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GEW-Wissenschaftskonferenz diskutiert Herrschinger Kodex "Gute Arbeit in der Wissenschaft"

Die 6. Wissenschaftskonferenz der GEW ist am Samstag mit einem Appell an Hochschulen und Forschungseinrichtungen, ihren Beschäftigten berechenbare Karrierewege und stabile Beschäftigungsbedingungen anzubieten, zu Ende gegangen.

"Alle Bundesländer haben die Autonomie der Hochschulen auch in Finanz- und Personalangelegenheiten massiv ausgebaut, der Bund möchte die Eigenverantwortung der außeruniversitären Forschungseinrichtungen in einem 'Wissenschaftsfreiheitsgesetz' stärken. Die Hochschulen und Forschungseinrichtungen müssen daher jetzt ihre erweiterten Gestaltungsspielräume nutzen, um als verantwortungsbewusste Arbeitgeber anständige Beschäftigungsbedingungen und attraktive Arbeitsplätze zu bieten. Daher erwarten wir, dass sich jede Hochschule und Forschungseinrichtungen in einem Kodex 'Gute Arbeit in der Wissenschaft' auf Mindeststandards für berechenbare Karrierewege und stabile Beschäftigungsverhältnisse verpflichtet", sagte das für Hochschule und Forschung verantwortliche Vorstandsmitglied der GEW, Andreas Keller, in Herrsching am Ammersee, wo sich knapp 140 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zur viertägigen Konferenz versammelt hatten. 

Der Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Professor Hans Jürgen Prömel, stellte auf der GEW-Wissenschaftskonferenz die im April 2012 einstimmig von der HRK-Mitgliederversammlung beschlossenen "Leitlinien für die Ausgestaltung befristeter Beschäftigungsverhältnisse mit wissenschaftlichem und künstlerischen Personal" vor. Die HRK-Richtlinien sehen u.a. vor, dass die Laufzeiten von Zeitverträgen so bemessen werden, dass das Qualifizierungsziel, z. B. die Promotion, in der Befristungszeit "erreichbar und wissenschaftlich ausführbar" ist. "Ein Schritt in die richtige Richtung", lobte GEW-Vorstandsmitglied Andreas Keller die HRK-Initiative und bot den Hochschulen bei der Umsetzung der Richtlinien die Zusammenarbeit mit der GEW an.

Weitergehende Empfehlungen als die HRK-Richtlinien enthält der auf der GEW-Wissenschaftskonferenz als Entwurf vorgelegte Herrschinger Kodex "Gute Arbeit in der Wissenschaft". Der Herrschinger Kodex sieht beispielsweise einen "Tenure Track" für promovierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (Postdocs) vor, der diesen eine dauerhafte Perspektive an der Hochschule eröffnet, wenn sie die zu Beginn der Postdoc-Phase mit der Hochschule vereinbarten Qualifizierungsziele erreichen. Weiter wird im Herrschinger Kodex eine konsequente Anwendung der familienpolitischen Komponente des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes gefordert, welche die Verlängerung von Zeitverträgen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die Kinder betreuen, vorsieht. Die Einhaltung des Kodex soll durch eine spezielle Ombudskommission aus Hochschulmitgliedern und Expertinnen und Experten aus der Praxis überwacht werden.

In einer Gesprächsrunde zum Thema "Wer zahlt, schafft an" diskutierten in Herrsching Geldgeber von Hochschulen und Forschungseinrichtungen, wie diese durch Auflagen, Anreize oder Zielvereinbarungen aktiv darauf einwirken können, dass Hochschulen und Forschungseinrichtungen tatsächlich konkrete Maßnahmen zur Verbesserung von Beschäftigungsbedingungen und Berufsperspektiven ergreifen. Anselm Fremmer (Deutsche Forschungsgemeinschaft), Ulrich Hörlein (Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst) und Antje Tepperwien (VolkswagenStiftung) erkannten grundsätzlich den Handlungsbedarf der Geldgeber an, sahen aber für ihre Institution jeweils unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten.


Einen Blick über den Tellerrand wagten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der 6. GEW-Wissenschaftskonferenz am Donnerstag im Gespräch mit Annette Hug von der schweizerischen öffentlichen Dienstgewerkschaft VPOD sowie Peter Korecky von der österreichischen Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD). Dem GÖD ist es gelungen, in Tarifverhandlungen mit den österreichischen Universitäten eine Reform der Hochschulpersonalstruktur durchzusetzen und den "Tenure Track" im "Kollektivvertrag für die Arbeitnehmer/innen der Universitäten" rechtsverbindlich zu verankern. In Deutschland wäre das schon aufgrund der geltenden Tarifsperre im Wissenschaftszeitvertragsgesetz ausgeschlossen. "Trauen Sie Gewerkschaften und Arbeitgebern auch im deutschen Wissenschaftssystem etwas zu, geben Sie Tariffreiheit!" appellierte Andreas Keller von Herrsching aus an Bundesregierung und Bundestag.

Der Entwurf des Herrschinger Kodex "Gute Arbeit in der Wissenschaft" wurde auf der GEW-Wissenschaftskonferenz in insgesamt sechs themenorientierten Workshops intensiv beraten. Die Gremien der GEW werden jetzt die zahlreichen Verbesserungsvorschläge auswerten und in den Kodex einarbeiten. Auf dem dritten Follow-up-Kongress zum Templiner Manifest am 15. November 2012 in Berlin möchte die GEW den fertigen Herrschinger Kodex der Öffentlichkeit präsentieren und Hochschulen und Forschungseinrichtungen einladen, sich nach dem Vorbild des Kodex selbst zu einer guten Personalpolitik zu verpflichten. Mit dem Templiner Manifest setzt sich die GEW seit 2010 unter dem Motto "Traumjob Wissenschaft" für eine umfassende Reform von Personalstruktur und Berufswegen in Hochschule und Forschung durch Bund, Länder und Hochschulen ein.