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Tarifrunde Bund und Kommunen 2023

Gesucht: Guter Lohn

Bessere Arbeitsbedingungen und fachliche Entwicklungsmöglichkeiten sind in den Kitas unabdingbar, doch es braucht auch eine bessere Bezahlung der Fachkräfte. Ein E&W-Gespräch mit der Erziehungswissenschaftlerin Prof. Kirsten Fuchs-Rechlin.

Kirsten Fuchs-Rechlin (Foto: WiFF – Astrid Klammt)
  • E&W: Landauf, landab ist das Personal in Kitas dramatisch knapp. Wie wichtig ist ein höheres -Gehalt für die Bekämpfung des Personalmangels?

Prof. Kirsten Fuchs-Rechlin: In quantitativen Umfragen zeigt sich stets: Das Gehalt spielt eine große Rolle für die Beschäftigten in den Einrichtungen. Viele Fachkräfte wünschen sich eine bessere Bezahlung. Das ist nachvollziehbar. Erzieherin ist ein unglaublich wichtiger Beruf. Fachkräfte prägen die Entwicklung der Kinder in den ersten Lebensjahren und legen ein wesentliches Fundament für den weiteren Bildungsweg.

  • E&W: Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) empfinden 81 Prozent der Erzieherinnen und Erzieher ihr Gehalt als nicht angemessen. Das belastet sie.

Fuchs-Rechlin: Die Arbeit von Fachkräften in Kitas ist zweifelsohne enorm wichtig. Zumal die meisten Kinder mittlerweile ja nicht nur ein, zwei Jahre, sondern die komplette Kleinkindphase im Alter von zwei bis sechs Jahren in den Einrichtungen verbringen. Insofern wäre es völlig richtig, Erzieherinnen deutlich besser zu bezahlen und die Fachkräfte akademisch auszubilden. Dass gerade die Leitungskräfte, die oft mehrfachqualifiziert sind oder studiert haben, sowie die Kindheitspädagogen und -pädagoginnen besonders unzufrieden mit ihrer Bezahlung sind, ist erst recht verständlich.

  • E&W: Bei gleicher Tätigkeit bekommen sie ja auch nicht mehr als die Fachkräfte ohne Studium.

Fuchs-Rechlin: Ja, allerdings dürfen wir den Effekt des Gehalts auch nicht überbewerten. Wenn wir qualitative Interviews mit Erzieherinnen und Erziehern oder Leitungen machen, sehen wir durch die Bank in allen Untersuchungen, dass andere Aspekte noch wichtiger sind.

  • E&W: Welche sind das beispielsweise, auch wenn sie nicht Gegenstand der aktuellen Tarifrunde sind?

Fuchs-Rechlin: Ganz oben stehen die Arbeitsbedingungen und die Arbeit im Team. Wie ist der Personalschlüssel, wie groß sind die Gruppen, gibt es ausreichend Vor- und Nachbereitungszeiten? Solche Themen und Fragen müssen in einem Kita-Qualitätsgesetz geregelt werden. Diese strukturellen Aspekte hängen alle natürlich auch mit der Finanzierung des Gesamtsystems Kita zusammen. In unseren Studien zum Übergang pädagogischer Fachkräfte in den Arbeitsmarkt und zu -Berufswegen in der Kita hat sich darüber hinaus gezeigt, wie ungeheuer wichtig die fachliche Komponente für die Beschäftigten ist.

  • E&W: Also die Möglichkeit, sich inhaltlich weiterzuentwickeln?

Fuchs-Rechlin: Ja, gerade junge Beschäftigte wollen dazulernen, neue Methoden kennenlernen und ausprobieren, sich weiterqualifizieren, vielleicht spezialisieren. Sie wünschen sich vielfältige Optionen. Um die jungen Menschen dauerhaft zu binden, brauchten wir dringend so etwas wie systematische Fachkarrieren für Erzieherinnen und Erzieher – und Organisationsstrukturen, die diesem Bedürfnis Rechnung tragen.

  • E&W: Was sollte darüber hinaus geschehen, um den Beruf attraktiver zu machen?

Fuchs-Rechlin: Zunächst sollten wir aufhören, ihn schlechter zu reden als er ist. Der Beruf der Erzieherin und des Erziehers ist durchaus attraktiv, nicht zufällig hat sich seit 2007 die Zahl der Menschen, die eine Ausbildung beginnen, auf heute 40.000 jährlich verdoppelt. Auffällig: Die Nachfrage nach dualer Ausbildung geht in allen Berufen zurück, während die nach schulischen Bildungsgängen steigt. Bei den Erzieherinnen und Erziehern ist das anders. Zunehmend sind Ältere dabei, die großen Wert auf eine Bezahlung während der Ausbildung legen. Wir haben auch immer mehr Männer im Bereich des pädagogischen Fachpersonals in den Kitas. Daher ist es wichtig, verschiedene Ausbildungswege anzubieten, um den Beruf noch attraktiver für unterschiedliche Zielgruppen zu machen.

  • E&W: Zum Beispiel?

Fuchs-Rechlin: Die vollzeitschulische Ausbildung für Erzieherinnen und Erzieher zieht eher die ganz Jungen an, weil sie mehr Freiräume bietet. Mit den verschiedenen Modellen der kompakteren berufsbegleitenden Ausbildungsgänge in den Bundesländern, also einem Mix aus Erwerbstätigkeit und schulischem Lernen, können wir leichter die Älteren mit Vorerfahrungen gewinnen. Natürlich muss man bei diesen Modellen sehr genau darauf achten, dass sie nicht zulasten der Fachkräfte vor Ort gehen.