„Zwischen den beiden Extremen „gut bezahlt, kreativ, gut qualifiziert und weitgehend selbstbestimmt“ und „entgrenzten Rund-um-die-Uhr-Tätigkeiten und Beschäftigungsbedingungen, die jenseits einer auskömmlichen Bezahlung und einem Mindestmaß an sozialer Absicherung liegen“ – so lassen sich die Arbeitsbedingungen dieser Kolleg/innen beschreiben.“
Ruth Brandherrn von der Friedrich-Ebert-Stiftung im Oktoberheft 2012 von WISO Diskurs
Freie Mitarbeiter/innen gibt es beim Goethe-Institut in vielen Bereichen, als Lehrkräfte in den Regelkursen, Lehrkräfte im Individual- und Sonderkursbereich, in der Leitung, Verwaltungsleitung und als Betreuer/innen in den Jugendkursen oder Leiter/innen der Fortbildungsseminare für ausländische Deutschlehrer, Journalisten oder Ministerialbeamte. Wo genau die verschiedenen Gruppen Solo-Selbstständiger am Goethe-Institut auf der im Zitat beschriebenen Skala einzuordnen sind, ist im Einzelfall unterschiedlich – das hängt auch von der Lebenssituation und weiteren Umständen ab. Die mangelnde soziale Absicherung jedoch ist ein gemeinsamer Indikator für die Prekarität dieser Arbeitsbedingungen:
Wie frei ist „Frei“?
Diese „hochqualifizierten Alleindienstleister“ verrichten das ganze Jahr hindurch dieselben Tätigkeiten wie die festangestellten Kolleg/innen. Sie sind in Ort und Zeit der Ausübung ihrer Tätigkeit festgelegt, richten sich inhaltlich nach Vorgaben aus der Zentrale und können weder die Honorarhöhe noch die Gestaltung des Honorarvertrags frei aushandeln. Ohne sozialversicherungspflichtige Arbeitsverträge gibt es keinen Schutz vor Auftragsverlust, vor Verdienstausfall bei Krankheit, keine bezahlten Urlaubs- und Feiertage. Stattdessen sind die Solo-Selbständigen der Willkür des Arbeitgebers ausgeliefert. Ein plötzlicher Entzug von vorher regelmäßigen, z. T. sogar langjährigen Aufträgen braucht nicht begründet zu werden.
Freie Mitarbeiter/innen sind nicht frei in der Entscheidung, ob sie lieber eine Festanstellung wollen. Fest angestellt wurden Sprachlehrkräfte im Inland seit mehr als 20 Jahren nicht mehr. Wer seitdem noch eine feste Stelle bekommen hat, musste vorher den Klageweg gehen. Seit Jahren achtet der Vorstand des Goethe-Instituts immer strenger darauf, dass keine formal eindeutigen Anhaltspunkte für einklagbare Scheinselbstständigkeit mehr entstehen. Eine echte Personalplanung, wie die in den Ruhestand gehenden fest angestellten Kolleg/innen in den nächsten Jahren ersetzt werden sollen, existiert für das Inland nicht.
Dabei würde die wirtschaftliche Situation des Goethe-Instituts Neueinstellungen erlauben: Die Gewinne des Eigenmittelbereichs sind in den letzten Jahren beachtlich gestiegen. Für 2012 wird wieder von einer Steigerung von 4 Prozent ausgegangen. Dennoch will der Arbeitgeber an seiner „straffen“ Personalpolitik mit einer „Optimierung“ des Verhältnisses von festen und freien Mitarbeiter/innen (80/20 Prozent) im Unterricht festhalten (siehe Info des Gesamtbetriebsrats „Risikovorsorge durch zukunftsorientierte Personalpolitik” vom 17.07.2012).
Das unternehmerische Risiko lädt der Arbeitgeber trotz der positiven wirtschaftlichen Entwicklung weiterhin auf den Schultern der Freien Mitarbeiter/innen ab: Er bezahlt sie nicht nur deutlich schlechter als festangestellte Kolleg/innen mit derselben Tätigkeit, sondern kann überdies durch die jeweilige Befristung der Honorarverträge (maximal zwei Monate, in der Regel zwischen einem Tag und einem Monat) enorm flexibel auf Auftragsflauten reagieren.
Eine eigene Verhandlungskommission nur für die Freien?
An den Goethe-Instituten im Inland tragen die „neuen Selbstständigen“ inzwischen ca. 80 Prozent des operativen Geschäfts. Doch geht dieser Trend auch die Angestellten etwas an: Prekarität beschädigt immer alle Arbeitsverhältnisse im Betrieb. Deshalb hat die GEW jetzt zusätzlich zu den bestehenden Tarifkommissionen für den Öffentlichen-Mittel-Bereich und Eigenmittelbereich eine Verhandlungskommission für Freie Mitarbeiter/innen eingerichtet. Prekarität geht alle Beschäftigten des Goethe-Instituts an, denn sie betrifft immer auch alle Arbeitsverhältnisse im Betrieb: Wo prekäre Beschäftigung vorliegt, nimmt der Druck auch auf diejenigen in „Normalarbeitsverhältnissen“ zu, schlechtere Bedingungen zu akzeptieren. Angst grassiert dann unter allen Beschäftigtengruppen. Außerdem müssen beständig neue Kolleg/innen eingearbeitet werden, und für die Verwaltung bedeuten häufig wechselnde Mitarbeiter/innen einen erheblichen zusätzlichen Aufwand.
Deshalb denken wir, dass es im Interesse aller – in welchem Rechtsverhältnis auch immer stehenden - Beschäftigten im Goethe-Institut ist, dieses Zweiklassensystem abzuschaffen. Fest angestellte Lehrkräfte, abgesicherte Freie Mitarbeiter/innen – nur so kann über personelle Kontinuität eine weiterhin hohe Qualität des Unterrichts- sowie des Seminarangebots und langfristig die Existenz der Inlandsinstitute gewährleistet werden.
Die Ziele der GEW:
- Soziale Sicherung und faire Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten des Goethe-Instituts
- Kontinuität, Verlässlichkeit und Erfahrung für eine hohe Qualität der Arbeit
- Gutes Betriebsklima und Solidarität unter den Beschäftigten
Deshalb: Macht mit in der GEW, der Gewerkschaft für das Goethe-Institut.
Unterstützt die Verhandlungskommission der Freien Mitarbeiter/innen! Werbt Mitglieder! Werdet Mitglied!