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Zentrum für Lehrerbildung und Fachdidaktik (ZLF)

Film ab für modernen Unterricht

An der Universität Passau können Lehramtsstudierende und Uni-Lehrende Unterricht mit audiovisuellen Medien in einem Studio üben.

Für den angehenden Realschullehrer Johannes Jachmann ist klar: „Eine so digitale Generation können wir nicht in einer rein analogen Schule unterrichten.“ (Foto: Tobias Bumberger/DiLab)

Zum Thema „Der Igel“, Sachunterricht, Grundschule, finden Lehrkräfte eine erstaunliche Vielfalt an Material: Themenhefte, Kopiervorlagen und Arbeitsblätter widmen sich der Frage, wie das Tier sommers wie winters lebt, was es frisst, wann es schläft. Synthia Müller wählte einen anderen Weg: Mit bewegten Igel-Bildern erstellte sie eine kleine Präsentation und nahm diese in ein Studio für audiovisuelle Medien an ihrer Universität mit. Vor einem grünen Vorhang stehend probierte sie aus, etwa wie sie sich am besten ins Bild setzt oder welches Sprechtempo es braucht. Schließlich erlebten die Grundschülerinnen und -schüler in ihrem Praktikum eine Fernlernstunde, in der sie sowohl Müller als auch den Igel sahen. Bis es soweit war, schaute sich die angehende Grundschullehrerin eine Reihe Varianten an. „Die Technik ist super“, sagt sie, „mit vier Kameras kann man jede Menge Perspektiven testen.“

Mehr als Technikvermittlung

Seit April betreibt das Zentrum für Lehrerbildung und Fachdidaktik (ZLF) der Universität Passau ein kleines Studio. Professionell begleitet können Studierende wie Uni-Lehrende ausprobieren, welche Audio- und Videomedien sich für ihren Zweck am besten eignen. Am Präsentationspult oder Interviewtisch, mithilfe von Kameras, Schnittprogrammen, Mikrofonen können ganz verschiedene Lernmedien entstehen: vom Erklärvideo mit Lehrkraft im Bild über eingesprochene Präsentationen bis zum Mitschnitt eines Live-Gesprächs, das in einen Podcast mündet. „Die Bandbreite reicht von kompletten Onlinekursen bis zu kurzen Lehrfilmen für den Präsenzunterricht“, erklärt Christian Müller, der als Leiter der Didaktischen Innovationslabore (DiLab) auch das ZLF-Studio aufgebaut hat.

Das Studio ist nicht das erste, mit dem die Uni Passau Lehrkräfte von morgen auf modernen Unterricht vorbereitet. Die DiLab-Labore werden bereits seit 2016 im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung von Bund und Ländern gefördert, ergänzt durch bayerische Landesgelder. Es gibt ein „Klassenzimmer der Zukunft“, in dem der Unterricht mit einer digitalen Tafel ebenso möglich ist wie analoges Miteinander in wechselnden Lerngruppen, fernab des Frontalunterrichts. Und auch ein „Lehrerzimmer der Zukunft“, mit Stillarbeitszonen, mobilen Arbeitsplätzen und Bereichen für Teamarbeit, gehört zu den Innovationslaboren.

„Egal, wie fit ich an Computer oder Smartphone bin: Der Einsatz digitaler Lernmedien ist eine spezielle Herausforderung.“ (Synthia Müller)

Schon das macht deutlich: Innovation in der Lehrkräftebildung bedeutet mehr als Technikvermittlung. „Das Ziel ist eine Lehre und ein Unterricht, in die Medien sinnvoll integriert werden können“, erklärt Laborleiter Müller. Um dorthin zu kommen, das ergab eine Umfrage unter Passauer Lehramtsstudierenden, braucht es mehr als nur gute Computerkenntnisse: Die Mehrheit der Befragten schätzt die eigene digitale Kompetenz höher ein, wenn es um die private Nutzung geht als jene für den Unterricht. „Egal, wie fit ich an Computer oder Smartphone bin: Der Einsatz digitaler Lernmedien ist eine spezielle Herausforderung“, sagt Müller. Der Leiter der Innovationslabore spricht von drei „Wissensfacetten“, die es zu verschränken gilt: die fachliche, die didaktisch-pädagogische und die technisch-digitale. „Erst wenn alle drei beherrscht werden, kommt guter Unterricht dabei heraus.“

Digitale Generation

Doch wie viel Digitales muss sein? Johannes Jachmann hat darauf eine klare Antwort: „Natürlich sind alle enorm froh, wieder in der Schule zu sein“, erklärt der angehende Passauer Realschullehrer, der seine ersten Tage eines Praxisjahres an einer Schule erlebt. Dennoch überraschte sogar ihn, der im ZLF-Studio als studentische Hilfskraft arbeitet, wie selbstverständlich die Schülerinnen (an seiner Realschule lernen nur Mädchen) digital arbeiten. „Als sie gestern aus einem Text die wichtigsten Punkte herausarbeiten sollten, haben viele direkt in ihr Tablet geschrieben; eine Schülerin setzte sogar ein Mindmap-Programm ein.“ Jachmanns Fazit: „Eine so digitale Generation können wir nicht in einer rein analogen Schule unterrichten.“

Doch gilt das bereits für Grundschüler, muss der Igel wirklich virtuell umherlaufen? Die angehenden Lehrerin Müller findet, gerade dort sei das begleitete Heranführen an eine selbstverständlich digitalisierte Welt wichtig. „Das hat auch etwas mit Medienkompetenz zu tun“, erklärt sie, „je früher Kinder ein Bewusstsein dafür entwickeln, was zuverlässige Quellen sind, desto besser.“ Das Kunststück guten Unterrichts, sagt sie, bestehe darin, „eine gute Balance zwischen dem Digitalen und dem haptischen Gefühl, einen Stift festzuhalten“, herzustellen.

„Ich habe noch keine Kollegen oder Kolleginnen getroffen, die gesagt haben: Ich mache hier nur das, was ich vor 30 Jahren gelernt habe.“ (Johannes Jachmann)

Die Realität in den Schulen, die sie als Praktikantin kennenlernte, erlebt sie demgegenüber als wechselhaft. „Vieles hängt von der Ausstattung ab: Gibt es WLAN, digitale Whiteboards, Fort- und Weiterbildung? Die Lage ist da doch noch sehr unterschiedlich.“ Jachmann hat an seiner jetzigen Schule Glück: „Die Ausstattung ist super.“ Im Lehrerzimmer fand er ein oft gehörtes Klischee ebenfalls nicht bestätigt: „Ich habe noch keine Kollegen oder Kolleginnen getroffen, die gesagt haben: Ich mache hier nur das, was ich vor 30 Jahren gelernt habe.“

Tatsächlich steht das ZLF-Studio auch den Lehrkräften einiger kooperierender Schulen offen, die sich bei der Erstellung digitaler Lernmedien begleiten lassen wollen. Den Unterschied zwischen seinem Job als studentische Hilfskraft in dem Studio und dem Lernen zu Hause mit einem YouTube-Tutorial, erlebt Jachmann als groß: „Jenseits der technischen Fragen sind die meisten doch erst einmal unsicher, wenn sie sich vor der Kamera sehen und die eigene Stimme hören. Wir bieten auch so etwas wie einen Safe Space, in dem man sich ausprobieren kann.“

Die schlechte Nachricht: Den Bedarf in Passau, geschweige denn in Bayern, kann ein einzelnes Studio nicht decken. „Im Grunde ist toll für uns, dass wir es haben – und schade für alle anderen, die es nicht haben“, konstatiert Synthia Müller trocken. Sie findet: „Eigentlich müsste jede Universität so etwas einrichten.“