Für diese Ankündigung erntete die Ministerin Kritik von der GEW. Sie hatte in einem Interview mit dem Bildungsjournalisten Jan-Martin Wiarda erklärt, das auch das Volumen des Programms erst nach der Bundestagswahl geklärt werden könne. Zuvor hatte die Ministerin ein Programm nach dem Vorbild des Pakts für den wissenschaftlichen Nachwuchs an Universitäten angekündigt, mit dem Bund und Länder 1.000 Tenure-Track-Professuren finanzieren und entsprechende Personalentwicklungsprozesse anstoßen möchten.
Der stellvertretende Vorsitzende und Hochschulexperte der GEW, Andreas Keller, zeigte sich enttäuscht vom Rückzug der Ministerin. Die Fachhochschulen bräuchten „gerade jetzt Unterstützung“, mahnte er und verwies auf die deutlich erweiterte Aufgabenstellung der Fachhochschulen und Hochschulen für angewandte Wissenschaften, die sich heute über Lehre und Studium hinaus auf Forschung, Nachwuchsförderung und Wissenstransfer erstrecke. Dafür benötigten sie eine „aufgabengerechte Personalstruktur".
Keller weiter: „Dazu gehört zum einen ein akademischer Mittelbau: Qualifizierungsstellen für Doktorandinnen und Doktoranden, Dauerstellen für Daueraufgaben in Forschung, Lehre und Wissenschaftsmanagement. Zum anderen muss die Hochschullehrerlaufbahn erweitert werden. Mit der Etablierung eines Tenure Track lassen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Wie an den Universitäten werden die Karrierewege verlässlicher und damit attraktiver. Anders als an den Universitäten geht es aber nicht darum, eine mit der Habilitation vergleichbare Qualifikation zu erwerben, sondern die erforderliche Erfahrung in der beruflichen Praxis auch parallel zu einer Tätigkeit in Forschung und Lehre erlangen und zugleich wissenschaftlich reflektieren zu können.“ Aus eigener Kraft würden die Fachhochschulen diese Reform nicht stemmen können, gab der GEW-Vize zu bedenken. „Bund und Länder sollten daher jetzt mit einem gemeinsamen Programm Impulse für Tenure-Track-Professuren und Mittelbaustellen an Fachhochschulen geben“, forderte Keller.
Die GEW hat Bund und Länder bereits im Oktober 2016 in ihrer „Wittenberger Erklärung“ aufgefordert, 500 Tenure-Track-Professuren an den Fachhochschulen zu schaffen, um qualifizierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über eine parallele Praxisqualifikation zur Fachhochschul-Professur zu führen. Im Zuge einer von der GEW geforderten „Entfristungsoffensive“ sollen außerdem 10.000 Dauerstellen an den Fachhochschulen eingerichtet werden – als Beitrag zum Ausbau des akademischen Mittelbaus. Mindestens die Hälfte der zusätzlichen Tenure-Track-Professuren und Mittelbaustellen müsse mit qualifizierten Wissenschaftlerinnen besetzt werden, so die GEW. Für die Universitäten fordert die GEW in ihrer Wittenberger Erklärung gestützt auf Berechnungen des Instituts für Hochschulforschung der Uni Halle-Wittenberg 5.000 Tenure-Track-Professuren und 40.000 zusätzliche Dauerstellen im Mittelbau.
Die Entwicklung der Fachhochschulen ist auch Gegenstand eines öffentlichen Fachgesprächs, das der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages am kommenden Mittwoch in Berlin abhalten wird. Unter den sieben geladenen Sachverständigen sind ausschließlich designierte, amtierende oder ehemalige Rektorinnen und Rektoren, Präsidentinnen und Präsidenten von Fachhochschulen. Vertreterinnen und Vertreter der Beschäftigten und Studierenden oder unabhängige Expertinnen und Experten sind nicht dabei.