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Lehrkräftemangel

Widerstand gegen Arbeitszeitverlängerung in Bayern

Bayern reagiert auf den Lehrkräftemangel mit einer Erhöhung der Arbeitszeit an Grund-, Mittel- und Förderschulen um jeweils eine Wochenstunde. Die GEW sieht „eine rote Linie überschritten“.

Eltern und Kinder protestierten im Herbst gegen den Lehrkräftemangel in Wernigerode im Harz. Foto: Julia Bruns

Die Debatte um Reaktionen auf den akuten Lehrkräftemangel an deutschen Schulen spitzt sich mit einem Vorstoß aus Bayern deutlich zu: Das Staatsministerium für Unterricht und Kultus kündigte zur Sicherstellung der Unterrichtsversorgung an Grund-, Mittel- und Förderschulen ab dem Schuljahr 2020/21 an, die Arbeitszeit „vorübergehend“ um eine Unterrichtsstunde pro Woche zu erhöhen – ohne einen Termin für die Rückgabe zu nennen. Die GEW Bayern kündigte umgehend massiven Widerstand gegen die Pläne an.

„Eine verordnete Verlängerung der Arbeitszeit für alle Lehrkräfte kann keine Antwort auf den Lehrkräftemangel sein.“ (Daniel Merbitz)

Der GEW-Experte für Tarif- und Beamtenpolitik, Daniel Merbitz, betonte: „Eine verordnete Verlängerung der Arbeitszeit für alle Lehrkräfte kann keine Antwort auf den Lehrkräftemangel sein. Dies gilt auch dann, wenn die Landesregierung eine unbestimmte Zusage macht, die Mehrarbeitsstunden irgendwann zurückzugeben. Mehrarbeit muss aus Sicht der GEW stets freiwillig und rechtssicher rückzahlbar sein. Ansonsten drohen eine zunehmende Überlastung, mehr Erkrankungen und zusätzliche vorzeitige Pensionierungen.“ Die Gewerkschaft sieht einen Präzedenzfall: „Wenn ausgerechnet Bayern, das bislang immer stolz verkündet hat, es könne alle seine Stellen besetzen, nun mit solchen Maßnahmen voranprescht, ist zu befürchten, dass das Schule macht.“ 

Die GEW Bayern sieht „eine rote Linie überschritten“. Die hochproblematische Personalsituation sei durch eine desaströse Bildungspolitik entstanden, erklärte ein Sprecher des Landesverbandes. „Die Kolleginnen und Kollegen an den Schulen sollen dafür die Rechnung zahlen – durch Arbeitszeiterhöhung und weitere Arbeitsbelastung. Die schon jetzt grenzwertigen Belastungen der Kolleginnen und Kollegen werden dadurch ins Unerträgliche gesteigert, was einen erhöhten Krankenstand und weitere Ausfälle zur Folge haben wird.“ Die Vorsitzende der GEW-Landesfachgruppe für Grund- und Mittelschulen und Mitglied im Hauptpersonalrat, Ruth Brenner, betonte: „Die Personalvertretungen wurden über diese Maßnahmen nicht informiert. Dies ist schlicht rechtswidrig.“ 

Minister verspricht Unterstützung für Lehrkräfte

Gleichzeitig verschlechtert das Land die Möglichkeiten der Lehrkräfte, freiwillig weniger zu arbeiten. Teilzeit ist nur noch bei Elternzeit und aus familienpolitischen Gründen wie bisher zulässig. Andere Lehrkräfte müssen an Grundschulen künftig mindestens 24 von 28 Wochenstunden, an Sonderschulen mindestens 23 von 26 Wochenstunden unterrichten. Ein vorzeitiger Ruhestand auf Antrag, der bislang mit 63 zulässig ist, wird erst nach Vollendung des 65. Lebensjahres möglich sein. Auch Sabbatjahre werden in den nächsten Jahren nicht mehr genehmigt. 

Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler Bayern) sagte, die Maßnahmen würden zurückgenommen, „sobald es die Bedarfssituation zulässt“. Zusatzbelastungen für Lehrkräfte sollten „so verträglich wie möglich“ gestaltet werden. Zugleich kündigte er an, Unterstützungsangebote für Lehrkräfte und Schulleitungen weiter auszubauen, etwa durch eine Entlastung von Verwaltungsaufgaben, eine Aufstockung der Mittel und Stellen für Verwaltungsangestellte oder Unterstützung in der pädagogischen Arbeit durch mehr Schulpsychologen und -sozialpädagogen. 

„In diese Bitte schließe ich auch diejenigen unter Ihnen ein, die nicht oder nur am Rande von den dienstrechtlichen Maßnahmen betroffen sind. An Sie appelliere ich abschließend ganz besonders, uns auf freiwilliger Basis zu unterstützen.“ (Michael Piazolo)

Piazolo warb in sechs bis acht Seiten langen Briefen an alle betroffenen Lehrkräfte sowie Schulämter, Schulaufsichten und Schulleitungen um Solidarität und Verständnis für die geplanten Maßnahmen. Darin heißt es auch: „In diese Bitte schließe ich auch diejenigen unter Ihnen ein, die nicht oder nur am Rande von den dienstrechtlichen Maßnahmen betroffen sind. An Sie appelliere ich abschließend ganz besonders, uns auf freiwilliger Basis zu unterstützen und so auch dazu beizutragen, dass der Umfang der genannten dienstrechtlichen Maßnahmen möglichst gering gehalten werden kann.“