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National Education Association (NEA)

Gewerkschaftsfeindlicher Angriff abgewehrt

Die größte US-Lehrergewerkschaft NEA hatte damit gerechnet, dass sie aufgrund eines Urteils des Obersten Gerichtshofs von ihren drei Millionen Mitgliedern 200.000 verliert. Stattdessen hat sie bis März 2019 rund 217.000 neue Mitglieder gewonnen.

Supreme Court of the United States (Foto: Pixabay / CC0)

Der  Oberste Gerichtshofs der USA hatte im Juni 2018 ein Urteil gefällt, dass für die Gewerkschaften nichts Gutes erwarten ließ. Dieses, das sogenannte „Janus Case“, revidierte eine Entscheidung aus 1977, nach der die Praxis legitimiert wurde, Gebühren für tarifliche Leistungen von Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern zu erheben. Gegner der Gewerkschaften und Aktivisten der Rechten, die finanziell unter anderem von den ultrakonservativen Milliardären Charles und David Koch sowie Bildungsministerin Betsy DeVos unterstützt werden, hatten über Jahre Klagen lanciert und schließlich eine Änderung durchgesetzt. „Es war klar, dass es das Interesse der Lobbygruppen war, Gewerkschaften aus dem Weg zu räumen. Es ist ihr Ziel, das Bildungssystem zu privatisieren und Profite daraus zu ziehen“, sagte Brian Nelson, Präsident der NEA-South Kingston.

Unterbezahlte Lehrkräfte

Dabei werden starke Gewerkschaften im Bildungsbereich gebraucht. In den USA herrscht Lehrkräftemangel. Der Hauptgrund dafür ist offensichtlich: Lehrerinnen und Lehrer sind stark unterbezahlt. Ihr Gehaltsniveau ist im Vergleich zu den Gehältern anderer Hochschulabsolventen wesentlich niedriger. 2018 machte die Differenz 21,4 Prozent aus. Das bedeutet, die Entscheidung, nach Abschluss des Studiums zu unterrichten, führt zu einer Einkommenseinbuße von mehr als einem Fünftel.

Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 werden die Mittel im Schulbereich immer weiter gekürzt. „Wir sollen mit immer weniger Mitteln unterrichten und gleichzeitig anspruchsvollere Leistungskennzahlen bringen“, kritisiert die Virginia Mittelschullehrerin Joy Kirk. Nach Angaben des Center for Budget and Policy Priorities (CBPP) stellten 29 Staaten im Jahr 2015 (dem letzten Jahr, für das Daten vorliegen) weniger Gesamtmittel für öffentliche Schulen zur Verfügung als vor dem Crash von 2008. Diese Entwicklung wird durch die Ausweitung von Schulen in freier Trägerschaft, den sogenannten Charter Schools, die als gewerkschaftsfeindlich gelten und bei denen kurzfristige Arbeitsverträge an der Tagesordnung sind, noch verschärft.

Streikbereitschaft nimmt zu

Wer erwartet hatte, dass die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs von 2018 Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes Kraft nimmt, sich den Kürzungen und Privatisierungsplänen entgegenzustellen, wurde eines Besseren belehrt. Von den 485.000 Beschäftigten, die sich im  vergangenen Jahr an den 20 größten Streiks beteiligten, kamen über 90 Prozent aus dem Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich, berichtet das U.S. Bureau of Labor. Seit 2007 ist dies die höchste Zahl an Streiks mit der größten Beteiligung seit 1983 mit damals 533.000 Beschäftigten. Die Proteste der Lehrerkräfte trugen dazu bei, dass die Finanzierung der Schulen in den Bundesstaaten Arizona, North Carolina, Oklahoma und West Virginia, vier der zwölf Staaten, die in den vergangenen zehn Jahren am stärksten gekürzt hatten, erheblichbesser wurde. In Texas unterzeichnete der republikanische Gouverneur Greg Abbott im Februar 2019 ein Fünf-Milliarden-Dollar Finanzpaket für Schulen, das auch Gehaltserhöhungen für die Lehrkräfte beinhaltet.

Die Gewerkschaften in den USA stehen grundsätzlich nicht gut da. Nur 10,5 Prozent der Beschäftigten waren 2018 Mitglied in einer Gewerkschaft. Im privatem und öffentlichem Sektor gibt es dabei große Unterschiede: Während im privaten Bereich gerade einmal 6,4 Prozent -der Beschäftigten organisiert sind, liegt der Anteil im öffentlichen Sektor  bei 33,9 Prozent. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs sollte das ändern. „Es gab Ängste, dass Janus uns spalten würde“, sagte Diana Abasta, die Präsidentin der Burbank Teachers Association, die mit NEA verbunden ist. „Ich glaube, es hatte den gegenteiligen Effekt. Als Gewerkschaft stehen wir zusammen wie eh und je.“