USA
Großer Erfolg der Chicago Teachers Union
Höhere Löhne, kleinere Klassen und mehr Personal sind das Ergebnis eines elftägigen Streiks an öffentlichen Schulen in der US-Metropole Chicago, an dem sich 25.000 Lehrerinnen und Lehrer und andere Beschäftige beteiligt hatten.
Mehr als 300.000 Schülerinnen und Schüler vom Streik betroffen
Am 15. November 2019 stimmten über 80 Prozent der Mitglieder der Chicago Teachers Union (CTU) für die Annahme einer Vereinbarung mit der Chicagoer Schulverwaltung. Die Vereinbarung beinhaltet eine Lohnerhöhung von 16 Prozent, die Reduzierung der Klassengrößen und die Präsenz von Krankenschwestern und Sozialarbeitern an allen Schulen. Vorausgegangen war der längste Streik seit 1987 im drittgrößten Schulbezirk der USA. Elf Tage streikten über 25.000 Lehrerinnen und Lehrer und andere Angestellte der Schulen für höhere Löhne, kleinere Klassen und bessere Ausstattungen der Schulen und bezahlbaren Wohnraum in Chicago. Über 300.000 Schülerinnen und Schüler waren betroffen. Die GEW hat den Streik in Chicago unterstützt. "Dieser Vertrag ist ein großer Fortschritt für unsere Stadt. Er fördert Bildungsgerechtigkeit und unterstützt die Kinder, denen wir dienen", sagte CTU-Präsident Jesse Sharkey. „Wir leben in einer der reichsten Städte der reichsten Nation der Welt, und Chicago muss endlich anfangen, in die Zukunft unserer Kinder zu investieren."
Tarifvertrag mit Finanzvolumen von 1,5 Mrd. US Dollar
Mit dem Vertrag, der insgesamt ein Finanzvolumen von 1,5 Mrd. US Dollar umfasst, sollen auch Schulen für Einwanderer und Flüchtlinge besonders unterstützt werden. Die Ausweitung von Schulen in freier Trägerschaft, den sogenannten Charter Schools, die als gewerkschaftsfeindlich gelten, konnte gestoppt werden. Zusätzliche Personalmittel unter anderem für Bibliothekare und arbeitsvertragliche Verbesserungen für Schulbetreuer wurden erkämpft. „Die Steuergelder der Beschäftigten werden nicht für Wolkenkratzer ausgegeben, die die meisten nicht besuchen können, sondern für Krankenschwestern an Schulen, damit bedürftige Kinder ihre Hilfe in Anspruch nehmen können“, betonte die CTU-Vizepräsidentin Stacy Davis Gates. Die Forderung nach bezahlbarem Wohnraum für Lehrpersonal, Schülerinnen und Schüler und Eltern wurde von der Bürgermeisterin und der Schulbehörde abgelehnt. Dafür wäre die CTU nicht zuständig. Allerdings wurde erreicht, dass Schulen mit mehr als 75 obdachlosen Schülerinnen und Schüler besonderes Betreuungspersonal erhalten.
Bürgermeisterin lobt Vertrag als „besten aller Zeiten“
Die Wirtschaftszeitung ChicagoBusiness macht die gerade neu gewählte Bürgermeisterin Lori Lightfoot für den historischen Sieg der CTU verantwortlich, sie habe zu viele Konzessionen gemacht. Lori Lightfoot, die erste afro-amerikanische und sich offen als lesbisch bekennende Bürgermeisterin Chicagos, sieht in dem mit der CTU ausgehandelten Vertrag „den besten aller Zeiten“. Die Bürgermeisterin war von Beginn der Verhandlungen an bemüht, eine Einigung mit der CTU zu erzielen. Sie bot eine Lohnerhöhung von 16 Prozent an und hoffte, dadurch einen Streik zu vermeiden. Sie unterschätzte dabei, wie wichtig es der CTU war, die Lern-und Lebensbedingungen für die Chicagoer Schülerinnen und Schüler zu verbessern und sich nicht mit einer üppigen Lohnerhöhung abspeisen zu lassen. Der CTU gelang es, Lightfoot, zu deren Agenda die Bekämpfung von politischer Korruption und Überwindung rassistischer Spaltungen in der Stadt gehört, beim Wort zu nehmen.
Auch Hausmeister und Busfahrer haben am Streik teilgenommen
Die CTU dehnte die Tarifverhandlungen über Löhne und Sozialleistungen hinaus aus, um eine breite, arbeitnehmerfreundliche Agenda durchzusetzen. Gemeinsam mit der Service Employees International Union (SEIU) ist sie Teil des Netzwerks "Verhandeln um des Gemeinwohls willen" (Bargaining for the common goods), dem sich US weit fünfzig Gewerkschaften und kommunale Initiativen angeschlossen haben. Die Gewerkschaftsgruppe SEIU Local 73, die 7.500 Beschäftigte im Hausmeistermeisterbereich, Busservice, Sicherheitskräfte und Bildungspersonal an den Chicagoer Schulen vertritt, hatte zeitgleich mit der CTU gestreikt. Trotz einer frühen Einigung mit der Bürgermeisterin unterstützten sie weiter den Streik der CTU.
Lehrerstreiks in zahlreichen US-Bundesstaaten
Gewerkschaftlich organisierte Lehrerinnen und Lehrer bestimmen seit Anfang 2018 mit Aktionen, die sich am weiterentwickelten Organizing-Konzept orientieren, die bildungspolitische Debatte in den USA. Von den 485.000 Beschäftigten, die sich im letzten Jahr an den 20 größten Streiks beteiligten, kamen über 90 Prozent aus dem Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich. Die demokratischen Hoffnungsträger Bernie Sanders und Elizabeth Warren unterstützen diese Streiks.