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Lobby-Check

GEW gibt Tipps für eine werbefreie Schule

In der Corona-Krise fluten private Anbieter das Netz mit Clouds, Apps, Tools und Unterrichtsmaterialien. Die GEW schaut genau hin, um vor Kommerz und Lobbyismus zu schützen.

Foto: Pixabay / CC0

Die Corona-Krise ist für viele private Anbieter von Clouds, Apps, Tools und Unterrichtsmaterialien ein Türöffner zur Schule. Kein Tag vergeht, an dem nicht neue Angebote das Netz fluten. Das Problem, dass auf digitalem Weg kommerzielle oder unausgewogene Anwendungen und Inhalte in Schulen Einzug halten, ist nicht neu, nimmt aber derzeit sprunghaft zu.

Für die GEW ist wichtig, schulisches Lernen sowie die Kinder und Jugendlichen – weiterhin und besonders jetzt - vor Werbung, Kommerz und Lobbyismus zu schützen. Das fällt nicht immer leicht, weil sich kommerzielle oder privatwirtschaftliche Interessen mitunter hinter unverfänglich klingenden Vereinen oder einer neutral wirkenden Oberfläche verbergen. Gerade jetzt, wo viele Lerngruppen mit aktuellen Lerngelegenheiten zu versorgen sind, fehlt vielleicht auch die Zeit, genau hinzuschauen.

Deswegen hat die GEW einige Fragen, Tipps und Hinweise zusammengestellt, die Orientierung geben können (teilweise in Anlehnung an: Broschüre „Lobbyismus an Schulen“, www.lobbycontrol.de)

  • Spiegeln sich die Interessen und Ziele des Anbieters im Lernangebot wider? Ist das Angebot ausgewogen und enthält mehrere pädagogische und inhaltliche Perspektiven?
  • Erfasst der Anbieter Daten und Adressen der Nutzerinnen und Nutzer? Bin ich und sind meine Schülerinnen und Schüler vor einer kommerziellen Datennutzung oder vor Missbrauch geschützt? Das sollte insbesondere bei der Nutzung von Clouds, Webportalen und Apps bedacht werden.

Wenn das nicht auf den ersten Blick erkennbar ist, weil es von einem Verein, einer Stiftung oder einer Agentur stammt: Nachfragen.

Vielleicht geben auch das Impressum, eine Suchmaschine oder Wikipedia Auskunft. Wenn keine ausreichende Transparenz herzustellen ist: lieber Abstand von einer Nutzung nehmen.

  • Sind vielleicht stattdessen öffentlich finanzierte oder geprüfte Angebote in guter Qualität zu haben? Wo finde ich werbefreie Angebote? Wenn es sich von Angeboten aus der Privatwirtschaft oder von Arbeitgeberverbänden handelt: Wo gibt es Angebote und Unterstützung aus gemeinnütziger, kritischer, zivilgesellschaftlicher oder auch gewerkschaftlicher Perspektive?
  • Bei der Suche nach Aufgaben empfiehlt es sich, zuerst öffentliche Lernmanagementsysteme, Lernplattformen oder Datenbanken (z.B. der Länder oder der Verbraucherzentralen, Angebote der Landesmedienzentren oder professionelle Netzwerke von Kolleginnen und Kollegen) zu Rate zu ziehen.
  • Werde ich oder die Schule bei zukünftigen Entscheidungen beeinflusst? Binden wir uns durch den Erwerb bestimmter Tools, Programme, Hardware auf längere Zeit an nur einen Anbieter?
  • Beeinflusse ich durch die Nutzung eines Angebots die Lerngewohnheiten, medialen Vorlieben oder Kaufinteressen meiner Schülerinnen und Schüler?
  • Handelt es sich um ein zunächst kostenloses oder günstiges Angebot, das später weitere Kosten aufwirft.
  • Im Zweifelsfall Kolleginnen, Kollegen und den Personalrat um deren Einschätzung bitten und die Nutzung mit der Schulleitung besprechen.
  • Manipulative und kommerzielle Angebote nutzen, um Lobbyismus und Werbung im Unterricht zu thematisieren.
  • Besonders auffällige Materialien und Initiativen an die GEW oder Lobbycontrol schicken.
  • Kritisch hinschauen: Auf welchem Weg kommen private Akteure mit welchen Angeboten und Produkten in die Schule?
  • Nachfragen: Wie kam die Kooperation oder der Einkauf zustande?
    • Waren bei größeren Anschaffungen bzw. umfassenderen Kooperationen der Personalrat und die Schulkonferenz beteiligt?
    • Besteht Transparenz auf der Grundlage von (Kooperations-)Vereinbarungen, Verträgen oder ähnlichem? Oder nur auf Grundlage von Bekanntmachungen oder Pressemitteilungen, die man selbst nicht überprüfen kann?
  • Rechtliche Vorgaben bekannt machen und durchsetzen, z.B. das Werbeverbot an Schulen, die Auflagen für Sponsoring, Datenschutz usw.
    • Die Schulleitung auf Auffälligkeiten und rechtliche Fragwürdigkeit hinweisen und zur Überprüfung durch das Schulamt bzw. zuständige Juristinnen und Juristen auffordern.
    • Ggf. eigene Expertise einholen, über Verbände, Gesamt- / Hauptpersonalrat, zuständige Juristinnen und Juristen in der Schulbehörde.
    • Das Kollegium und die schulischen Mitbestimmungsgremien über den Sachverhalt und die entsprechenden Regelungen in Schulgesetzen, Dienstordnungen, Erlassen informieren.
    • Im Kollegium diskutieren, inwieweit Kooperationen, Anschaffungen oder Lehr- und Lernmittel dazu führen, dass der schulische Bildungs- und Erziehungsauftrag, die pädagogische Unabhängigkeit, der Beutelsbacher Konsens und das Schulprogramm einerseits gefördert, andererseits aber auch unzulässig beeinflusst oder beeinträchtigt werden können.
  • Die Finanzierung des Schulwesens, der Ausstattung und sowohl der technologischen als auch der traditionellen Lehr- und Lernmittel ist Aufgabe der öffentlichen Hand (Land und Schulträger).
  • Schulen und Lehrkräfte müssen so ausgestattet und unterstützt werden, dass sie ihren Aufgaben gerecht werden können und dabei nicht auf Unterstützung, Technik und Materialien von privatwirtschaftlichen Anbietern angewiesen sind.
  • Die Kultusministerien müssen (wieder) mehr Verantwortung übernehmen, indem sie Kommerzialisierung und Lobbyismus im Schulwesen vorbeugen und verhindern.
  • Staatliche Monitoringstelle(n): Es muss eine oder mehrere von den Ländern verantwortete Stellen geben, bei der schulische Lernkooperationen, Schulwettbewerbe, Portale, Plattformen und schulische Materialien geprüft oder gemeldet werden können, wenn sie inhaltlich, pädagogisch, wettbewerbsrechtlich oder in anderer Hinsicht juristisch fragwürdig sind.
  • Kontrolle von Verstößen: Missbräuchliche Beispiele dieser Art müssen – vor allem gegenüber den schulfremden Akteuren  -  dokumentiert und angemahnt werden.
  • Prüfung des Rechtsrahmens: Schulgesetze und Dienstordnungen müssen auf den Prüfstand und in diesem Sinne konkretisiert und nachjustiert bzw. durch entsprechende Regelungen und Erlasse ergänzt werden, um den Schulen Orientierung und Rechtssicherheit zu geben und damit die Verantwortung nicht länger bei Schulen und Kolleg*innen liegt.
  • KMK-Empfehlungen: Die KMK wird aufgefordert, unter Einbeziehung von Lehrer*innen-, Eltern-, Schüler*innen und Fachverbänden „Empfehlungen zum Umgang mit Lobbyismus und Werbung an Schulen“ zu entwickeln und mit den Länderministerien zu beraten.
  • Verpflichtung auf Transparenz: Die Kultusministerien sollen – zum Beispiel mittels eines Transparenzkodex‘ – Anbieter von Unterrichtsmaterialien dazu anhalten, bei Materialien und Online-Angeboten gut sichtbar zu machen, wer das Angebot beauftragt, produziert und finanziert, und zwar auch und besonders dann, wenn als solcher „an der Oberfläche“ ein Verein, eine Stiftung oder ein Institut auftritt. Schulen sollten dazu angehalten werden, Materialien und Angebote zu meiden, die diesem   Transparenzkodex nicht entsprechen.
  • Vorbereitung und Qualifizierung der Lehrkräfte: Die Themen Lobbyismus, Sponsoring, Werbung, Medien und digitale Technologien sollen in der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften verankert werden.
  • Wissenschaftliche Begleitung: Die skizzierten Entwicklungen müssen wissenschaftlich beobachtet und ausgewertet werden, um die formalen und juristischen Rahmenbedingungen für Schulen und Lehrkräfte wie auch ein gutes und transparentes pädagogisches Angebot zu sichern und weiterzuentwickeln.