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Digitale Medien

Färbetechniken, Klausuren und Weltpolitik

Welche Bildungs- und Informationsangebote nutzen junge Menschen im Internet? Auskunft geben eine Umfrage am Berufskolleg Vera Beckers (BKVB) in Krefeld und die JIM-Studie 2019 des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest (mpfs).

Foto: Pixabay / CC0

„Zuletzt habe ich ‚Perücken‘ und ‚Männerhaarschnitt‘ gegoogelt“, erzählt Nele. Die 17-Jährige ist angehende Friseurin im zweiten Lehrjahr und besucht das BKVB. Zur Informationssuche nutze sie zudem Instagram. „Friseure haben eigene Instagram-Seiten und machen Lehrvideos – und das aus aller Welt.“ Sie besuche auch Webseiten, etwa für das Fach Mathematik, „die von Lehrern gemacht werden“. Manchmal gebe es dort auch Probeklausuren. Man müsse allerdings schauen, „dass es für das richtige Bundesland ist“. Eren, 19, erzählt: Er informiere sich bei YouTube, etwa auf dem Kanal „Simplicissimus“. Der ist Teil von „funk“, einem Gemeinschaftsangebot von ARD und ZDF. Dort gehe es um den Klimawandel. „Oder um Steuerhinterziehung – wie gewisse Personen den deutschen Staat beklauen.“ Eren lernt in der Jahrgangsstufe 11 des Beruflichen Gymnasiums am BKVB.

Suchmaschinen wie Google stehen, wenig überraschend, ganz oben, wenn sich 12- bis 19-Jährige im Internet informieren möchten. Das belegt die JIM-Studie 2019 des mpfs. 87 Prozent der Befragten erklärten, dass sie Suchmaschinen täglich oder mehrfach pro Woche nutzten. An zweiter Stelle stehen Erklärvideos auf YouTube (55 Prozent nutzen sie täglich oder öfter in der Woche). Auf Platz drei finden sich Wikipedia und ähnliche Angebote (33 Prozent). Es folgen Nachrichtenportale von Zeitungen (17 Prozent) sowie Infos via Facebook und Twitter (16 Prozent). Das Schlusslicht bilden Nachrichtenportale von TV-Sendern (6 Prozent). Der mpfs hatte im Rahmen einer Stichprobe 1.200 junge Menschen telefonisch interviewen lassen. Die Untersuchung sei, so die Studienmacher, ein „repräsentatives Abbild der circa 6,3 Millionen deutschsprachigen Jugendlichen“.

Skepsis gegenüber Influencern

Auch Mara, angehende Friseurin im zweiten Lehrjahr am BKVB, besucht YouTube-Seiten, um sich fachlich schlau zu machen. Sie informiere sich dort über Färbetechniken, Glätteisen oder Lockenstäbe. „Ich musste letztens die Neun-Punkte-Kopfmassage lernen“, berichtet die Auszubildende. Dafür habe sie bei YouTube nachgeschaut. Mara hält wenig von Influencerinnen und Influencern, die auf YouTube ihren eigenen Kanal unterhalten. „Die werben für Sachen oder haben Kooperationen mit Marken.“ Mitschülerin Nele pflichtet bei: „Ich bin anti-YouTube.“ Ihr missfallen „die vielen Menschen, die da ihr Leben präsentieren“.

Die JIM-Studie unterstreicht: Geht es um die beliebtesten Info-Angebote im Internet, so unterscheiden sich die Antworten von Schülern am Gymnasium kaum von dem, was die Altersgenossen an Haupt-, Real- oder Gesamtschulen erklären. „Der Bildungshintergrund der Jugendlichen“, so der mpfs, spiele „nur an wenigen Stellen eine Rolle“. Wer am Gymnasium lernt, besucht beispielsweise häufiger als Haupt- oder Realschüler Onlineportale von Printmedien. Auch Wikipedia schneidet bei Gymnasiastinnen und Gymnasiasten etwas besser ab.

Raquel, 17, Jahrgangsstufe 11 des Beruflichen Gymnasiums am BKVB, erklärt: Ein Lehrer habe ihr geraten, Wikipedia nicht blind zu vertrauen. Was dort stehe, sei „oft veraltet oder komplett falsch“, urteilt auch Friseur-Azubi Simon. Nele findet: „Da sind viele hilfreiche Dinge dabei, aber man muss aufpassen.“

Mehr Unterhaltung

Die Stuttgarter Medienforscher stellten zudem fest, dass das Internet als Informationsmedium an Bedeutung verloren hat. Sie fragten Kinder und Jugendliche, wie viel Zeit sie jeweils für Spiele, Musikvideos, Chatten oder die Info-Suche verwenden. Ergebnis: 2009 entfielen 14 Prozent der Internetnutzung auf die Info-Suche. Bis 2019 sank dieser Anteil auf 10 Prozent. Im selben Zeitraum stieg der Anteil für Unterhaltung (Musik, Videos, Bilder) von 22 Prozent auf 30 Prozent. Auch der Anteil für Spiele erhöhte sich – von 18 auf 26 Prozent. Weitere Ergebnisse für das Jahr 2019: 46 Prozent der Familien, in denen die Befragten leben, besaßen ein Tageszeitungs-Abonnement (2018: 38 Prozent). 73 Prozent der Familien nutzten Videostreaming-Dienste wie Netflix oder Amazon prime (2018: 77 Prozent).

Die JIM-Studie untersuchte zudem, welche Rolle die mediale Vernetzung von „Fridays for Future“ (FFF) für junge Leute spielt. 94 Prozent der Befragten konnten mit dem Begriff etwas anfangen. Doch lediglich 21 Prozent hatten bereits an einer Demo der Klimaaktivisten teilgenommen (Jungen: 16 Prozent, Mädchen: 26 Prozent). Ebenfalls 21 Prozent gaben an, dass sie „Fridays for Future“ auf Instagram oder Facebook folgen. Deutlich höher fällt dieser Anteil bei jenen aus, die bereits mit FFF demonstriert hatten: Aus dieser Gruppe begleiteten 46 Prozent die Bewegung auf Social-Media-Kanälen.

Nele, die Friseur-Auszubildende, erklärt: Im Internet, via Smartphone lese sie auch Nachrichten. „Über Politik, was in der Welt passiert.“ Dazu nutze sie die App „News Republic“. Diese App verwertet Nachrichten, die von Zeitungen, Zeitschriften und Presseagenturen veröffentlicht wurden. Und was ist mit Fake News? Laut JIM-Studie erklärten 53 Prozent der Befragten, dass ihnen Fake News im Netz während des zurückliegenden Monats begegnet seien. „Ich vertraue nicht nur einer Meinung“, versichert Eren. Erst wenn man drei oder vier Berichte über ein Thema lese, lasse sich beurteilen, ob eine Sache korrekt dargestellt werde, erklärt Azubi Simon. Auch Nele präsentiert sich als aufgeklärte Mediennutzerin: „Man lernt mit der Zeit, dass man nicht alle Dinge glauben kann.“