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Forum 6: Weiterbildungsberufe nach Berufsbildungsgesetz (BBiG) und Weiterbildung an Fachschulen als Alternative zum Hochschulstudium

Es diskutierten Thomas Ressel vom IG-Metall Vorstand in Frankfurt und Wolfgang Hill vom Bundesarbeitskreis der Fachschulen Technik in Lahnau.

Foto: Kay Herschelmann

Vor dem Hintergrund verschiedener Entwicklungen des Zusammenwachsens auf europäischer Ebene wurde im Jahre 2008 der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR) vereinbart, der seitdem in den einzelnen Mitgliedsländern auf die nationale Situation übertragen wird. Nachdem nun auch seit Mai 2013 der Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) auf den Weg gebracht wurde, können jetzt unter Maßgabe der Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung Kompetenzzuordnungen vorgenommen werden, die die formalen Abschlüsse in ganz Europa vergleichbar machen werden.

Darauf aufbauend bieten sich jetzt schon nach Thomas Ressel eine große Zahl an beruflichen Aufstiegsqualifizierungsmaßnahmen an, die entsprechend der Zuordnung von „Wissen“, „Fertigkeiten“ und „Kompetenz“ zu den entsprechenden Niveaus von EQR und DQR für beruflich Qualifizierte eine sinnvolle Alternative zu einem Studium darstellen. So entsprechen z. B. die Fachkaufleute, Fachwirte oder Industriemeister dem Niveau 6 und damit einem Bachelorabschluss der Hochschulen: Die teilnehmerstärksten Fortbildungsabschlüsse qualifizieren zur Führungskraft (Industriemeister, Fachwirte, Betriebswirte, Professionals). Selbst zur Erreichung des Niveaus 7 (Master oder gleichgestellte Abschlüsse) stellt die Aufstiegsqualifizierung einen gangbaren, attraktiven Weg dar, an dem man bei der IG-Metall auch im Hinblick auf die Weiterentwicklung des DQR und letztlich hin zu einer erweiterten Beruflichkeit arbeite.

An dieser Stelle konnte und wollte sich Wolfgang Hill auch für die an den Fachschulen ausgebildeten staatlich geprüften Techniker/innen einbringen. Er zeigte auf, dass die OECD die Fachschulausbildung im tertiären Bildungsbereich verortet. Auch im Bildungsbericht 2014 der KMK sei das noch so gewesen, in ihren neueren Veröffentlichungen jedoch nehme die KMK eine Einordnung in den sogenannten „postsekundären“ Bereich vor und sorge damit für einen „beruflichen Bildungs-Wirrwarr“ hinsichtlich der gleichwertigen Anerkennung beruflicher Bildung. Mit einer Zuordnung zum „postsekundären“ Bereich seien dann außerdem auch Fördergelder der EU und Deutschlands, die für den tertiären Bereich vorgesehen sind, für die Fachschulen nicht erreichbar, kritisiert Wolfgang Hill. „Das stellt eine klare Diskriminierung der schulischen beruflichen Weiterbildung dar“, betont er.

Analyse der verschiedenen Ausbildungen

Da der EQR und der DQR aber die Technikerabschlüsse gleichwertig im Niveau 6 verorten, müsse auch in der beruflichen Weiterbildung ein tertiärer Bereich eingerichtet werden. Er zitiert dann auch die Vereinigung hessischer Unternehmerverbände (VhU), die eine „Zusammenführung der Bildungssysteme in ein gemeinsames System“ fordere, sowie den Wissenschaftsrat, der einen Umbau des gesamten Bildungssystems und insbesondere eine größere Durchlässigkeit zwischen Berufs- und Hochschulbildung in beide Richtungen anmahne. Dabei komme es darauf an, eine Analyse der verschiedenen Ausbildungen hinsichtlich ihrer Kompetenzen zu erarbeiten, die sodann über Äquivalenz- bzw. Niveauentscheidungen eine Anrechnung von erbrachten Leistungen bzw. erworbenen Kompetenzen unter der Maßgabe der Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner hochschulischer Bildung unter Verkürzung des Studiums ermögliche (siehe ANKOM-Projekte: "Anrechnung beruflicher Kompetenzen auf Hochschulstudiengänge").

Ein dieser Art geordnetes und strukturiertes System könnte denjenigen, die erst später eine Aufstiegsqualifizierung angehen können oder wollen, eine lebensoffene Berufsperspektive bieten und jenen, die zunächst einen für sie nicht richtigen Weg eingeschlagen hatten – wie etwa Studienabbrechern -, einen unproblematischen Umstieg mit gering(er)en Zeitverlusten ermöglichen.

Angesichts des beträchtlichen Wandels, der Arbeitswelt und der Gesellschaft im Ganzen wird sich auch das Bildungssystem gravierenden Anpassungsprozessen unterwerfen müssen. Zu fordern ist deshalb mehr denn je ein Aufbrechen der Bildungssackgassen, ein flexibleres System, das auf die raschen Veränderungen auch flexibler in seinen Bildungsangeboten reagieren kann. Die Menschen brauchen zukünftig mehr noch als heute nach einer vollqualifizierenden Erstausbildung lebenslang Möglichkeiten der Aufstiegsqualifizierung wie der Umorientierung in beruflichen Zusammenhängen. Schon jetzt gibt es im einfach qualifizierten Bereich – und nicht nur dort - eine Vielzahl von Tätigkeiten und Berufen nicht mehr, weil sie sich durch technische Innovationen überholt haben.

Entwicklung eines Berufslaufbahnkonzeptes

Thomas Ressel weist hier auch darauf hin, dass Berufsbilder sich noch stärker wandeln werden und die Nachfrage nach Weiterbildung, Fortbildung und Umschulung entsprechend wachsen wird. Eine Art Berufslaufbahnkonzept, ein System der Fort- und Weiterbildung wäre zu entwickeln; das würde auch die von Wolfgang Hill eingeforderte Durchlässigkeit begünstigen. Allerdings wird gerade bei der Überblicksdarstellung solcher Laufbahnkonzepte das Problem der unterschiedlichen Begrifflichkeiten und damit einhergehend eine falsche Zuordnung von Abschlüssen deutlich: So entspricht der „Technican“ nicht dem Kompetenzniveau des deutschen Staatlich geprüften Technikers, der auf der Ebene des „Operative Professionals“ rangiert und damit dem DQR 6 entspricht. Deshalb betonen beide Referenten die Forderung nach einem einheitlichen System für solche Laufbahnkonzepte.

Damit geht ebenso die Forderung einher, eine fortlaufende Berufsorientierung zu etablieren, nicht nur in den Klassen 8 oder 9, sondern auch in den gymnasialen Oberstufen, in den berufsbildenden Schulen und auch an den Hochschulen, damit eine bessere Information über Möglichkeiten allgemeiner und beruflicher Bildungswege und der wechselseitigen Übergänge erreicht wird und damit eine bessere Grundlage für Bildungsentscheidungen. Da diese Entscheidungen nach den allgemeinbildenden Abschlüssen zu rund 50% von Eltern mitgetroffen werden, sind diese ebenfalls in das Orientierungskonzept einzubeziehen.

Schließlich muss sichergestellt werden, dass Fort- und Weiterbildung so selbstverständlich wahrgenommen werden kann wie eine Ausbildung oder Umschulung und sie muss finanziert werden können. Ein Fort- und Weiterbildungsgesetz (Thomas Ressel) sollte deshalb sicherstellen, dass der Anschluss an die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt für jede und jeden möglich bleibt und ein selbstverständlicher Teil der beruflichen Bildung wird.

„All diese Punkte zeigen, dass wir von einer tatsächlichen Annäherung zwischen hochschulischem und beruflichem System, geschweige denn ihrer Gleichwertigkeit, noch weit entfernt sind. Auch die Durchlässigkeit zwischen den Systemen ist äußerst fraglich.“ Mit diesem Zitat von Elke Hannack, stellv. DGB-Vorsitzende, eingebracht von Wolfgang Hill und dem Hinweis darauf, dass noch viel Wegstrecke zurückzulegen sei, endete das Forum.