Berufliche Bildung
GEW gut gerüstet für die nächsten vier Jahre
Viele Ankündigungen des Koalitionsvertrags für den Bereich Berufliche Bildung decken sich mit den Forderungen der GEW. Es kommt jetzt darauf an, den Umsetzungsprozess zu begleiten und auf Fallstricke hinzuweisen.
Viele Ankündigungen des Koalitionsvertrags für den Bereich Berufliche Bildung decken sich mit den Forderungen der GEW. Hier nur einige Stichpunkte: ein Pakt für die Berufsbildenden Schulen, flächendeckender Ausbau der Jugendberufsagenturen, die von den Gewerkschaften lang geforderte Ausbildungsgarantie und die Förderung der europaweiten Mobilität von Auszubildenden.
Fallstricke und Lücken erkennen
Es kommt jetzt darauf an, den Umsetzungsprozess zu begleiten und auf Fallstricke und Lücken hinzuweisen. Hierfür ist die GEW mit ausgearbeiteten Positionen und Konzepten zu den einzelnen Forderungen sowie zu deren Finanzierung gut gerüstet.
Im Folgenden haben wir den Koalitionsvertrag auf eben diese Forderungen überprüft:
Pakt für die Berufsbildenden Schulen
- Im Koalitionsvertrag erklärt die neue Bundesregierung: „Zur Stärkung und Modernisierung berufsbildender Schulen legen wir mit Ländern, Kommunen und relevanten Akteuren einen Pakt auf. Mit den Ländern bauen wir die Berufsorientierung und Jugendberufsagenturen flächendeckend aus.“ (*)
GEW: Das ist eine schon lange erhobene Forderung der GEW. Mit dem Beschluss zu einem Pakt für die Berufsbildenden Schulen ist der Gewerkschaftstag der GEW 2021 einem Antrag der in den Bundesfachgruppen organisierten Landesvertretungen aus den Berufsbildenden Schulen gefolgt. Er beschreibt im Detail, was in Berufsbildenden Schulen notwendig wäre (GEW Antrag 2021 3.27). Mit diesem Beschluss werden wir gut gewappnet in die Auseinandersetzung zur Umsetzung des Pakts für die Berufsbildenden Schulen gehen. Darüber hinaus haben wir wissenschaftliche Gutachten zur Finanzierung beauftragt und vorliegen.
Lehrkräftenachwuchs für die Berufsbildenden Schulen
- „Die Qualitätsoffensive Lehrerbildung entwickeln wir weiter mit neuen Schwerpunkten zu digitaler Bildung, zur dritten Phase der Lehrerbildung und bundesweiter Qualitätsentwicklung des Seiten- und Quereinstiegs, u. a. für das Berufsschullehramt.“
GEW: Zur qualitativen Ausstattung von Seiten- und Quereinstiegen ins berufliche Lehramt haben die beiden Bundesfachgruppen einen Antrag vorgelegt, „Einphasiges duales Masterstudium als zweiter Regelweg“, der auf dem Gewerkschaftstag im Juni 2022 diskutiert und abgestimmt wird. Er beschreibt Qualitätskriterien und einen gangbaren Weg für Seiten und Quereinstiege ins berufliche Lehramt.
Ausbildungsgarantie
- „Wir wollen eine Ausbildungsgarantie, die allen Jugendlichen einen Zugang zu einer vollqualifizierenden Berufsausbildung ermöglicht, stets vorrangig im Betrieb. Wir führen die Allianz für Ausbildung fort. Die Einstiegsqualifizierung, die assistierte Ausbildung, ausbildungsbegleitende Hilfen und Verbundausbildungen bauen wir aus. Wir öffnen die Hilfen für Geflüchtete. Wir begrüßen tariflich vereinbarte Ausgleichsfonds. In Regionen mit erheblicher Unterversorgung an Ausbildungsplätzen initiieren wir bedarfsgerecht außerbetriebliche Ausbildungsangebote in enger Absprache mit den Sozialpartnern.“
GEW: Seit Urzeiten fordert die GEW ein Recht auf Ausbildung bzw. eine Ausbildungsgarantie. Die Finanzierung sollte durch einen allgemeinen Umlagefond erfolgen. Die Begrüßung von tariflich vereinbarten Ausgleichsfonds reicht nicht aus, um eine Garantie zu verwirklichen. Hier müssen wir noch einiges an Überzeugungsarbeit leisten.
Der Ausbau von assistierter Ausbildung, ausbildungsbegleitenden Hilfen und Verbundausbildungen ist zu begrüßen, aber an vielen Stellen muss noch mehr Qualität eingefordert werden. Dass diese Hilfen in Zukunft auch für Geflüchtete geöffnet werden, entspricht einer Forderung der GEW. Sie sollten aber auch für alle anderen Zugewanderten offen sein.
Internationale Mobilität von Auszubildenden fördern
- „Wir werden die europäische und internationale Jugendarbeit, insbesondere für Auszubildende, stärken.“
GEW: Die GEW hat 2021 in ihrem 10 Punkte Programm für Mobilität in Europa die Rahmenbedingungen beschrieben, wie dieses Anliegen der neuen Bundesregierung gut umgesetzt werden kann.
Erzieher:innenausbildung
- „Gemeinsam mit den Ländern und allen relevanten Akteuren entwickeln wir eine Gesamtstrategie, um den Fachkräftebedarf für Erziehungsberufe zu sichern und streben einen bundeseinheitlichen Rahmen für die Ausbildung an. Sie soll vergütet und generell schulgeldfrei sein.
- Mit hochwertigen Qualitätsstandards in der Kindertagesbetreuung sorgen wir für attraktive Arbeitsbedingungen. Wir wollen die praxisintegrierte Ausbildung ausbauen, horizontale und vertikale Karrierewege sowie hochwertige Fortbildungsmaßnahmen fördern und Quereinstieg erleichtern. Umschulungen werden wir auch im dritten Ausbildungsjahr vollständig fördern.“
GEW: Zu dieser Absicht der Bundesregierung hat die GEW eine umfassende Positionierung entwickelt, zum einen zum bundeseinheitlichen Rahmen, zur Vergütung, zur Schulgeldfreiheit und zur praxisintegrierten Ausbildung und zu horizontalen und vertikalen Karrierewegen. Hier werden wir umgehend auf die Akteure von Bund und Ländern zugehen, um ihnen unsere Vorschläge näher zu bringen.
Stärkung der politischen Bildung
- „Wir werden das aktive Wahlalter für die Wahlen zum Europäischen Parlament auf 16 Jahre senken. Wir wollen das Grundgesetz ändern, um das aktive Wahlalter für die Wahl zum Deutschen Bundestag auf 16 Jahre zu senken.“
- „Wir wollen die politische Bildung und die Demokratiebildung entlang der Bildungskette stärken, die Projektmittel der Bundeszentrale für politische Bildung erhöhen und die Unabhängigkeit ihrer Arbeit achten.“
- „Den Nationalen Aktionsplan zur Bildung für nachhaltige Entwicklung wollen wir in allen Bildungsphasen und -bereichen bundesweit verankern und deutlich stärken. Wir wollen auch Schülerfirmen als Bestandteil von Bildung für Nachhaltige Entwicklung fördern.“
GEW: Dies alleine dürfte nicht ausreichen. Mit der Hofgeismarer Erklärung 2018 und der Schweriner Erklärung 2020 hat die GEW einen umfassenden Forderungskatalog zur Stärkung der politischen Bildung – von der frühkindlichen Bildung bis hin zur Schule und bis zur Senior:innenbildung – vorgelegt, mit dem wir der neuen Bundesregierung noch einige Tipps zur Stärkung der politischen Bildung auf den Weg geben können.
Fazit
Insbesondere bei der dringenden Frage des Lehrkräftenachwuchs hätten wir uns mehr Verbindlichkeit und konkretere Aussagen gewünscht. Denn es bleibt die Frage, mit welchem Personal die Veränderungen vor dem Hintergrund des dramatischen Lehrkräftemangels in den Berufsbildenden Schulen gelingen sollen. Die GEW wird hier konkrete Vorschläge liefern.
Doch gerade auf die Finanzierungsfragen blicken wir mit Besorgnis, haben sich die Ampel-Parteien auf keine konkreten Ausgabenhöhen noch Finanzierungswege im Bildungsbereich verständigt. Fortschritt kann jedoch nur gelingen, wenn die Investitionen in Bildung erheblich gesteigert werden.
Aber im Gegensatz zu der Großen Koalition gibt es bei der Ampel viele Absichtserklärungen, die in unsere Richtung gehen und auf die wir aufbauen können. Wir können jetzt zuversichtlicher und mit mehr Elan in die politischen Auseinandersetzungen der nächsten Jahre gehen.
*Alle kursiv gesetzten Passagen sind wörtlich aus dem Koalitionsvertrag entnommen.