Deutsch-Britisches Gewerkschaftsforum
Gewerkschaften stellen sich auf Brexit ein
Beim Deutsch-Britischen Gewerkschaftsforum in London ging es nicht nur um den Brexit. Wichtige Themen waren auch der Klimaschutz und der Umgang mit Rechtspopulismus in den Gewerkschaften. Für die GEW war Barbara Geier dabei.
Der weiße Elefant Brexit war allgegenwärtig beim 18. Deutsch-Britischen Gewerkschaftsforum am 20. und 21. November 2019 in London. Auf Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung diskutierten Vertreterinnen und Vertreter des DGB, des britischen Gewerkschaftsbunds Trade Union Congress (TUC) und ihrer jeweiligen Einzelgewerkschaften mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern darüber, wie Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte geschützt und der Übergang von fossiler zu erneuerbarer Energie gestaltet werden können, und wie Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter sich gegen populistische und ultrarechte Bewegungen aufstellen müssen.
Soziale Rechte für Briten erst durch EU-Gesetzgebung
Auch wenn die Labour Party just am 21. November ihr Manifest für den erhofften Wahlsieg am 12. Dezember mit einem noch offenen Brexit veröffentlichte, gingen die Redebeiträge doch von einem wie auch immer gestalteten Austritt Großbritanniens aus der EU aus. Frances O‘Grady, Generalsekretärin des TUC, wies darauf hin, dass eine der wichtigsten Verhandlungen nach dem Brexit die Erhaltung der Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte sei. Dass diese Rechte erst durch die EU-Gesetzgebung in ihrem Land verwirklicht worden seien, komme im öffentlichen britischen Diskurs leider viel zu wenig vor – ebenso wie Mutterschutz und Elternzeit, die es in Großbritannien ohne die Unterstützung der europäischen Gewerkschaften nicht gäbe.
Bei Handelsverträgen geht es nicht um Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte
Susanne Wixforth, Referatsleiterin der DGB-Abteilung internationale und europäische Gewerkschaftspolitik, erläuterte sehr ernüchternd, dass es bei Handelsverträgen um rein wirtschaftliche Interessen und Vereinbarungen gehe und nicht um Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte. Die Gewerkschaften seien hier besonders gefordert, die Rechte der Arbeitenden gegen die Forderungen der Wirtschaft zu schützen.
Fred Grindrod von der NASUWT, der britischen Schwestergewerkschaft der GEW, fragte, wie bi- und multilateraler sozialer Dialog, der bisher durch den Europäischen Sozialfonds der EU gefördert wird, in Zukunft für die Briten weitergehen könne.
Gewerkschaften fordern faire Transformation
Einig waren sich alle Beteiligten, dass der Übergang in eine fossilfreie Energieversorgung fair gestaltet werden müsse. Das sei nur möglich, wenn alle gesellschaftlichen Gruppen beteiligt seien. Dies muss unter drei Prämissen geschehen, wie Anja Weber, DGB-Vorsitzende in Nordrhein-Westfalen, darlegte: erstens soziale Gerechtigkeit, zweitens ökologische Verantwortung, drittens ökonomische Vernunft. Um diese Herausforderungen bewältigen zu können, seien nicht nur Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit, sondern auch Investitionen in Erwachsenenbildung sowie Weiterbildungs- und Umschulungsprogramme notwendig.
Gewerkschaften und Rechtspopulismus
Antworten auf den erstarkenden Rechtspopulismus zu finden, ist die große gemeinsame Aufgabe der Gewerkschaften. Liz Fekete, Leiterin des Institute of Race Relations in London, lehnte den Begriff Rechtspopulismus jedoch als Euphemismus ab. Sie benutzte stattdessen das Wort Faschismus. Betriebliche Interessenvertreter aus Hull in Nordengland und aus Köln berichteten, dass sie sich auch mit Gewerkschaftsmitgliedern und sogar Funktionären über rechtspopulistische Ansichten auseinandersetzen müssten. Deshalb sei es wichtig, weiter Schulungen für Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter im Umgang mit Rechtsradikalismus anzubieten und dies zu intensivieren.
Bildung von entscheidender Bedeutung
Deutlich wurde bei allen Themen des traditionsreichen Deutsch-Britischen Gewerkschaftsforums, dass Bildung eine zentrale Rolle bei der Vermittlung und Bewältigung der drei großen Herausforderungen Klimawandel, Rechtspopulismus und Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte zukomme. Das gilt für alle Bildungsbereiche von der frühkindlichen und schulischen Bildung bis zur Berufs-, Hochschul- und Weiterbildung. Diese Herausforderungen haben keine nationalen Grenzen. Es ist daher gut und wichtig, den Austausch zwischen britischen und deutschen Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch nach einem möglichen Brexit weiterzuführen.
Barbara Geier ist ehemalige Gesamtschullehrerin und Personalrätin. Sie ist Mitglied im Vorstand der GEW Hamburg und vertritt die GEW in der Globalen Bildungskampagne.