Coronavirus
GEW hält "Notabitur" für möglich
In dieser Ausnahmesituation sollte es möglich sein, das Abitur auch ohne Prüfung abzulegen - etwa, indem die Noten der Oberstufenkurse stattdessen zählen. Die Gesundheit der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte steht an erster Stelle.
In der Corona-Krise zeichnet sich an den Schulen in Deutschland ein großes Durcheinander ab. Während in Hessen und Rheinland-Pfalz weiter Abiturprüfungen stattfinden, will Schleswig-Holstein als erstes Bundesland alle Prüfungen absagen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hält ein sogenanntes Notabitur ohne eigene Prüfungen für denkbar.
„Eine Ausnahmesituation wie die Corona-Krise verlangt besondere Regelungen.“ (Ilka Hoffmann)
Entscheidend sei, dass die Schülerinnen und Schüler keine Nachteile haben und die Schulzeit nicht verlängert werde, sagte Ilka Hoffmann, GEW-Vorstandsmitglied für den Bereich Schule, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Ein sogenanntes Notabitur sei „dabei eine Lösung“. Denn fügte sie hinzu: “Eine Ausnahmesituation wie die Corona-Krise verlangt besondere Regelungen.”
Die Erziehungswissenschaftlerin erläuterte: “Der Großteil der Punkte, die in die Abiturnote einfließen, wurde ja schon in den Kursen in der Oberstufe erworben.” Diese Noten könnten auch allein die Grundlage für die Abiturnote sein, sagte sie.
Prüfungen notfalls verschieben
“Eine andere Möglichkeit ist, die Prüfungen zu verschieben, soweit das möglich ist”, sagte Hoffmann. In manchen Bundesländern wie Rheinland-Pfalz seien die Prüfungen schon gelaufen. “Die Kultusminister müssen sich auf bundesweite Regelungen für die gegenseitige Anerkennung der Abiturzeugnisse verständigen”, mahnte das GEW-Vorstandsmitglied. “Auch die Hochschulen und Ausbildungsbetriebe sollten flexibel auf die besondere Situation reagieren.”
Die GEW lehnt es entschieden ab, wegen der Schulschließungen die Schulzeit zu verlängern und Klassen zu wiederholen. Das sei nicht notwendig, so Hoffman.
„Das Schuljahr muss auf alle Fälle gelten.” (Ilka Hoffmann)
Die meisten Bundesländer hätten in den Hauptfächern Kernlehrpläne, die nach Kompetenzbereichen und nicht nach formalen Wissensstoff aufgebaut seien. „Daher gibt es genug Flexibilität, Unterrichtsstoff in das nächste Schuljahr zu verlagern”, sagte Hoffmann. Die Schulen bräuchten die Rückendeckung der Kultusministerien, wenn sie flexible und kreative Maßnahmen ergreifen.
Schleswig-Holstein will Prüfungen absagen
Schleswig-Holstein plant als erstes Bundesland, alle Schulabschluss-Prüfungen einschließlich des Abiturs in diesem Schuljahr abzusagen. Sie halte diese Entscheidung in der derzeitigen Situation für geboten, sagte Bildungsministerin Karin Prien (CDU) am Dienstag. Die Schüler im Norden sollen nach ihren Plänen zum Ende des Schuljahrs stattdessen Abschlusszeugnisse auf Basis bisheriger Noten erhalten.
„Das ist eine sinnvolle und vernünftige Entscheidung im Interesse der Gesundheit von Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern.“ (Astrid Henke)
Astrid Henke, Vorsitzende des GEW-Landesverbandes Schleswig-Holstein, begrüßte diesen Plan. Er trage „in diesen schweren Zeiten hoffentlich mit dazu bei, das Tempo der Corona-Epidemie zu verlangsamen.“
Sie mahnte zugleich, dass den Schülerinnen und Schülern durch die Absage der Prüfungen keine Nachteile entstehen dürften. Denn schließlich könnten sie nichts dafür, „dass wir uns in einer Situation befinden, die unser aller Gesundheit bedroht.“ Deshalb forderte Henke: „Das Abitur muss von allen Bundesländern und von allen Hochschulen in vollem Umfang anerkannt werden.“
Hessen und Rheinland-Pfalz ziehen durch
Andere Bundesländer hatten ihre Prüfungen zunächst auf nach Ostern oder in den Mai verschoben. Im krassen Gegensatz dazu stehen Hessen und Rheinland-Pfalz, wo am Dienstag, wie geplant weiterhin Abiturprüfungen stattfanden. Das hessische Kultusministerium teilte auf Nachfrage der Deutschen Presseagentur mit: „Die Abiturientinnen und Abiturienten in Hessen haben sich bereits viele Wochen und zum Teil Monate auf die Prüfungen vorbereitet. Diesen Schülerinnen und Schülern wollen wir die Teilnahme ermöglichen und haben uns deshalb entschieden, die schriftlichen Abschlussprüfungen in der vergangenen Woche beginnen zu lassen.“ Die Prüfungen in Hessen liefen unter verschärften Hygienebedingungen. Die Schulen seien angewiesen, die Gruppen klein und die Abstände zwischen den Prüflingen groß zu halten.
GEW übt massive Kritik
Die GEW Hessen war gegen diesen Plan Sturm gelaufen und hatte große Anstrengungen auf den verschiedensten Ebenen unternommen, eine Verschiebung des Landesabiturs zu erreichen. Die Gesundheit der Schülerinnen und Schüler solle im Vordergrund stehen.
Auch in Rheinland-Pfalz laufen die Abiturprüfungen weiter. 15.000 Schülerinnen und Schüler haben in dieser und der vergangenen Woche ihre mündlichen Abi-Prüfungen absolviert. Die schriftlichen Prüfungen fanden schon im Januar statt. Das Bildungsministerium in Mainz teilte mit, die Prüfungen hätten „unter besonderen Bedingungen“ stattgefunden.
Die GEW Rheinland-Pfalz hatte hingegen den Plan eines sogenannten Notabiturs begrüßt. Der Vorsitzende, Klaus-Peter Hammer, sagte, es sei „eine sehr gute Entscheidung“ von der schleswig-holsteinischen Bildungsministerin Prien gewesen.