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Bildungspolitisches Forum

„Große Forschungslücken“

Mit dem Ausbau von Kita-Plätzen hat sich nicht automatisch die Qualität der frühen Bildung verbessert. Beim Bildungspolitischen Forum des Leibniz-Forschungsverbunds Bildungspotenziale (LERN) haben Fachleute einen Forderungskatalog vorgelegt.

Der massive Ausbau der Kindertagesbetreuung hat nach Ansicht von Expertinnen und Experten nicht zu mehr Chancengerechtigkeit für alle Kinder geführt. Auf der Strecke blieben demnach Mädchen und Jungen, deren Eltern beide Migrationshintergrund und einen niedrigeren Bildungsstand haben – also diejenigen mit dem meist größten Förderbedarf. Profitiert hätten Akademikerkinder ohne Einwanderungsgeschichte – und deren berufstätige Eltern, sagte Katharina Spieß, Leiterin der Abteilung Bildung und Familie am Deutschen Institut für Wirtschaftsförderung (DIW) und LERN-Sprecherin, beim Bildungspolitischen Forum in Berlin. Soziale Ungleichheit sei nach wie vor nicht reduziert worden, kritisierte Olaf Köller, wissenschaftlicher Leiter des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) und ebenfalls LERN-Sprecher.

LERN-Forscherinnen und Forscher legten bei der Fachtagung im September ein Positionspapier zur frühen Bildung mit 22 Forderungen vor. Ihre Vorschläge zur Qualitätsverbesserung in Kitas und Grundschulen gehen über das hinaus, was Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) mit dem 5,5 Milliarden schweren Gute-Kita-Gesetz erreichen will. Ebenso wie die GEW bewerten die Verfasserinnen und Verfasser des Positionspapiers den Gesetzentwurf als nicht ausreichend.

Sie verlangen von der Politik unter anderem bundes- oder zumindest landesweit einheitliche Qualitätsregelungen, eine über Sprachförderung hinausgehende Unterstützung der Migranten- und Flüchtlingskinder sowie eine höhere Qualifizierung der Erzieherinnen und Erzieher, verbunden mit besserer Bezahlung. Zudem plädieren sie dafür, die Umsetzung der Bildungspläne systematisch auszuwerten. Von einer Abschaffung der Kita-Gebühren raten die Fachleute ab.

 „Kinder, bei denen beide Eltern einen Migrationshintergrund haben, hängen anderen Kindern zwei Jahre hinterher.“ (Olaf Köller)

Vorgaben zum Betreuungsschlüssel wollten Spieß und Köller nicht machen. Wie viele Erzieherinnen wie viele Kinder betreuen sollten, sei je nach Zusammensetzung der Gruppe und sozialem Umfeld zu unterschiedlich: „In Berlin-Zehlendorf brauchen Sie einen anderen Schlüssel als in Berlin-Wedding“, sagte Köller. Daher lasse sich auch kaum berechnen, wie viel zusätzliches Geld in die Kitas und die Ausbildung des Personals fließen müsse. Wissenschaftlich belegt sei indes: „Kinder, bei denen beide Eltern einen Migrationshintergrund haben, hängen anderen Kindern zwei Jahre hinterher.“ Sie bräuchten Fachkräfte, die sie gezielt auf die Schule vorbereiten. Und die fehlen bekanntlich: „Qualifizierte Fachkräfte sind unsere größte Baustelle“, räumte Giffey ein. Und: Die Bedingungen, Erzieherin oder Erzieher zu werden und zu bleiben, „sind nicht optimal“.

Praxistipps für gute frühkindliche Bildung gab es bei der Tagung „Potenziale früher Bildung: Früh übt sich, …“ nicht. Deutlich wurde, dass es schon an der Definition scheitert: Was ist „gute Kita-Qualität“? Welche Kompetenzen und Kenntnisse müssen Fachkräfte dafür haben? Hier gebe es „große Forschungslücken“, sagte Mirjam Steffensky vom IPN. „Es fehlt eine kontinuierliche Berufsbildungsforschung“, monierte auch Anke König vom Deutschen Jugendinstitut (DJI).

Ebenso heterogen wie die Aus- und Fortbildung sind inzwischen viele Kita-Teams – was die Arbeit laut Praktikerinnen „nicht immer leichter“ macht. Neben Erzieherinnen, Sozialpädagogischen Assistentinnen und Kindheitspädagoginnen kommen Quereinsteigerinnen und -einsteiger aus unterschiedlichsten Berufen dazu – darunter auch mal ein Kapitän, wie Dörte Utecht, Leiterin der Abteilung Aus- und Fortbildung der „Elbkinder – Vereinigung Hamburger Kitas“, berichtete. „Kitas waren schon immer bunt, aber sie werden noch bunter.“