Foto: Manfred Brinkmann
Seit 2006 führt der GEW Hauptvorstand jährlich eine Tagung zur internationalen Gewerkschaftsarbeit durch, um gemeinsam mit aktiven Haupt- und Ehrenamtlichen in der GEW über internationale Themen zu diskutieren. Etwa 40 Personen waren am 16./17. November 2012 nach Steinbach in die Bildungsstätte der IG BAU gereist, darunter einige junge und viele ältere Kolleginnen und Kollegen. Die vielfältigen Erfahrungen und Kompetenzen der TeilnehmerInnen waren ein bunter und kontrastreicher Gegensatz zum grauen Novemberwetter. Zum Auftakt am Freitag Nachmittag referierte Kai Eicker-Wolf vom DGB Hessen-Thüringen zum Thema ‚Krise und kein Ende – Wie sichern wir die Qualität öffentlicher Dienste in Europa?‘. Er zeigte auf, dass die Kürzungspolitik die Krise und wirtschaftlichen Ungleichgewichte noch weiter verschärft habe und im öffentlichen Dienst zuerst gespart wurde. Dies hat gravierende negative Auswirkungen auf die Beschäftigten wie Lohnkürzungen, Eingriffe in Tarifautonomie, Aufweichen des Kündigungsschutzes und Erhöhung des Renteneintrittsalters.
Der DGB-Experte für Wirtschaftspolitik sprach sich kurzfristig für massive Konjunkturprogramme mit Direktfinanzierung durch EZB oder über ESM mit Bankenlizenz aus. Langfristig müssten Eurobonds, eine Vermögensabgabe und höhere Steuern für Reiche und Unternehmen eingeführt werden sowie Reformen im Finanzsektor und eine Abstimmung der Wirtschaftspolitik im Euroraum stattfinden. „Für Deutschland bedeutet das: Schluss mit der extrem zurückhaltenden Lohnentwicklung und dem Staatsabbau“, forderte Eicker-Wolf. Der Abend gehörte den zahlreichen Kurzberichten aus der internationalen Arbeit der GEW: Globale Bildungskampagne, GEW-Stiftung Fair Childhood und ein Besuch des GEW-Vorsitzenden bei indischen Projektpartnern, Solidaritätsarbeit der GEW mit Partnern in: Nicaragua, Burkina Faso, der Türkei und Kolumbien, gemeinsamen deutsch-polnischen und deutsch-israelischen Begegnungen und Seminaren, einer Rundreise zweier chilenischer Studentinnen und eines Metall-Gewerkschafters durch Deutschland sowie einer Selbstdarstellung des Arbeitskreises Internationales der GEW Hessen.
Am Samstagmorgen beschäftigten sich die TeilnehmerInnen in vier Arbeitsgruppen mit den Weltklasse-Aktionswochen 2013 der Globalen Bildungskampagne, mit Menschen- und Gewerkschaftsrechten in Kolumbien und der Türkei, mit dem Weltsozialforum 2013 in Tunis und der GEW-Initiative ‚Bildung statt Kinderarbeit‘. Dazu läuft bis zum 1. März 2013 der Ideenwettbewerb ‚Kinderarbeitsfreie Zone‘. Schulen und Bildungseinrichtungen sind aufgerufen, mit eigenen Vorschlägen und Aktionen dazu beizutragen, damit Produkte aus Kinderarbeit erkannt und aus dem Alltag verbannt werden. Auftakt für die Aktionswochen der Globalen Bildungskampagne, die unter dem Motto ‚Every child needs a teacher‘ von April bis Juni stattfinden werden, ist die didacta 2013 im Februar in Köln. Gemeinsam mit anderen Entwicklungsorganisationen setzt die GEW sich hier für die Verwirklichung des Rechts auf Bildung für alle ein und fordert mehr Mittel zur Ausbildung und Finanzierung von Lehrkräften.
In Kolumbien fordert die GEW ein Ende der Gewalt gegen Lehrerinnen und Lehrer und tritt gemeinsam mit anderen Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen für eine Ablehnung des Freihandelsabkommen der EU mit Kolumbien (und Peru) durch das EU-Parlament ein, solange die Einhaltung von Menschen- und Gewerkschaftsrechten nicht sichergestellt und wirksame Sanktionsmechanismen in dem Abkommen nicht vorgesehen sind. Die kommenden Beratungen im EU-Handelsausschuss INTA Ende November 2012 und die Plenumsabstimmung im Europaparlament am 10. Dezember 2012 sollen genutzt werden, um Einfluss auf die Parlamentarier zu nehmen, dem Abkommen ihre Zustimmung zu verweigern. Breiten Raum nahm auf der Tagung die Situation in der Türkei ein, wo aktuell 67 GewerkschafterInnen, vor allem Mitglieder der Bildungsgewerkschaft Egetim Sen sowie des Dachverbands der Gewerkschaften im Öffentlichen Dienst KESK, inhaftiert sind. Anfang November waren die beiden GEW-KollegInnen Sabine Skubsch und Süleyman Ates nach Ankara gereist, um als Prozessbeobachter an einer gerichtlichen Anhörung gegen Gewerkschaftsfrauen teilzunehmen, die seit Monaten inhaftiert waren. Unterstützt wurden sie von einer 22-köpfigen internationalen Gewerkschaftsdelegation aus Frankreich, Großbritannien, Dänemark, Deutschland, Belgien, Schweden, Zypern und Griechenland. Von den türkischen Gewerkschaftskollegen wurde vielfach betont, dass die starke Präsenz ausländischer Prozessbeobachter mit zum Teilerfolg, der Freilassung von sechs von neun Kolleginnen beigetragen habe. Zum nächsten Prozesstag am 13. Dezember 2012 wird wieder eine GEW- Delegation nach Ankara reisen – diesmal unter Leitung des GEW-Vorsitzenden Ulrich Thöne. Die Arbeitsgruppe zum Weltsozialforum, das vom 26. – 30. März 2013 in Tunis stattfindet, sprach sich für die Teilnahme junger und ehrenamtlicher Kolleginnen und Kollegen an der GEW-Delegation beim Weltsozialforum aus. Als Themen für Veranstaltungen in Tunis wurden vorgeschlagen: „Bildung statt Kinderarbeit“, „Gewerkschaftsrechte in der Türkei“ und „Europa in der Krise“. Hingewiesen wurde auch auf den geplanten europäischen Alternativgipfel ALTER-SUMMIT, der vom 07.-09. Juni in Athen stattfinden soll.
Ulrich Thöne stellte anschließend die Schwerpunkte für die internationale Arbeit 2013 vor, die sich auf vier Bereiche konzentrieren: 1) Überwindung der Krise in Europa – um über nationale Grenzen hinweg aktionsfähig zu sein; 2) Bildung statt Kinderarbeit; 3) Auseinandersetzung mit der OECD; 4) Gewerkschafts- und Menschenrechte, insbesondere in der Türkei und in Kolumbien. Da Ulrich Thöne beim kommenden Gewerkschaftstag der GEW im Juni 2013 nicht erneut als Vorsitzender kandidieren wird, sprach Horst Stöterau (GEW Hamburg) ihm zum Abschluss im Namen der Teilnehmenden einen großen Dank für sein Engagement und seine Leistungen in der internationalen Gewerkschaftsarbeit aus. Der GEW-Vorsitzende, der die jährlichen GEW-Tagungen zur Internationalen Arbeit ins Leben gerufen hatte, hätte immer aktiv teilgenommen, viele Vorschläge eingebracht, Aktionen initiiert und die GEW-Stiftung „Fair Childhood“ auf den Weg gebracht. Die Teilnehmenden drückten die Hoffnung aus, dass der bzw. die NachfolgerIn sich ebenso engagiert für die internationale Arbeit einsetzen wird. Bei der Tagung Internationales 2013 will man sich mit der wachsenden Rolle der OECD im Bildungssektor beschäftigen.