Königsteiner Schlüssel modernisieren
Gerechte(re) Mittelverteilung für gute Bildungschancen
Königsteiner Schlüssel und Digitalisierung im Schulsystem sind zwei zentrale Themen der Bildungspolitik. Die GEW diskutierte beim parlamentarischen Frühstück mit Experten und Abgeordneten darüber, Ungleichheiten abzubauen.
Für ein in einer Bedarfsgemeinschaft lebendes Kind stehen durch das Sonderausstattungsprogramm des Bundes in Bayern rund 910 Euro zur Verfügung und für eines in Bremen rund 228 Euro. Das verstärkt Bildungsungleichheit, anstatt sie abzubauen. Woran das liegt? Am Königsteiner Schlüssel!
Beim Parlamentarischen Frühstück am 28. April in Berlin diskutierte die GEW mit Experten und Abgeordneten aller demokratischen Fraktionen über zwei zentrale Themen in der Bildungspolitik: Den Königsteiner Schlüssel und die Digitalisierung im Schulsystem. Dabei wurde schnell klar, dass an beiden Stellschrauben gedreht werden muss, um Mittel gerechter zur verteilen und die Bildungschancen zu verbessern.
„Sozioökonomische Faktoren werden nicht berücksichtigt und ein Verteilungsschlüssel sollte an den Zielen der Programme orientiert sein.“ (Detlef Fickermann)
Die GEW hatte Detlef Fickermann, Vorsitzender der Redaktion der Zeitschrift Die Deutsche Schule und assoziiertes Mitglied im Wuppertaler Institut für bildungsökonomische Forschung, zusammen mit Kollegen von der GEW beauftragt, den Königsteiner Schlüssel zu modernisieren. „Sozioökonomische Faktoren werden nicht berücksichtigt und ein Verteilungsschlüssel sollte an den Zielen der Programme orientiert sein“, gab Fickermann zu bedenken.
Das seit 1949 existierende Verteilungsinstrument spielt eine zentrale Rolle in der Finanzierung von Bildungspolitik. Mit seiner Hilfe wird berechnet, wie die Bundesländer an Finanzierungen von Forschungseinrichtungen zu beteiligen sind, gemessen am Steueraufkommen und der Bevölkerungszahl.
Der nun von Fickermann und seinen Kollegen berechnete „Multiple Benachteiligungsindex“ bezieht vier Dimensionen ein:
- die Finanzkraft,
- die soziale Bedürftigkeit,
- den Bildungsstand und
- die Bevölkerungszusammensetzung der Länder.
Das sorge dafür, dass Mittel gerechter verteilt werden und Bildungsgerechtigkeit gestärkt werde.
„Das ist eine Chance, um Ungleichheiten abzubauen, die genutzt werden sollte.“ (Maike Finnern)
„Natürlich werden wir da bei einigen Bundesländern auf Widerstand stoßen, die jetzt überproportional von dem System profitieren. Aber das ist eine Chance, um Ungleichheiten abzubauen, die genutzt werden sollte“, sagte Maike Finnern dazu.
Das Gutachten mit den Ergebnissen des vorgeschlagenen Verteilungsschlüssels wird zeitnah veröffentlicht.
Digitale Kluft zwischen Schulen
„Kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem“ attestierte Frank Mußmann der schulischen Digitalisierung. Der Studienleiter der Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften der Universität Göttingen hat untersucht, wie sich die beschleunigte Digitalisierung auf Arbeitsbedingungen von Lehrkräften auswirkt und kommt zu ernüchternden Ergebnissen.
AdHoc-Lösungen statt Konzepte
Es bestehe eine digitale Kluft zwischen Vorreiter- und Nachzügler-Schulen, die sich in Schulstrategie, Infrastruktur und Weiterbildung manifestiere. In den letzten Jahren wurde durch die Coronapandemie nur in AdHoc-Lösungen gearbeitet, anstatt langfristige Konzepte zu entwickeln, so Mußmann. Digitaler Stress, der sich beispielsweise darin äußere, dass Technik- statt Pädagogikfragen im Vordergrund stünden, führe für Lehrkräfte zu Mehrbelastung.
„Technik ist dafür da, die Umsetzung des pädagogischen Konzepts zu erleichtern.“ (Maike Finnern)
Finnern ergänzte abschließend: „Die Digitalisierung an Schulen darf kein Mittel zum Zweck sein, sondern es muss immer das Primat der Pädagogik vorherrschen: Technik ist dafür da, die Umsetzung des pädagogischen Konzepts zu erleichtern“.
Gestaltungsspielräume erkennen
Im Anschluss leitete Moderatorin Ines Schwerdtner, die Chefredakteurin des Jacobin Magazins, durch die Fragen der Abgeordneten. Hierbei wurde deutlich, dass die politischen Verantwortungsträgerinnen und -träger nun gemeinsam Maßnahmen ergreifen müssen, um die Lehr- und Lernbedingungen deutlich zu verbessern. „Wissenschaftliche Evaluation ist wichtig, um Gestaltungsspielräume zu erkennen und Fehlentwicklungen identifizieren zu können. Jetzt heißt es, die Erkenntnisse schnellstmöglich in die Tat umzusetzen!“, appelliert Maike Finnern zum Schluss.