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Koalitionsvertrag

GEW: „Liefern und nachlegen“

Die GEW sieht im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD zur Wissenschaftspolitik positive Ansätze, aber auch weiteren Handlungsbedarf.

Foto: Paul J. West / shutterstock

„Eine Reihe positiver Ansätze“ sieht die GEW im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD zur Wissenschaftspolitik. Diese griffen aber vielfach zu kurz, kritisierte der stellvertretende GEW-Vorsitzende und Hochschulexperte Andreas Keller. So sei zu begrüßen, dass die schwarz-rote Koalition das BAföG in einer „großen Novelle“ modernisieren wolle. Die Erhöhung der Wohnkostenpauschale und eine dauerhafte Anpassung des Grundbedarfs für Studierende an das Grundsicherungsniveau seien richtige Schritte, wie sie auch die GEW im Februar in ihren „Anforderungen an die Wissenschaftspolitik der neuen Bundesregierung“ formulierte. „Der Pferdefuß: Die Reform soll in zwei Schritten erst zum Wintersemester 2028/29, also zur nächsten Bundestagswahl, umgesetzt werden. Das ist viel zu spät, da die Studierenden schon heute nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen sollen“, sagte Keller. Im Übrigen fehle der Koalition „die Kraft zur überfälligen Strukturreform der Ausbildungsförderung“. „Von Elternunabhängigkeit ist gar keine Rede mehr, ebenso wenig von einer Reduzierung des Darlehensanteils, ganz zu schweigen von der Wiedereinführung der Ausbildungsförderung für Schülerinnen und Schüler“, betonte der GEW-Hochschulexperte.

Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) wichtig

Erleichtert zeigte sich Keller, dass Union und SPD bis Mitte 2026 eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) in Aussicht stellen – obwohl die Ampelkoalition das Projekt „krachend vor die Wand gefahren“ habe. Als Ziele werden Mindestvertragslaufzeiten sowie die Ausweitung von „Schutzklauseln auf Drittmittelbefristungen“ genannt. „Das sind zentrale Forderungen der GEW: Wer zur Qualifizierung befristet beschäftigt wird, muss die Chance haben, die Qualifizierung vor Auslaufen des Vertrages abzuschließen. Für Promovierende bedeutet das eine Vertragslaufzeit von in der Regel sechs, mindestens aber vier Jahren. Und wer in Elternzeit oder Mutterschutz geht, Kinder betreut oder Angehörige pflegt, sich als Personalrat oder Gleichstellungsbeauftragte für Kolleginnen und Kollegen engagiert, sollte einen Anspruch auf Vertragsverlängerung erhalten – egal ob die Stelle aus dem Hochschulhaushalt oder aus Drittmitteln finanziert ist“, unterstrich Keller.

„Kein Wort zu Lage der Postdocs, die Dreh- und Angelpunkt der WissZeitVG-Debatte in der jüngsten Wahlperiode war. Die GEW pocht auf berechenbare Perspektiven für promovierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – durch Dauerstellen oder verbindliche Entfristungszusagen“ (Andreas Keller)

Trotzdem habe der Koalitionsvertrag in Sachen WissZeitVG Leerstellen. „Kein Wort zu Lage der Postdocs, die Dreh- und Angelpunkt der WissZeitVG-Debatte in der jüngsten Wahlperiode war. Die GEW pocht auf berechenbare Perspektiven für promovierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – durch Dauerstellen oder verbindliche Entfristungszusagen“, betonte Keller. Als „Armutszeugnis“ bezeichnete der GEW-Hochschulexperte, dass sich die Union am Ende in Sachen Tarifsperre „zu 100 Prozent durchsetzen“ konnte. Die im ersten Vertragsentwurf noch als strittig gekennzeichnete Aussage „Tarifliche Regelungen werden erlauben“ sei ersatzlos gestrichen worden. „Das ist ein Widerspruch zum Bekenntnis zur Tarifbindung, das die Koalitionspartner im Kapitel ‚Arbeit und Soziales‘ abgeben. In Sachen WissZeitVG haben Union und SPD vorgelegt, jetzt müssen sie nicht nur liefern, sondern auch noch nachlegen“, mahnte Keller. Gespannt zeigte er sich, was hinter der im Koalitionsvertrag angekündigten „Mittelbau-Strategie“ stecke. „Die GEW hat wiederholt gefordert, die überfällige WissZeitVG-Reform durch Bund-Länder-Programme zu flankieren, damit tatsächlich mehr Dauerstellen für Daueraufgaben sowie neue Departmentstrukturen geschaffen werden – auch als Maßnahme gegen Machtmissbrauch und für Chancengleichheit. Wir sind gerne bereit, die neue Bundesregierung bei der Ausgestaltung des Programms zu beraten“, bot der GEW-Sprecher an. Das gelte auch für den in Aussicht gestellten Ausbau von Tenure-Track- und Professorinnen-Programmen sowie die Evaluation der Exzellenzstrategie.

Lehrkräftemangel muss effektiv bekämpft werden

Keller begrüßte, dass die Koalition den „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“ über 2028 hinaus fortschreiben will. „Allein - damit ist es nicht getan. Wir brauchen dringend eine kräftige Anhebung der Vertragsgelder, mit dem der Bund den Ländern bei der Finanzierung der Studienplätze unter die Arme greift – und zwar jetzt, und nicht nach der nächsten Bundestagswahl. Nur so lassen sich mehr Lehrende einstellen, die Betreuungsrelation zugunsten der Studierenden verbessern und zusätzliche Studienkapazitäten in der Lehrkräftebildung aufbauen“, erklärte Keller. Positiv wertete er die Ankündigung, die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ wieder aufzulegen. 2023 hatte die Bildungsgewerkschaft das Auslaufen des Programms scharf kritisiert. „Wer den Lehrkräftemangel bekämpfen möchte, muss jetzt die Qualität der Ausbildung und die Studienbedingungen verbessern sowie Studienplätze sichern und ausbauen“, sagte Keller.

Schnellbauinitiatie zur Gebäudesanierung richtiger Schritt

Hoffnung macht dem Hochschulexperten auch die geplante „Schnellbauinitiative von Bund und Ländern zur Modernisierung, energetischen Sanierung und digitalen Ertüchtigung von Hochschulen und Universitätskliniken inklusive Mensen und Cafeterien“. „Die Wissenschaftsministerkonferenz der Länder hat vor kurzem den Sanierungsstau im Hochschulbau auf 140 Milliarden Euro beziffert. Der Handlungsbedarf ist enorm - und er ist dringend,“ unterstrich Keller. Wünschenswert sei allerdings, dass es nicht bei einem „befristeten Investitionsprogramm“ bleibt, wie es im Koalitionsvertrag heiße, sondern ein dauerhafter Wiedereinstieg des Bundes in die Hochschulbauförderung folgt.