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Situation von Gewerkschaften weltweit

Gewerkschaften brauchen Demokratie, Demokratie braucht Gewerkschaften

Gewerkschafterinnen aus der Ukraine, Nord- und Ostsyrien, Simbabwe und Belarus berichten über ihre Arbeit – und was sie motiviert, trotz aller Schwierigkeiten weiterzumachen.

Durch den russischen Angriffskrieg sei die ukrainische Bildungsgewerkschaft TUESWU (Trade Union of Education and Science Workers of Ukraine) besonders gefordert, sagt deren Vizepräsidentin Olha Chabaniuk. (Foto: TUESWU)

„Unsere Aufgabe ist es, für die Sicherheit der Lehrkräfte sowie der Schülerinnen und Schüler zu sorgen.“

Olha Chabaniuk, Trade Union of Education and Science Workers of Ukraine (TUESWU)

„Gewerkschaftsarbeit ist meine Bestimmung, mein Schicksal. Alle, die aktiv sein wollen, können sich hier einbringen und ihre Ideen verwirklichen.“ Das betont Olha Chabaniuk, Vizepräsidentin der ukrainischen Bildungsgewerkschaft TUESWU. Auch während der Luftangriffe und massiven Bombardierungen, trotz Stromausfalls, ohne Zugang zu Internet und Mobilfunk, setze die Gewerkschaft ihre Arbeit fort. Wichtige Aufgabe der TUESWU sei, für die Sicherheit der Lehrkräfte sowie der Schülerinnen und Schüler zu sorgen, erklärt die 37-Jährige. Die Gewerkschaft habe zum Beispiel einen Schutzraum für eine Schule im Raum Kyjiw geschaffen. Dort werden nun 2.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet.

Laut Chabaniuk sind mehr als 3.800 Bildungseinrichtungen durch den russischen Angriffskrieg beschädigt worden. Davon wurden 365 Einrichtungen komplett zerstört. TUESWU unterhalte Anlaufstellen für Lehrkräfte, die ihre Heimatregion verlassen mussten. In Odesa arbeite ein Zentrum für die soziale und psychologische Rehabilitation der Lehrkräfte. Die TUESWU-Vizepräsidentin erklärt, wie wichtig internationale Solidarität sei. Mit Mitteln des Heinrich-Rodenstein-Fonds der GEW wird die humanitäre Arbeit der TUESWU unterstützt. „Wir danken der GEW, dass sie zum dritten Mal hintereinander ukrainische Kinder und Jugendliche nach Deutschland zur Erholung in ein Feriencamp eingeladen hat.“ Das Zeltlager wird von der Jugendorganisation „Die Falken“ organisiert und von dem Verein „Gewerkschaften helfen e. V.“ gefördert.

Durch die Angriffe des türkischen Militärs und den Terror des IS wurden viele Bildungseinrichtungen in Nord- und Ostsyrien zerstört. „Unsere Gewerkschaft arbeitet hart am Wiederaufbau der Schulen“, sagt Nesrîn Reșik von der Bildungsgewerkschaft Yekîtiya Mamosteyên Bakur û Rojhilatê Sûriyeyê. (Foto: Carmen Ludwig)

„Wir tragen die Stimme der Lehrkräfte Nord- und Ostsyriens in die Welt.“

Nesrîn Reșik, Nord- und Ostsyrien, Bildungsgewerkschaft Yekîtiya Mamosteyên Bakur û Rojhilatê Sûriyeyê

„Das türkische Militär hat nicht aufgehört, unser Gebiet anzugreifen.“ Bei Luftangriffen seit November 2022 auf die Region Euphrat seien zwei Schüler getötet worden, weitere Kinder wurden verletzt, einem Kind musste das rechte Bein amputiert werden. Das berichtet Nesrîn Reșik, Gewerkschaftssekretärin für Internationales von Yekîtiya Mamosteyên Bakur û Rojhilatê Sûriyeyê in Nord- und Ostsyrien. Auch viele Schulen seien durch den Krieg zerstört worden. Zudem gebe es Schulgebäude, die wegen ihres Alters außer Betrieb sind oder weil unter der Schule Tunnel verlaufen, die die Terrormiliz IS gegraben hat. 

Fast 22.000 Mädchen und Jungen hätten keinen Zugang zu Bildung. „Unsere Gewerkschaft arbeitet hart am Wiederaufbau der Schulen“, unterstreicht die 34-Jährige. „Wir machen auch regelmäßig Besuche bei Lehrkräften und ihren Familien, um die kollegialen Verbindungen zu stärken und deren Sorgen zu lindern.“ Sie betont: „Wir tragen die Stimme der Lehrkräfte Nord- und Ostsyriens in die Welt.“

Wichtig sei die Freundschaft mit Bildungsgewerkschaften auf der ganzen Welt, etwa mit der GEW und Education International (EI). Reșik ist von der Rolle überzeugt, die ihre Gewerkschaft bei der Etablierung der Demokratie und bei der Verbreitung von Gleichheit und Freiheit im Bildungswesen spielt. „Das ist, was mich ermutigt und auf eine helle, freie und demokratische Zukunft hoffen lässt.“

Hillary Yuba verantwortet als „Project Officer“ der Gewerkschaft PTUZ (Progressive Teachers’ Union of Zimbabwe) Projekte gegen Kinderarbeit in Simbabwe. Sie betont, dass Kinderarbeit ein globales Problem sei. (Foto: Samuel Grumiau)

„Wir müssen den Kreislauf der Armut durchbrechen.“

Hillary Yuba, Progressive Teachers Union of Zimbabwe (PTUZ)

„Wenn wir Kinderarbeit in Simbabwe bekämpfen, sichern wir die Ressourcen unseres Landes.“ Wenn dies nicht geschehe, so Hillary Yuba, Project Officer der Lehrkräftegewerkschaft PTUZ, gebe es niemanden, der die Aufgaben der jetzt aktiven Generation übernehmen werde, wenn diese in den Ruhestand geht oder verstorben ist. Der Kampf gegen Kinderarbeit habe zudem zum Ziel, „den Kreislauf der Armut zu durchbrechen“. Schulbildung schaffe die Voraussetzung, später einen Arbeitsplatz zu finden und sich aus der Armut zu befreien. Die 52-Jäh-rige nennt einen weiteren Grund, warum sich die PTUZ gegen Kinderarbeit engagiert: „Als Gewerkschaft verteidigen wir die Menschenrechte, das Recht auf Bildung.“

Die PTUZ und ihre Partner haben zum Ziel, kinderarbeitsfreie Zonen zu schaffen. „Dazu arbeiten wir mit dem jeweiligen Chief zusammen, dem traditionellen Anführer eines Distrikts.“ Beim Multi-Sektoren-Ansatz im Kampf gegen Kinderarbeit gehe es auch darum, neben dem Bildungsministerium das Ministerium für Soziales ins Boot zu holen. Yuba schätzt die Unterstützung durch Education International (EI) und die GEW-Stiftung fair childhood: „Das macht deutlich, dass Kinderarbeit kein Thema allein der PTUZ ist, sondern ein globales Problem.“

Sie ist ehemalige Grundschullehrerin, unterrichtete unter anderem Englisch sowie die Sprache der Shona, die ungefähr 70 Prozent der Bevölkerung stellen, daneben Mathematik und Landwirtschaft. Ihr Büro befindet sich in der Hauptstadt Harare. Die Projekte gegen Kinderarbeit verantwortet Yuba seit 2009.

Lizaveta Merliak sammelt für die belarussische Exil-Organisation Salidarnast Association Informationen über inhaftierte Gewerkschaftsmitglieder. Sie unterstützt Kolleginnen und Kollegen, die im Ausland Zuflucht gefunden haben. (Foto: Salidarnast Association)

„Wir wollen eine soziale und gerechte Gesellschaft schaffen.“

Lizaveta Merliak, Gewerkschafterin der belarussischen Exil-Organisation Salidarnast Association

„Wir wissen von 31 Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern, die in Belarus weiterhin im Gefängnis oder in einer Strafkolonie sind, weitere acht befinden sich im Hausarrest“, berichtet Lizaveta Merliak von der belarussischen Exil-Organisation Salidarnast Association. Die 45-Jährige verweist auf Aliaksandr Yarashuk, den Vorsitzenden des Belarusian Congress of Democratic Trade Unions (BKDP), der zu vier Jahren Haft verurteilt wurde. Die freien Gewerkschaften hatten sich in Belarus für Demokratie und Gewerkschaftsrechte engagiert. Sie wurden daraufhin vom Lukaschenko-Regime zerschlagen.

Im Gefängnis oder in der Strafkolonie herrsche Willkür – wer sein Hemd nicht korrekt zugeknöpft habe, werde mit bis zu 15 Tagen Einzelhaft bestraft, so Merliak. Salidarnast sammelt Informationen über die Haftbedingungen, unterstützt Gewerkschaftsmitglieder, die im Ausland Zuflucht gefunden haben, und vertritt die freien Gewerkschaften von Belarus in den Gremien der internationalen Gewerkschaftsbewegung. „Kürzlich hat das Regime eine Amnestie verkündet, einige politische Gefangene durften das Gefängnis verlassen.“ Auch seien mehrere Gewerkschaftskolleginnen und -kollegen nicht mehr in Haft. „Unsere Organisation hat die Mission, in Belarus eine soziale und gerechte Gesellschaft zu schaffen.“ Salidarnast möchte zudem die freien Gewerkschaften wiederaufbauen. Merliak betont: „Wahrscheinlich werden es nicht wir sein, die diese Gewerkschaften neu gründen. Aber, so hoffe ich, Menschen, die von uns beeinflusst worden sind.“ 

Der Hilfsfonds der GEW, gegründet 1981, ist nach dem Vorsitzenden der GEW von 1960 bis 1968 benannt, der zu den Mitgründern der GEW nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte. Heinrich Rodenstein war ein engagierter -Reformer und Gewerkschafter, der während der Nazi-Diktatur ins Exil flüchten musste. In seinem Gedenken unterstützt der HRF verfolgte und inhaftierte Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter sowie deren Familien. Er leistet Nothilfe bei Erdbeben oder Überflutungen. Und er hilft, Flucht und Aufenthalt im Exil zu finanzieren. 2020 unterstützte der Fonds zum Beispiel Gewerkschaftskolleginnen und -kollegen in Burkina Faso. 2022 half er, die Not afghanischer Lehrerinnen zu lindern, die Berufsverbot erhielten. 2023 förderte er einen Solidaritätsfonds, der Erdbebenopfer in der Türkei unterstützte. Der HRF ist gemeinnützig und finanziert sich aus Spenden von GEW-Mitgliedern und Förderern.

Spendenkonto:

Heinrich-Rodenstein-Fonds

Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale

IBAN: DE88 5005 0000 0084 0001 24

BIC: HELADEFF