Militärputsch nach Volksaufstand erfolgreich abgewehrt
Gut ein Jahr nach dem Volksaufstand vom 30./ 31. Oktober 2014, der den Sturz des 27jährigen Regimes von Blaise Compaoré erzwang, und zehn Wochen nach dem erfolglosen Militärputsch der Präsidentengarde RSP unter Anführung des Generals Diendéré fanden in Burkina Faso am 29. November 2015 die ersten freien Präsidentschafts- und Parlamentswahlen seit Jahrzehnten statt. Die Wahl verlief friedlich ohne größere Probleme unter den Augen Hunderter nationaler und internationaler Wahlbeobachter.
Kaboré siegt im ersten Wahlgang
Sieger der Wahl ist die MPP (Mouvement du Peuple pour le Progrès) mit ihrem Präsidentschaftskandidaten Roch Marc Christian Kaboré, der von 1994 bis 1996 Ministerpräsident und von 2002 bis 2012 Parlamentspräsident in Burkina Faso war. Aus Protest gegen eine geplante Verfassungsänderung, die dem gestürzten Blaise Compaoré eine erneute Präsidentschaft sichern sollte, hatte Kaboré mit diesem gebrochen und seine jetzt erfolgreiche MPP gegründet. Kaboré setzte sich gleich im ersten Wahlgang mit 53,5 Prozent der Stimmen gegen zahlreiche Mitbewerber durch.
Friedlicher Machtwechsel
Die Wahl kann als wichtiger Meilenstein Burkina Fasos auf dem Weg zur Demokratie betrachtet werden, bringt sie doch erstmals einen zivilen Präsidenten hervor, und nicht einen, der durch einen Militärputsch an die Macht kam und diese jahrzehntelang zementierte. An dem friedlichen Machtwechsel hatten Gewerkschaften und andere zivilgesellschaftliche Organisationen einen erheblichen Anteil. Im Gespräch mit der GEW-Kollegin Sabine Tölke-Rückert, die sich aktuell in Burkina Faso aufhält, beurteilt der Generalsekretär der Bildungsgewerkschaft F-SYNTER, Mamadou Barro, den Ausgang der Wahlen in dem westafrikanischen Land:
“Spannt man den zeitlichen Bogen vom Volksaufstand im Oktober 2014 zu den Wahlen am 29.11.2015, zeigt sich, dass das Volk Burkinas durch das Verjagen eines autokratischen Regimes, durch die Niederschlagung eines Militärputsches, der nur der Erringung der Macht diente, durch Verhinderung eines drohenden Bürgerkrieges und durch sein starkes Verlangen nach Demokratie seinen Willen bekundete, sich für den positive Fortgang seines Geschickes und Landes, kurz, für sozialen Fortschritt zu engagieren.
Die Frage, die sich jetzt aufdrängt, ist die, ob die neue Regierung fähig ist, auf die Forderungen des Volkes befriedigend zu reagieren. Meiner Ansicht nach lassen viele Faktoren daran Zweifel aufkommen: Die Männer, die in der MPP führend sind, besonders die ersten drei, befanden sich lange Zeit im Machtzentrum des Regimes von Blaise Compaoré. Der zukünftige Präsident Roch Kaboré war 12 Jahre lang Parlamentspräsident und mehrmals Premierminister unter Compaoré. Salif Diallo war ein höchst einflussreicher Minister der 4. Republik und der Mann für die dunklen Machenschaften des Regimes, z.B. in Liberia und Sierra Leone. Simon Compaoré war mehr als 15 Jahre lang Bürgermeister der Hauptstadt Ouagadougou zu Zeiten von Blaise. Alle drei genannten Männer waren unter den fünf ersten Führern der CDP, der Partei Blaise Compaorés.
Sie sind also mitverantwortlich für die zahlreichen Gewaltverbrechen und ökonomischen Verbrechen, nämlich für die Plünderung des Reichtums unseres Landes, für die Verteuerung des Lebens, für Korruption, für die Angriffe auf fundamentale Freiheitsrechte und vor allem für die Unterlassung der Schaffung von Grundlagen für die ökonomische und landwirtschaftliche Entwicklung unseres Landes. Die Bauern auf dem Land bestellen z.B. ihre Felder immer noch manuell mit der Hacke wie vor Hunderten von Jahren.
Unser Pessimismus beruht ebenso auf der Tatsache der Abhängigkeit unseres Landes von Frankreich, das immer noch eine fast-koloniale Rolle hier spielt. Frankreich hat den Wahlkampf von Roch Kaboré unterstützt, ist er doch Garant dafür, die Interessen Frankreichs gut zu vertreten. Roch Kaboré selbst kommt aus höchsten Wirtschaftskreisen und nicht aus Volkes Mitte. Mit 27 Jahren war er bereits Generalsekretär einer Bank. Er hatte für seinen Wahlkampf viele Milliarden FCFA zur Verfügung. Es steht zu befürchten, dass die Regierungspartei MPP mehr dafür tun wird, die ökonomische Basis ihrer Mitglieder zu stärken, statt sich ernsthaft mit den Problemen unserer Gesellschaft zu befassen, die da sind: hohe Lebenshaltungskosten, Jugendarbeitslosigkeit, die Armut großer Teile der Bevölkerung sowie die Gesundheit der Menschen und ihre Erziehung und Bildung.
Die Bildungssituation in unserem Land ist mit einem Wort umschrieben: katastrophal! Die Klassengrössen sind nach wie vor weit über der von der UNESCO vorgegebenen Norm. Durch die sogenannte Reform des Übergangs an weiterführende Schulen herrscht Chaos. Für Tausende von Schüler/innen gibt es keine Schulen und Lehrer, die Privatisierung im Bildungswesen schreitet rasant voran. Privatschulen und –universitäten schiessen wie Pilze aus dem Boden, während die öffentlichen Bildungsinstitutionen verrotten. Die Krise an den öffentlichen Universitäten im Land, Folge von PAS und der Einführung von LMD ( Bachelor und Masterstudiengängen) ohne entsprechende Vorbereitung, ist gekennzeichnet durch einen katastrophalen Mangel an Infrastruktur und Lehrpersonal, durch prekäre soziale Bedingungen für die Studenten und durch eine bisher noch nie erlebte Verzögerung der akademischen Zeitabfolge: momentan befinden sich in der Hauptstadt Ouagadougou gleichzeitig drei Jahrgänge auf demselben Studienniveau, ohne dass es vorangeht.
Hinter dieser desaströsen Entwicklung steht ursächlich PAS, das in den 90er Jahren von Weltbank und internationalem Währungsfond eingeführte Strukturanpassungsprogramm. Es sieht den Rückzug des Staates aus dem Sozialbereich wie Gesundheit und Bildung vor, da diese zu teuer und unprofitabel seien. Will man eine dauerhafte Lösung für die Krise im Bildungssystem finden, muss man mit PAS brechen. Im Wahlprogramm der MPP gibt es allerdings keinen Hinweis auf PAS und seine schlimmen Folgen. Es war im Gegenteil Roch Kaboré, der als Ministerpräsident unser Land unter die Knute von Weltbank und Weltwährungsfond führte mit der Folge hoher Verschuldung und der miserable Situation im öffentlichen Sektor. Unter solchen Perspektiven wird unsere gewerkschaftliche Arbeit für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen insgesamt, aber vor allem auch der Lehrer/innen und der Kampf für eine öffentliche und qualitativ gute Schule für das ganze Volk viel Kraft und Engagement erfordern!"