Weiterbildung
Für faire Honorare
Gemeinsam lässt sich mehr erreichen: Das zeigt sich gerade beispielhaft an der Volkshochschule (VHS) Bremen. Dem dortigen Kursleiterrat ist es gelungen, Ausfallhonorare für alle Lehrkräfte auszuhandeln, deren Kurse Corona-bedingt nicht stattfanden.
Als die VHS Bremen am 13. März 2020 wegen der Corona-Pandemie für den Rest des Semesters ihre Pforten schließen musste, erhielten die Dozentinnen und Dozenten eine für sie höchst unangenehme Mitteilung: Da ihre Kurse ausfielen, bekämen sie auch keine Honorare ausgezahlt, hieß es. Das geht so nicht, befand der gewählte Kursleiterrat und formulierte umgehend ein Schreiben an die VHS-Leitung und das Bremer Kulturressort. „Wir haben innerhalb weniger Tage rechtliche und politische Begründungen für die Notwendigkeit von Ausfallhonoraren ausgearbeitet“, sagt Hajo Kuckero, Sprecher des Kursleiterrats. Das Ergebnis: Die freiberuflichen Lehrkräfte bekamen Vertrauensschutz für bereits vereinbarte Seminare zugesichert, ihre Honorare wurden in voller Höhe ausgezahlt.
Möglich war diese schnelle Lösung, weil es an der Bremer VHS eine gut funktionierende Interessenvertretung gibt. Das war nicht immer so. Als Kuckero, pensionierter Lehrer und früherer Personalrat, 2016 an einem VHS-Seminar teilnahm, wurde er auf die prekäre Lage der Dozentinnen und Dozenten aufmerksam. Zu diesem Zeitpunkt hatte es seit zehn Jahren keine Honorarerhöhungen mehr gegeben, die Lehrkräfte erhielten pro Unterrichtsstunde lediglich 19 Euro. Zuschüsse zu Sozialversicherungen waren kein Thema, gesetzliche Ansprüche auf Urlaubsentgelt forderten die Kursleiter aus Angst vor negativen Konsequenzen nicht ein. Kuckero riet den Betroffenen, in Verhandlungen mit der VHS-Leitung einzusteigen und sich für ihre Rechte einzusetzen. Inzwischen ist der 66-Jährige selbst Dozent – und wurde in den Kursleiterrat gewählt, der von zwischenzeitlich zwei auf neun Mitglieder angewachsen ist.
„Von der VHS-Leitung bekamen wir zu hören, dass sie höhere Honorare zwar für richtig halte, dafür aber kein Geld habe.“ (Hajo Kuckero)
„Von der VHS-Leitung bekamen wir zu hören, dass sie höhere Honorare zwar für richtig halte, dafür aber kein Geld habe“, berichtet Kuckero. Es begannen zähe Verhandlungen, auch mit der Bremer Politik. Voriges Jahr schließlich einigten sich alle Beteiligten auf eine Rahmenvereinbarung, die unter anderem eine schrittweise Erhöhung der Mindesthonorare für die knapp 1.000 freiberuflichen Lehrkräfte auf 31 Euro pro Unterrichtsstunde bis 2023 vorsieht. Die arbeitnehmerähnlich beschäftigten Dozentinnen und Dozenten erhalten außerdem seit Anfang dieses Jahres Zuschüsse zur Renten- und Krankenversicherung – und auch der Anspruch auf Urlaubsentgelt für vier Wochen pro Jahr wurde in der Vereinbarung schriftlich festgehalten.
Um auf den erfolgreichen Einsatz für eine Anhebung von Mindestvergütung und sozialer Absicherung aufmerksam zu machen, hat sich der Kursleiterrat für den Deutschen Personalräte-Preis beworben. „Wir wussten, dass wir nicht nominiert werden können, weil wir kein Personalrat sind“, erläutert Kuckero. „Aber wir wollten unsere Arbeit öffentlich machen: Vielleicht motiviert das ja freiberufliche Lehrkräfte in anderen Städten, ähnliche Initiativen zu starten.“ Die Jury jedenfalls bewertete das Bremer Projekt als wichtig und zukunftsweisend. Kuckero betont, dass es für eine Verbesserung der Bedingungen wichtig sei, sich zusammenzuschließen – und dabei idealerweise auch die Gewerkschaften mit ins Boot zu holen.
Unterstützung durch Gewerkschaften
So unterstützen in Bremen sowohl die GEW als auch ver.di die Arbeit des Kursleiterrats. Sei eine Interessenvertretung erst einmal gebildet, sollte diese nicht nur mit der Leitung der jeweiligen Einrichtung verhandeln, sondern sich auch direkt an die örtlichen Entscheidungsträger wenden. „Und im Zweifel: auf die Straße gehen und Öffentlichkeit herstellen“, rät Kuckero. Zwar gingen solche Initiativen zumeist mit nur wenigen Engagierten los: „Aber das macht nichts. Es werden mit der Zeit mehr, und dann lässt sich eine ganze Menge erreichen.“