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Gesetzentwurf gegen das Befristungsunwesen

Qualifizierung soll zur verbindlichen Voraussetzung für die Zulassung einer bisher sachgrundlos möglichen Befristung im Wissenschaftsbereich werden. So lautet eines der Kernziele des Gesetzentwurfs für die Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, den die GEW heute in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt hat.

„Zeitverträge in der Wissenschaft sollen nur dann erlaubt sein, wenn sie tatsächlich der wissenschaftlichen Qualifizierung dienen oder die Stelle aus Drittmitteln finanziert wird“, machte der stellvertretende Vorsitzende und Wissenschaftsexperte der GEW, Andreas Keller, bei der Vorstellung des Entwurfs deutlich.

Dass eine Beschäftigung auch tatsächlich der Qualifizierung dienen muss, will die GEW künftig arbeitsrechtlich verankert wissen. Mindestens 50 Prozent der Arbeitszeit sollen für die Qualifizierung des oder der Beschäftigten reserviert und eine Betreuungsvereinbarung Teil jedes Arbeitsvertrages sein. „Eine Doktorarbeit ist, wie der Name sagt, Arbeit, und sollte daher mit einer Anstellung einhergehen, die diese Arbeit vertraglich auch entsprechend berücksichtigt. Wir begrüßen daher die Forderung der GEW“, erklärte Anna Tschaut, Vorsitzende des Promovierenden-Netzwerks THESIS e.V.

Wir brauchen griffige Instrumente

„Das Befristungswesen in der Wissenschaft ist immer von Missbrauch gekennzeichnet gewesen. Wir brauchen daher griffige Instrumente, um das einzudämmen“, verdeutlichte der Fachanwalt für Arbeitsrecht Peter Hauck-Scholz, der die GEW bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs unterstützt hat. Hauck-Scholz sieht in der arbeitsrechtlichen Verankerung den richtigen Hebel, um der Massenbefristung endlich wirksam entgegenzutreten. Denn: werden die vorgeschriebenen Maßnahmen zur Qualifizierung nicht im Arbeitsvertrag festgeschrieben, so soll die Befristung automatisch unwirksam werden; „so wie ein Grundstückskaufvertrag der nicht notariell beurkundet worden ist“, erläutert Hauck-Scholz.

Die GEW wehrt sich dagegen, dass große Teile der Daueraufgaben an den unterfinanzierten Hochschulen auf befristet Beschäftigte abgewälzt werden. „Alle Daueraufgaben der Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Forschung, Lehre und Verwaltung müssen auch auf Dauerstellen erledigt werden“, betonte Keller. Befristet beschäftigte Doktorandinnen und Doktoranden sollen hingegen ausreichend Zeit für die Arbeit an ihrer Dissertation bekommen. Die Laufzeit ihres Vertrages muss daher so bemessen sein, dass sie ihre Promotion auch erfolgreich abschließen können; mindestens drei Jahre, so will es die GEW. „Es muss Schluss damit sein, dass Promovierende mit halbfertigen Doktorarbeiten auf die Straße gesetzt werden“, erklärte der GEW-Hochschulexperte. „Wer zur wissenschaftlichen Qualifizierung befristet beschäftigt wird, muss die Möglichkeit haben, sein Qualifizierungsziel auch tatsächlich zu erreichen.“ 

Tenure Track soll verbindlich werden

Ähnliches gilt für die zweite Phase der wissenschaftlichen Beschäftigung, die PostDoc-Phase nach der Promotion: Auch hier soll die Vertragslaufzeit sich an den Qualifizierungszielen orientieren. Zudem will die GEW mit ihrem Gesetzentwurf die Tenure Track-Option verbindlich machen. Befristung soll nur noch zulässig sein, bis die vereinbarten Qualifizierungsziele erreicht sind. Keller räumte ein, dass eine solche Regelung die Reduzierung von PostDoc-Stellen zur Folge haben könne, stellt klar: „Derzeit kommt das Nadelöhr viel zu spät, wissenschaftliche Beschäftigte erfahren im besten Fall Mitte 40, ob sie eine dauerhafte Perspektive in der Wissenschaft haben oder nicht. Wir wollen den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern transparente und berechenbare Karrierewege eröffnen“, erläuterte der Hochschulexperte.

Weiter macht sich die GEW für eine familienfreundliche Ausgestaltung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes stark. „Bereits heute erlaubt das Gesetz eine Verlängerung von Zeitverträgen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die Kinder betreuen. Ob die Verträge aber tatsächlich verlängert werden, unterliegt der Willkür der Arbeitgeber. Die familienpolitische Komponente muss daher verbindlich ausgestaltet werden – im Sinne eines Rechtsanspruchs auf Vertragsverlängerung“, unterstrich Keller. 

Der GEW-Vize zeigte sich erfreut, dass auf dem 6. Follow-up-Kongress zum Templiner Manifest der GEW erstmals nicht mehr über die Frage diskutiert worden sei, ob es eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes benötige. Strittig ist inzwischen nur noch, wie eine solche Reform aussehen muss. Denn der Handlungsbedarf ist eindeutig: Neun von zehn wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind befristet beschäftigt, über die Hälfte der Zeitverträge hat eine Laufzeit von weniger als einem Jahr. Diese Verhältnisse gefährden nicht nur die Attraktivität des Arbeitsplatzes Hochschule und Forschung, sondern auch die Kontinuität und damit Qualität von Forschung und Lehre. „Der Gesetzgeber muss endlich handeln und für die Stabilisierung der Beschäftigung in der Wissenschaft sorgen“, mahnte Keller, und bekam dabei Unterstützung von einem Großteil der versammelten Wissenschaftsfachleute und aus der Politik.

Unterstützung aus dem Bundestag

Die Abgeordneten von SPD, Grünen und Linken, Simone Raatz, Kai Gehring und Ralph Lenkert, betonten jeweils die vielen Gemeinsamkeiten ihrer eigenen Positionspapiere mit dem Entwurf der GEW. Lediglich Alexandra Dinges-Dierig von der Unionsfraktion hält eine Gesetzesnovelle im Sinne der GEW nicht für den richtigen Weg. Es sei wenig hilfreich, von Bundesseite ein Gesetz zu beschließen, dessen Umsetzung die Bundesregierung nicht kontrollieren könne. „Was habe ich denn von einem Gesetz, was schön aussieht, aber am Ende nicht umgesetzt wird?“, fragte Dinges-Dierig und machte sich stattdessen für Bund-Länder-Vereinbarungen stark. Rechtsanwalt Hauck-Scholz widersprach dieser Darstellung: Jedes Bundesgesetz werde von den Ländern ausgeführt – das hindere die Bundesregierung nicht daran, tätig zu werden, wenn sie es denn für richtig halte. 
Gerade am Willen der Bundesregierung aber zweifelten die beiden Oppositionspolitiker: Der Bund habe dieses Gesetz zur Regelung der Befristungspraxis beschlossen, es habe sein Ziel verfehlt, und nun sei der Bund in der Verantwortung, das Gesetz wieder zu korrigieren, forderte Linken-Politiker Lenkert.
 
GEW erwartet Nägel mit Köpfen

Dass das Templiner Manifest, mit dem sich die GEW seit Jahren für bessere Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft einsetzt, inzwischen Wirkung zeigt, wird auch auf Länderebene deutlich. Mehrere Länder haben auf den Druck der GEW reagiert, Brandenburg, Hamburg und Nordrhein-Westfalen haben beispielsweise Vorgaben für Mindestvertragslaufzeiten oder für Kodizes für Gute Arbeit beschlossen. Und auch die Bundesregierung hat in ihrer Koalitionsvereinbarung vom Dezember 2013 eine Novellierung des Gesetzes in Aussicht gestellt. „Die GEW erwartet, dass jetzt Nägel mit Köpfen gemacht werden. Mit unserem Entwurf zeigen wir, wie das Gesetz ganz konkret verbessert werden kann und erhöhen so den Druck auf Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat, endlich zu handeln“, betonte Keller.