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Kita-Förderung und -Finanzierung

Geben - und wieder nehmen

Die Bundesregierung hat ein neues Kita-Qualitätsgesetz auf den Weg gebracht, lässt zugleich jedoch das erfolgreiche Sonderprogramm „Sprach-Kitas“ auslaufen. Die Fachwelt ist empört.

Am 6. September demonstrierte das Aktionsbündnis „Sprach-Kitas retten“ in Berlin für den Erhalt des Bundesprogramms „Sprach-Kitas“. (Foto: Christian von Polentz)

Für viele Fachleute aus dem Bereich der frühkindlichen Bildung kam das am 24. August vom Bundeskabinett beschlossene Kita-Qualitätsgesetz zunächst wie „Kai aus der Kiste“: Verbände, Träger und Gewerkschaften seien nicht gefragt und beteiligt worden, kritisiert GEW-Vorstandsmitglied Doreen Siebernik. „Das Ministerium hat abends um 18 Uhr den Gesetzentwurf geschickt und 48 Stunden Zeit für eine Stellungnahme gegeben.“

Dass zügig etwas passieren musste, war derweil unbestritten: Die Finanzierung des von der früheren Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) auf den Weg gebrachte sogenannte Gute-Kita-Gesetz läuft Ende des Jahres aus. Die GEW fordert seit langem die Weiterentwicklung zu einem Kita-Qualitätsgesetz, das die großen regionalen Qualitätsunterschiede beseitigt und allen Kindern gleiche Chancen auf eine gute frühkindliche Bildung ermöglicht.

Mit dem neuen Gesetz, dem Bundestag und Bundesrat noch zustimmen müssen, unterstützt der Bund die Länder 2023 und 2024 mit weiteren insgesamt vier Milliarden Euro für die Kitas. Anders als bisher dürfen mit dem Geld keine neuen Senkungen der Elternbeiträge mehr gegenfinanziert werden. Die Länder müssen die Mittel zu mehr als 50 Prozent in sieben Handlungsfelder stecken. Dazu zählen ein bedarfsgerechtes Angebot, der Fachkraft-Kind-Schlüssel, die Gewinnung und Sicherung qualifizierter Fachkräfte, starke Leitung sowie sprachliche Bildung.

„Der erste große Haken des neuen Gesetzes ist: Das Geld reicht nicht aus, das System bleibt chronisch unterfinanziert.“ (Doreen Siebernik)

Der geforderte Expertendiskurs kam inzwischen in Gang: Am 31. August traf sich erstmals eine neue Arbeitsgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern von Bund, Ländern und Kommunen, um im Austausch mit Verbänden, Gewerkschaften, Elternvertretungen, Wissenschaft und Praxis bis zum Ende der Legislaturperiode bundeseinheitliche Standards zu entwickeln. Der Auftakt der Gespräche sei positiv gewesen, hieß es aus dem Kreis der Teilnehmenden. Aufbruchstimmung und Motivation seien spürbar gewesen.

Die GEW wird sich in der Arbeitsgruppe und darüber hinaus weiter für ihre Forderungen stark machen: eine verbesserte Fachkraft-Kind-Relation, mehr Zeit für Leitung und mittelbare pädagogische Arbeit, größere Ausbildungskapazitäten, gute Arbeitsbedingungen, eine Aufwertung des Berufs und nicht zuletzt eine dauerhafte Finanzierung der Qualitätsverbesserungen.

GEW-Kita-Expertin Siebernik betont: „Der erste große Haken des neuen Gesetzes ist: Das Geld reicht nicht aus, das System bleibt chronisch unterfinanziert.“ Zudem hätten die Länder nach wie vor sehr viel Spielraum, wofür sie das Geld ausgeben. Auch bei der personellen Ausstattung bleibe der Entwurf zu unverbindlich: „Die Fachkraft-Kind-Relation soll verbessert werden, aber wie genau? Wo ist die Ziellinie?“

Die Bildungsgewerkschaft hat konkrete Zahlen parat: Eine bessere Fachkraft-Kind-Relation heißt für sie ein Schlüssel von 1:2 für Kinder, die jünger als ein Jahr sind, 1:3 für Ein- bis Dreijährige, 1:8 für Drei- bis Fünfjährige und 1:10 für Kinder ab sechs Jahren. 25 Prozent der Arbeitszeit müssen als mittelbare pädagogische Arbeitszeit zur Verfügung stehen, Leitungskräfte sollen für die mit dieser Position verbundenen Aufgaben freigestellt werden.

Kampagne „Sprach-Kitas retten“

Während auf der einen Seite gegeben wird, wird auf der anderen gleich wieder genommen: Mit der Begründung, dass die sprachliche Bildung als vorrangiges Handlungsfeld in das Kita-Qualitätsgesetz aufgenommen worden sei, lässt die Ampelregierung – anders als im Koalitionsvertrag festgehalten – zum Jahresende das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ auslaufen. Seit 2016 finanziert der Bund darüber zusätzliche Sprach-erzieherinnen und -erzieher. Rund 6.800 der bundesweit 58.000 Einrichtungen sind „Sprach-Kitas“. Sie bekamen jährlich etwa 200 Millionen Euro aus dem Sonderprogramm.

Bundesweit würden aus diesem Topf etwa 7.500 Fachkräfte für Sprachbildung finanziert, sagt Siebernik. Fast 524.000 Kindern würden so bessere Chancen für erfolgreiche Bildungsbiografien ermöglicht. „Ohne die Mittel aus dem Sonderprogramm befürchten wir, dass die Kolleginnen und Kollegen wegen der unsicheren Perspektive abwandern und dem System verlorengehen.“ Dies würde sich gravierend auf die pädagogische Arbeit in den Kitas auswirken und vor allem für Kinder aus schwierigen sozialen Lebensverhältnissen und mit Migrationshintergrund so schnell nicht auszugleichen sein.

„Das Geld aus dem Sonderprogramm wird im neuen Gesetz auch nicht -abgebildet, indem man aus zehn Handlungsfeldern sieben macht und eine andere Verteilung vorschlägt. Das sind Taschenspielertricks.“

Die Ankündigung, das Programm zu beenden, sei zudem viel zu kurzfristig gekommen, moniert Siebernik. Träger müssten eine Finanzierung aus dem Kita-Qualitätsgesetz schließlich ganz neu beantragen. „Das Geld aus dem Sonderprogramm wird im neuen Gesetz auch nicht -abgebildet, indem man aus zehn Handlungsfeldern sieben macht und eine andere Verteilung vorschlägt. Das sind Taschenspielertricks.“

Mit der Kampagne „Sprach-Kitas retten“ wollen Gewerkschaften, Verbände,  Kita-Träger, Fachkräfte und Eltern nun verhindern, dass das Sonderprogramm endet. Zentrales Element ist eine Petition an den Bundestag, um im Plenum eine öffentliche Anhörung zu erreichen (das Ergebnis lag bei Drucklegung der E&W noch nicht vor, wir berichten in der nächsten Ausgabe). Am 6. September machte das Aktionsbündnis am Brandenburger Tor in Berlin mobil: Hunderte Erzieherinnen und Erzieher forderten bei einer Kundgebung den Erhalt des Förderprogramms.

Kritik von vielen Seiten

Massive Kritik an der Einstellung des Bundesprogramms „Sprach-Kitas“ gibt es seit Wochen von vielen Seiten: „In der aktuellen Situation, in der sich Einrichtungen der frühkindlichen Bildung mit Fachkräftemangel, Corona-Pandemie und der zusätzlichen Betreuung von Kindern und Familien aus der Ukraine auseinandersetzen müssen, wäre der Wegfall der Sprach-Kitas ein fataler Fehler mit langfristigen, negativen Folgen“, sagte die Vorstandsvorsitzende des AWO Bundesverbandes, Brigitte Döcker. Und Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa betonte: „Viele Kinder lernen zu Hause nicht ausreichend Deutsch. Für sie ist eine individuelle sprachliche Förderung der Schlüssel zur Entwicklung.“