Fotos: Barbara Geier, David Philip/Global Campaign for Education
Schon die Auftaktveranstaltung der alle vier Jahre stattfindenden Weltversammlung der ‚Global Campaign for Education‘ (GCE) machte deutlich, wie stark das Ziel 'Education for All' (EFA) von der Basis der über 100 nationalen Kampagnenbündnissen aus Bildungsgewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen in den nunmehr fünfzehn Jahren seit Gründung der Kampagne in das Bewusstsein und Handeln nationaler und internationaler Entscheidungsträger gedrungen ist.
Hochkarätige Unterstützung für die Bildungskampagne
Auch wenn wir immer noch weit vom Erreichen der für 2015 gesteckten Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) entfernt sind und weiterhin 62 Millionen Kindern und Jugendlichen der Zugang zu Bildung verwehrt bleibt, so konnten doch in diesem Zeitraum weltweit mehr als 30 Millionen Schülerinnen und Schüler in die Bildungssysteme neu aufgenommen werden. Kailash Satyarthi, Mitbegründer und bis 2011 erster Präsident der GCE, der für seinen unermüdlichen Kampf für die Befreiung von Kindern aus Sklaven- und Lehnsarbeit im Dezember 2014 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, forderte jede/n Einzelne/n auf, so lange für das Menschenrecht auf qualitativ gute, diskriminierungsfreie Bildung zu kämpfen, bis jedes Mädchen, jeder Junge, jede Frau und jeder Mann an Bildung teilhaben können. Weitere hochkarätige Redner wie der UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und die UNESCO Generalsekretärin Irina Bokova waren mit einer Videobotschaft zugeschaltet, der Sonderberichterstatter der UN für das Recht auf Bildung, Kishore Singh, und der UNESCO-Direktor für Afrika, Prof. Hubert Gijzen, trugen ihre beeindruckenden Statements persönlich vor.
Privatschulen für Arme sind keine Alternative
In den drei Konferenztagen wurde in Plenums- und Gruppenveranstaltungen intensiv und heftig diskutiert. Einig war man sich bei der Ablehnung und Bekämpfung der in einigen Ländern wie Ghana, Kenia oder Indien galoppierend voranschreitenden Privatisierung des Bildungswesens, deren Vorgehen und Auswirkungen David Edwards, stellvertretender Generalsekretär der Bildungsinternationalen (EI) eindringlich darlegte. Beispiele der 'low fee schools' wie die der Tooley und Bridge Schulen zeigen, wie gerade arme und einkommensschwache Familien ausgenutzt werden, die glauben, dass ihre Kinder durch den Besuch einer privaten Schule bessere Zukunftschancen haben. Die 50 - 70 Cent, die pro Kind jeden Tag in diesen Schulen bezahlt werden müssen, machen oft bis zu achtzig Prozent des Einkommens der Familie aus und fehlen für Nahrung, Kleidung, Gesundheit und andere Dinge. So muss jeden Tag aufs Neue die Ware Bildung gekauft werden. Wer im Rückstand ist, verschuldet sich oder fliegt aus dem System.
Bildung ist staatliche Aufgabe
Alle an gute Bildung gestellten Forderungen werden hier unterlaufen: unausgebildete Lehrkräfte, Diskriminierung (Nichtaufnahme) von Kindern mit Behinderung, Kostenpflicht, keine Rechenschaft gegenüber der Öffentlichkeit, keine staatliche Kontrolle, hoher Profit, geringe Erfolgsraten. Negative Folgen haben die 'low fee schools' besonders für Mädchen, da Familien meist zuerst das Schulgeld für einen Jungen ausgeben und es häufig für die Schwester nicht mehr reicht. Die Auswirkungen sind alarmierend, da die Beschulungsrate der Mädchen in diesen Ländern wieder sinkt. Die Forderung, dass die Bereitstellung von qualitativ guter, kostenloser Bildung Aufgabe des Staates ist und er die Kontrolle über Bildung nicht an kommerzielle Unternehmen abgeben darf, ergibt sich daraus, dass Bildung ein Menschenrecht ist und als solches unantastbar.
Besonders Delegierte und Gastredner aus den Südländern betonten, dass die Bildungsfinanzierung von der „Manipulation der Weltbank“ weg muss und die Staaten sich stärker auf nationale, nicht nur staatliche, sondern auch 'individuelle' Geldgeber stützen müssen. Einig war man sich, dass mindestens sechs Prozent des BIP und zwanzig Prozent der Entwicklungsausgaben für Bildung bereitgestellt werden müssen. Die Rolle von multilateralen Fonds zur Bildungsfinanzierung wie der ‚Global Partnership for Education‘ (GPE) oder bilateralen Geldgebern wurde hier nicht näher diskutiert.
Militär aus Schulen fernhalten
Die Bedingungen in Krisen- und Konfliktgebieten von Pakistan über Irak, Syrien, Yemen bis Nigeria, um nur einige zu nennen, erfordern zwar an die jeweilige Situation angepasste Maßnahmen, müssen aber von der internationalen Gemeinschaft vorrangig angegangen werden. Millionen von Krieg und Flucht betroffener Kinder und Jugendliche werden aus ihrer Bildungslaufbahn geworfen oder haben keinen Zugang zu Bildung. Traumatisierte Menschen oder Menschen mit Behinderung finden nur in den seltensten Fällen Unterstützung. Hinzu kommt, dass, wie in Pakistan und Ruanda geschehen, Militär Schulen als Stützpunkt für seine Zwecke einnimmt. Der Antrag, dass Militär in keiner Schule weltweit etwas zu suchen hat, wurde in die Verfassung der GCE aufgenommen. Schulen sind Orte, an denen zum Frieden erzogen wird. Sie müssen militärfreie Zonen sein und bleiben. Als Beispiel konnte ich hier die GEW Kampagne 'Bundeswehrfreie Schule' einbringen.
Bildung in der neuen Entwicklungsagenda
2015 ist ein Jahr, in dem weitreichende Entscheidungen für eine neue Phase von Millenniumsentwicklungszielen bis 2030 gefällt werden, der sogenannte Post-2015 Agenda der Vereinten Nationen. Der Weltbildungsgipfel im Mai in Korea, der G7-Gipfel im Juni in Deutschland und der G77- Gipfel in Äquatorialguinea, der Weltkongress der Bildungsinternationale im Juli in Kanada und die UN-Vollversammlung im September in New York: überall werden bei diesen Konferenzen Weichen für den Stellenwert von Bildung in einer neuen Entwicklungsagenda gesetzt.
In Johannesburg arbeiteten die Delegierten der GCE-Weltversammlung und TeilnehmerInnen von Bildungsgewerkschaften ihre Kritik zu dem vorliegenden Entwurf des Aktionsrahmenplans der Post-2015 Agenda der UNESCO heraus, die sich in einigen Punkten zusammenfassen lässt: Bildung als Stärkung der Demokratie, als Mittel der Armutsbekämpfung, als Grundlage der Nachhaltigkeit u.a. fehlt; Bildungsziele werden auf technokratisch messbare Tests reduziert; Qualität der Lehrkräfte und LehrerInnenausbildung bleibt unerwähnt; bei Finanzierung wird besonders PPP erwähnt, die Verantwortung des Staates reduziert; die Beteiligung von SchülerInnen, Eltern, LehrerInnen, Zivilgesellschaft, Gewerkschaften fehlt. Zur Verbesserung bieten GCE und EI der UNESCO ihre Mitarbeit als ExpertInnen an, besonders in den Bereichen LehrerInnen, Evaluierung und Finanzierung.
Kinder und Jugendliche einbeziehen
Vernor Munoz, der frühere UN-Beauftragte für das Menschenrecht auf Bildung, der heute für PLAN arbeitet, fand große Unterstützung bei Delegierten aus Lateinamerika, Bangladesh und einigen afrikanischen Ländern für den Antrag von PLAN, Kindern und Jugendlichen einen Sitz im Vorstand der GCE zu geben. Gegen heftigen Widerstand, vor allem aus Ländern des Nordens und der arabischen Welt, wurde der Antrag jedoch abgelehnt bzw. sehr verwässert als Forderung, Jugendliche mehr einzubeziehen, angenommen. Mary Metcalfe, Erziehungswissenschaftlerin an der Universität Witwatersrand in Johannesburg, hielt ein eindringliches Plädoyer, vom 'adult centered view' im Bildungswesen wegzukommen.
Die Argentinierin Camilla Croso wurde als Präsidentin, die Französin Monique Fouilhoux als Vorsitzende (Chairperson) der GCE wiedergewählt. Die Nordkoalition der Kampagne wählte die Dänin Helle Gudmansen wieder und den US-Amerikaner Ed Gragert neu in den Vorstand. Bis zum nächsten Weltkongress der GCE in vier Jahren liegt viel Kampagnen- und politische Lobbyarbeit auf nationaler und internationaler Ebene vor den Mitgliedern. Vielleicht gelingt uns ja auch der Wandel zu einem mehr 'youth centered view'.