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Filmtipp

Gefährliche Perspektive

Der Film „Führer und Verführer“ kommt im Juli in die Kinos. Er nimmt uns mit hinter die Kulissen, zeigt, wie sich die Nazi-„Größen“ um Diktator Adolf Hitler eifersüchtig beäugen und gegeneinander intrigieren.

Ist womöglich die interessanteste Tatsache, die es über den Reichspropagandaminister der Nazis, Joseph Goebbels, zu wissen gibt, die, dass er und seine Frau Magda beschlossen, die eigenen fünf Kinder zu töten, um sich danach im Bunker selbst umzubringen, als klar war, dass der Krieg verloren war? Wer tut sowas? Oder: Wer bringt so etwas fertig? Denn gute Gründe für so eine Tat mag es ja geben. Wie sagt Goebbels in dem Film des Regisseurs Joachim A. Lang selbst: „Wir haben so viel auf dem Kerbholz, wir müssen siegen oder wir müssen sterben.“ Der Film schaut in den folgenden gut zwei Stunden auf das Leben der Familie Goebbels zwischen 1938 und 1945. Er ist dabei vor allem an der Seite des von Robert Stadlober dargestellten NS-Propagandaministers.

Eine Perspektive, die gefährlich ist. Aber eben auch interessant. Zumal in einem Jahr, in dem auch Jonathan Glazers „Zone of Interest“ herauskam. Jenem Film, in dem wir das Idyll der Familie Höß* vor der Auschwitz-Mauer mitverfolgten. Langs Film reicht lange nicht an Glazers beeindruckendes Werk heran. Und doch bietet er eine weitere Facette der künstlerischen Spekulation über die individuelle, ja private Perspektive führender Nazi-Akteure.

Nun also Goebbels. Jener Mann, der gut und gerne als Erfinder einer gut geölten staatlichen Propagandamaschine und diktatorischer Manipulation schlechthin gelten darf und der die Deutschen, als die Zeichen 1943 aus der Perspektive des Regimes begannen, schlecht zu stehen, in den „totalen Krieg“ peitschte.

Einspiel-Interviews mit Überlebenden des Holocaust

„Führer und Verführer“ nimmt uns mit hinter die Kulissen, zeigt, wie sich die Nazi-„Größen“ um Diktator Adolf Hitler eifersüchtig beäugen und gegeneinander intrigieren. Macht deutlich, wie Menschen wie Goebbels immer auch davon getrieben waren, Hitlers Gunst zu erhalten. Wir erleben Goebbels als unglaublich eitle Person, die sicher ist, die Massen zu allem bewegen zu können. Und, in der Tat, er scheint darin unglücklicherweise ziemlich gut gewesen zu sein.

Akzentuiert wird die Handlung von Einspiel-Interviews mit Überlebenden des Holocaust, die von ihren grausamen Erlebnissen in Auschwitz oder Buchenwald berichten.

Robert Stadlober ist ein bisschen zu pausbäckig, um dem hageren Goebbels physiognomisch zu entsprechen. Und doch hat er sich reingeschmissen in diese Rolle, zeigt uns den verunglückten Geisteswissenschaftler als Verführer der Massen in der Rolle seines (Goebbels‘) Lebens. Propaganda ist die neue Religion dieses ehemaligen Katholiken, dem das Ziel seines Tuns fast egal zu sein scheint: Hauptsache, das Volk schreit auf sein Kommando „Heil Hitler!“ 

Führer und Verführer, Deutschland 2024, Regie: Joachim A. Lang, Kinostart: 11. Juli 2024

*Rudolf Franz Ferdinand Höß, von Mai 1940 bis November 1943 -Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz.