"Die Tarifverhandlungen haben eine Bedeutung, die weit über die Gruppe der Länderangestellten hinausreicht."
Üblicherweise ist das Tarifergebnis eine wesentliche Vorgabe für die Entwicklung der Beamtenbesoldung. Vor der Kürzungspolitik im öffentlichen Dienst wurde es regelmäßig (komplett) übernommen. Und selbstverständlich sind die Ergebnisse auch eine relevante Orientierungsmarke für den Gehaltsanstieg im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen.
Damit ist klar, dass es um die Entwicklung eines wesentlichen makroökonomischen Aggregats geht: Allein die Arbeitnehmerentgelte (Bruttolöhne plus ggf. Sozialversicherungsbeiträge) Beschäftigter des öffentlichen Dienstes in den Ländern machten 2015 etwa vier Prozent der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt, abgekürzt BIP) aus. Für alle öffentlich Bediensteten in Deutschland betrug das Arbeitnehmerentgelt 2015 7,6 Prozent des BIP – Anteil der Arbeitnehmerentgelte an den gesamten Staatsausgaben: gut 17 Prozent. Für die Länder, die in Schulen, Hochschulen, Polizei und Finanzverwaltung besonders personalintensiv arbeiten müssen, betrug er sogar knapp 31 Prozent.
"Die neuesten Forschungsergebnisse zeigen eindrucksvoll, dass öffentliche Ausgaben einen starken Einfluss auf die Makroökonomie haben."
Daher muss die Lohn- und Beschäftigungsentwicklung im öffentlichen Dienst wesentlicher Teil einer makroökonomisch sinnvollen finanzpolitischen Strategie sein. Die neuesten Forschungsergebnisse zeigen eindrucksvoll, dass öffentliche Ausgaben einen starken Einfluss auf die Makroökonomie haben. Nach einer aufwändigen statistischen Auswertung von 104 Studien kommt Sebastian Gechert vom IMK, dem Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung (HBS) in Düsseldorf, zum Ergebnis, dass der so genannte Multiplikator der Staatsausgaben bei etwa „eins“ liegt. Das bedeutet, dass eine Erhöhung bzw. Senkung der Staatsausgaben um z.B. eine Milliarde Euro zu einer Erhöhung oder Senkung des BIP um eine Milliarde Euro führt. Besonders stark ist der Effekt für öffentliche Investitionen mit einem Multiplikator von über 1,5, gefolgt von der Beschäftigung im öffentlichen Dienst mit einem Multiplikator von etwa 1,2. Als relativ wenig effektiv erweisen sich Steuererhöhungen oder -senkungen mit Multiplikatoren von deutlich unter eins.
Aus makroökonomischer Sicht sollte die Finanzpolitik über den Konjunkturzyklus hinweg grundsätzlich in etwa neutral sein. In Schwächephasen sollte sie expansiv sein, also die Wirtschaft ankurbeln, in Boomphasen restriktiv und so die Wirtschaft vor einer „Überhitzung“ bewahren. Hinzu kommt noch, dass die Finanzpolitik in einer Währungsunion über die rein nationalen Belange hinaus auch internationale Ungleichgewichte in ihren Anfängen bekämpfen sollte. Im Falle starker Leistungsbilanzüberschüsse*, wenn also erheblich mehr ex- als importiert wird, sollte die Finanzpolitik expansiv sein und die Binnennachfrage für höhere Importe in Schwung bringen. Bei starken Leistungsbilanzdefiziten sollte sie entsprechend restriktiv handeln, um das Importwachstum zu dämpfen.
Vernachlässigte Leitlinien
Seit der Deutschen Einheit sind diese makroökonomischen Leitlinien in den vergangenen 25 Jahren häufig vernachlässigt worden. Stattdessen setzten sich in der Wirtschafts- und Finanzpolitik weltweit immer stärker marktradikale Ideen durch, die den staatlichen Einfluss in Wirtschaft und Gesellschaft weitgehend zurückdrängen wollen. Das schlug sich – wie nicht zu übersehen ist – auch in der Finanzpolitik der Länder nieder.
Seit Mitte der 1990er Jahre ist die Finanzpolitik, was die Ausgaben betrifft, restriktiv. Das heißt, die Länder haben in Zeiten der Konsolidierung ihre Ansprüche an die Wirtschaftsleistung stetig zurückgefahren; in Relation zum BIP sanken die Ausgaben von 13,8 Prozent des BIP Mitte der 1990er Jahre auf 13 Prozent in 2015. Auf dem Tiefpunkt 2007 lag die Ausgabenquote der Länder sogar lediglich bei 12,2 Prozent des BIP. Dem war eine Phase sehr starker Steuersenkungen vorausgegangen mit entsprechend hohen Budgetdefiziten. Diese führten angesichts der Defizitregeln des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes (SWP)** auf der Ausgabenseite zu großen Anstrengungen der Konsolidierung. Besonders betroffen davon waren stets die Arbeitnehmerentgelte, die im Jahr 2015 nur noch bei vier Prozent des BIP lagen, während sie Mitte der 1990er Jahre noch 4,7 Prozent des BIP ausmachten. Seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise fiel die Konsolidierung auf der Ausgabenseite deutlich geringer aus als zuvor, weil man auf allzu kostspielige Steuersenkungen – wohl auch mit Blick auf die Schuldenbremse im Grundgesetz – verzichtete. Der Binnennachfrage und der Konjunktur ist dieser moderate Kurs deutlich besser bekommen als der brachiale in der Stagnationsphase im Zeitraum 2001 bis 2005.