive auf Basis einer Dauerfinanzierung von Bund und Ländern geregelt werden müsse. Verankert werden sollte der Anspruch auf Ganztagsbetreuung im Achten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VIII). „Das ist deshalb wichtig, weil die Ganztagsangebote in den Bundesländern und Kommunen oft sehr unterschiedlich sind“, so die GEW Chefin.

Hintergrund zum Streit über die Ganztagsbetreuung

Wie soll der Rechtsanspruch aussehen?

Jedes Kind, das ab Sommer 2026 eingeschult wird, soll in den ersten vier Schuljahren Anspruch auf einen Ganztagsplatz bekommen, für mindestens acht Stunden an Wochentagen. Erlaubt sein soll den Einrichtungen eine Schließzeit von maximal vier Wochen im ganzen Jahr und nur während der Ferien. Nach Angaben aus dem Bundesfamilienministerium sind schon jetzt mehr als die Hälfte der 2,8 Millionen Grundschulkinder im Ganztag - in einigen Bundesländern, vor allem im Osten, sogar über 90 Prozent. Für die Erfüllung des Rechtsanspruchs müssten nach ursprünglichen Schätzungen noch einmal 800.000 bis zu eine Million zusätzliche Plätze geschaffen werden.

Worüber herrscht Uneinigkeit?

Gestritten wird übers Geld. Es geht um Investitionen und Baumaßnahmen an Grundschulen für Räumlichkeiten plus laufende Betriebs- und Personalkosten für den Ganztag. Gerechnet wurde bisher mit Investitionskosten von 7,5 Milliarden Euro, wovon der Bund 3,5 Milliarden übernehmen will und mit laufenden Betriebskosten von 4,5 Milliarden im Jahr, an denen Berlin sich mit knapp einer Milliarde beteiligen will. Die Länder pochen darauf, dass der Bund seine Anteile erhöht.

Welche Szenarien sind möglich?

Kommt der Vermittlungsausschuss zu einer Einigung, müsste diese noch einmal von Bundestag und Bundesrat bestätigt werden. Im Bundestag könnte das an diesem Dienstag bei der vorerst letzten Sitzung vor der Wahl passieren. Der Bundesrat kommt am 10. und am 17. September zusammen und könnte dann seine Zustimmung geben. Gibt es keine Einigung im Vermittlungsausschuss, droht das Ganztagsgesetz der sogenannten Diskontinuität zum Opfer zu fallen: Gesetze, die in einer Wahlperiode nicht abschließend beraten werden, verfallen.