Frankfurt a.M./Berlin - Ein „wichtiges und notwendiges Signal gegen Aussonderung und für ein inklusives Schulsystem“ hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) den Jakob-Muth-Preis genannt. Der Preis ist heute in Berlin an die Erika-Mann-Grundschule (Berlin), die Sophie-Scholl-Schule (Gießen) und die Integrierte Gesamtschule Hannover-Linden verliehen worden. Marianne Demmer, stellvertretende Vorsitzende und Schulexpertin der GEW, forderte von kommunalen Schulträgern und Landesregierungen, mit ihrer „halbherzigen Politik Schluss zu machen und endlich mutige Schritte zum gemeinsamen Lernen“ zu unternehmen. Dass in Deutschland nur 15 Prozent der jungen Menschen mit Behinderungen einen Platz in einer allgemeinen Schule finden, sei ein Armutszeichen und international „blamabel“. In anderen Staaten sei das Verhältnis umgekehrt.
Die GEW-Vize forderte von der Bundesebene bis zu den Kommunen konkrete Planungen, um gemeinsames Lernen zum Regelfall zu machen. „Die GEW wird nicht locker lassen, bis die UN-Konvention für die Rechte Behinderter auch im Bildungswesen umgesetzt ist“, betonte Demmer. Dazu müssten die Bildungseinrichtungen barrierefrei eingerichtet werden und sich die Ausbildung des Personals am Ziel der Inklusion orientieren. „Mindestens ebenso wichtig ist, dass die Barrieren in den Köpfen fallen“, sagte die Schulexpertin. Längst seien sich alle Fachleute einig, dass behinderte und nicht behinderte Menschen gleichermaßen vom gemeinsamen Lernen profitieren, wenn das Lernklima und die -bedingungen stimmen. Ängste und Vorbehalte würden dann gegenstandslos.
Demmer betonte, dass die Preisträger stellvertretend für die vielen Schulen stünden, die die Integration von Menschen mit Behinderungen in der Vergangenheit gegen den aussondernden Mainstream durchgesetzt haben. Die gute Praxis dieser Schulen müsse bekannt gemacht werden, damit sich alle allgemeinen Schulen für Menschen mit Behinderungen öffnen. Sie wies darauf hin, dass das Bemühen um Inklusion in vielfacher Hinsicht unterschiedlich stark ausgeprägt sei. Zum einen gebe es von Bundesland zu Bundesland Differenzen: So gingen in Bremen und Schleswig-Holstein ungefähr 40 Prozent, im benachbarten Niedersachsen jedoch nur etwa sechs Prozent der behinderten Schülerinnen und Schüler in allgemeine Schulen.
Noch größer seien die Unterschiede mit Blick auf die Schulformen: In Gymnasien und Realschulen seien behinderte Jungen und Mädchen nahezu unbekannt. Während in Grundschulen, Hauptschulen, integrierten Gesamtschulen und Schulen mit mehreren Bildungsgängen statistisch betrachtet in jeder dritten Klasse ein Junge oder Mädchen mit einer Behinderung unterrichtet werde, sei dies in Realschulen nur in jeder 40sten und in Gymnasien lediglich in jeder 50sten Klasse der Fall. Die GEW, so Demmer, fordere deshalb mit Nachdruck, dass sich alle Schulen für gemeinsames Lernen öffnen. Moderne Unterrichtsformen, individuelle Lehr- und Lernmittel, Integrationshilfen und sonderpädagogische Fachkräfte an Schulen sowie kleine Klassen ermöglichten eine an den individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten ausgerichtete Lernkultur. Diese komme allen Schülerinnen und Schülern zugute.
Info: Der Jakob-Muth-Preis wird gemeinsam von der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, der Deutschen UNESCO-Kommission und der Bertelsmann-Stiftung verliehen. Jakob Muth, der Namensgeber, war aktives Mitglied der GEW.
GEW: „Wichtiges Signal für inklusives Schulsystem!“
Bildungsgewerkschaft zur Verleihung des Jakob-Muth-Preises