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Internationaler Holocaust-Gedenktag

Gemeinsam erinnern

Pädagog*innen aus Israel, Polen und Deutschland haben sich in Krakau über aktuelle Themen der Holocaust-Erziehung ausgetauscht. Anlass war der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust am 27. Januar.

Pädagog*innen aus Israel, Polen und Deutschland haben sich in der polnischen Stadt Krakau über aktuelle Themen der Holocaust-Erziehung ausgetauscht. Anlass war der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust am 27. Januar. „Wir teilen dieselben Werte, aber wir haben unterschiedliche Perspektiven.“ Mit diesen Worten brachte ein Teilnehmer das zentrale Thema des internationalen Austauschtreffens auf den Punkt.

Schicksal von Frauen und Mädchen im Fokus

Seit 2008 finden regelmäßig gemeinsame Seminare der Gewerkschaften Histadrut (Israel), ZNP (Polen) sowie GEW und VBE (Deutschland) statt, auf denen der pädagogische Umgang mit dem Holocaust und seinen Folgen Thema ist. Das diesjährige Seminar stand unter dem Motto: "Unterrichten über den Holocaust und Auschwitz. Das Schicksal von Frauen und Mädchen."

Zu Beginn des Seminars begaben sich die Teilnehmer*innen auf die „Spuren jüdischer Frauen in Kazimierz“. Bartosz Rydliński von der ZNP führte die Gruppe durch das jüdische Viertel der zweitgrößten Stadt Polens. Ein weiterer Bezug zum jüdischen Leben vor Ort bot sich auch dadurch, dass das Seminar im Jüdischen Museum Galizien stattfand.

Biographische Bezüge

„Wir wachsen mit dem Holocaust auf. Wir lernen nicht nur in der Schule darüber.“ Mit diesem Satz verdeutlichte eine israelische Teilnehmerin die Perspektive, unter der die Bildungsarbeit zur Shoa in Israel steht. Von klein auf ist Kindern in Israel das Thema präsent, etwa anlässlich von Yom HaShoa, dem jährlichen „Tag des Gedenkens an die Schoah und jüdisches Heldentum“, an dem das gesamte öffentliche Leben in Israel für eine Schweigeminute stillsteht. Präsent ist die Shoa aber auch aufgrund der Familiengeschichte. In fast jeder israelischen Familie gibt es Holocaust-Überlebende und Angehörige, die in den Vernichtungslagern umgebracht worden sind.

„Das gemeinsame Erinnern an die Opfer der Shoa ist wichtig.“ (Florian Beer)

Mit familiären Bezügen zum Holocaust setzte sich ebenfalls Florian Beer von SABRA in seinem Vortrag auseinander. Hier ging es dann aber um Familiengeschichten auf Seite der Täter*innen. Seine These: Das gemeinsame Erinnern an die Opfer der Shoa sei wichtig. Es diene auf deutscher Seite aber oft dazu, die ebenso wichtige Frage nach den Täter*innen zu überdecken. In Deutschland mangele es immer noch an der Bereitschaft, sich mit familiären Verstrickungen auseinanderzusetzen. Genau das sei aber nicht zuletzt angesichts des gegenwärtig verbreiteten Antisemitismus wichtig.

Anhand praktischer Unterrichtsbeispiele beleuchtete Alexander King von der GEW Hamburg die unmenschlichen Bedingungen der Opfer insbesondere von Frauen und Mädchen, um Schüler*innen für die Thematik zu sensibilisieren.

Die polnischen Lehrkräfte thematisierten, dass Polen oft noch als „Land der Lager“ gesehen werde. Aus dem Blick gerate dabei häufig das Leid Polens im Zweiten Weltkrieg. Unter der deutschen Besatzung kamen drei Millionen nichtjüdische Pol*innen ums Leben. Wichtig, so ein polnischer Teilnehmer des Seminars, sei jedoch auch, sich kritisch mit dem Antisemitismus im Polen der Kriegs- und Nachkriegszeit auseinanderzusetzen. Dass jüdisches Leben in Krakau floriere und dass jüdische Einrichtungen nicht wie in Deutschland unter Polizeischutz stehen müssten, mache Hoffnung.

Schicksal von queeren Menschen

Einen Einblick in die schwierige Debatte um vergessene Opfergruppen und in die Herausforderungen, denen sich Wissenschaftler*innen in diesem Bereich stellen müssen, gab eine Podiumsdiskussion mit zwei Autorinnen aktueller Studien.

Joanna Ostrowska stellte ihr auf Polnisch erschienenes Buch „Sie. Homosexuelle im Zweiten Weltkrieg“ vor. Das Schicksal dieser Gruppe fände bis heute nur wenig Beachtung. Man war sich einig darüber, dass es auch Aufgabe von Pädagog*innen ist, das Schicksal von queeren Menschen im Holocaust und den Umgang mit deren Geschichte in der Gegenwart deutlicher zum Thema zu machen.

Karolina Sulej zeichnet in ihrer Studie „Persönliche Gegenstände“ nach, welche Bedeutung persönliche Gegenstände wie Kleidung und Schmuckstücke für Menschen in den Konzentrationslagern hatten.

Zwischen Entsetzen und Wut

Trauer um die Opfer, Entsetzen, Fassungslosigkeit und Wut angesichts des Geschehenen: Diese Emotionen prägten dann den Besuch der Teilnehmer*innen am 27. Januar in Auschwitz.

An der „Todeswand“ im sogenannten „Stammlager“ Auschwitz I legten Vertreter*innen der Bildungsgewerkschaften aus den drei Ländern gemeinsam einen Kranz zum Gedenken an die Opfer der Shoa nieder.

Die Seminarteilnehmer*innen nahmen an der offiziellen Gedenkveranstaltung auf dem Gelände des ehemaligen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau teil. Eva Umlauf, eine der jüngsten Überlebenden des Holocaust, betonte, wie hart es für ihre Mutter gewesen sei, als Überlebende in einer Gesellschaft zu leben, die vergessen wollte.

Erinnern als Schlüssel für die Gegenwart

Auch der Direktor des Museums Auschwitz-Birkenau, Piotr Cywiński, fand klare Worte: Auschwitz sei nicht vom Himmel gefallen. Schweigen hieße, den Tätern Raum zu geben. Nur in der Erinnerung könnten wir den Schlüssel für Entscheidungen der Gegenwart finden.

Die Erinnerung an das Geschehene und die Frage danach, wie Antisemitismus in der Gegenwart bekämpft werden muss, sind bleibende Aufgabe, denen sich Pädagog*innen stellen müssen. Seminare wie das in Krakau und Auschwitz können dazu einen Beitrag leisten.