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Exzellenzinitiative: Höchste Zeit für Kurswechsel

Im April haben Bund und Länder die Weichen gestellt, um die Exzellenzinitiative fortzusetzen. Wenn die Regierungschefs am 16. Juni grünes Licht geben, wird das umstrittene Elite-Programm zur Dauereinrichtung.

Ironie der Geschichte: Erst 2014 hatten Bundestag und Bundesrat das Kooperationsverbot  im Grundgesetz für die Hochschulen gelockert. Der Bund kann den Ländern jetzt in der Hochschulfinanzierung unter die Arme greifen – nicht nur über immer neue Projekte und Programme, sondern in der Fläche und auf Dauer. Stattdessen nutzen Bund und Länder das Kooperationsverbot aber, um die Exzellenzinitiative zu verstetigen. Jahr für Jahr sollen 533 Millionen Euro ausgegeben werden, um ausgewählte Elite-Unis aufzupäppeln – auf unbestimmte Zeit. Eine falsche Entscheidung.

Zum einen werden die Milliarden, die über Jahrzehnte in die Exzellenzförderung fließen sollen, dort fehlen, wo sie die Hochschulen am dringendsten bräuchten: in der Grundfinanzierung. Wir benötigen mehr Studienplätze und bessere Betreuungsrelationen – denn auch in Deutschland wird auf Dauer deutlich mehr als die Hälfte eines Altersjahrgangs ein Hochschulstudium aufnehmen. Zum anderen setzen Bund und Länder eine wichtige Errungenschaft des deutschen Hochschulsystems aufs Spiel.

Ob jemand in Aachen, Dresden oder Flensburg seinen Abschluss gemacht hat, spielte in der Vergangenheit keine große Rolle: Studierende wie Arbeitgeber konnten bundesweit auf hohe Qualitätsstandards vertrauen. Die Exzellenzinitiative zielt hingegen auf ein Zweiklassensystem. Die Politik träumt von einer deutschen „Ivy League“ nach US-Vorbild. Was sie ausblendet: In den USA gibt es über 4 000 Hochschulen, nicht alle heißen Harvard, MIT oder Yale. Die Masse der Studierenden wird an drittklassigen Colleges ausgebildet.

Getreu dem Motto aus dem Matthäus-Evangelium „Wer hat, dem wird gegeben“ werden im Exzellenzwettbewerb weiter vor allem jene Unis reüssieren, die bereits eine üppige Ausstattung mit Grund- und Drittmitteln vorweisen können. Ehrlicherweise will man in Zukunft darauf verzichten, einen offenen Wettbewerb vorzutäuschen: Wer einmal in den exklusiven Club der Elite-Unis aufgenommen wird, soll dies auf ewig bleiben.

Exzellenzförderung kann Lehre schaden

Auch an ihren eigenen Ansprüchen gemessen ist die Exzellenzinitiative kein Erfolgsmodell. Die vom Schweizer Physikprofessor Dieter Imboden geleitete internationale Expertenkommission ist im Januar 2016 zu einem ernüchternden Urteil gekommen: Es sei nicht nachgewiesen, dass die geförderten Spitzenuniversitäten tatsächlich bessere Forschungsleistungen erbracht hätten, heißt es im Evaluationsbericht. Ganz zu schweigen von der Lehre: Sie geht nicht nur per se in der Exzellenzförderung leer aus, sondern kann zusätzlich Schaden nehmen – wenn ausgerechnet die besten Professorinnen und Professoren von der Lehre freigestellt werden, um sich der Spitzenforschung zu widmen, wie die Expertenkommission moniert.

Auch der wissenschaftliche Nachwuchs schaut in die Röhre. Zwar hat die Exzellenzinitiative eine große Zahl junger Forscherinnen und Forscher ins System geholt. Da die Fördergelder jedoch befristet vergeben werden, verschöben viele Wissenschaftler ihre Entscheidung, eine akademische Karriere einzuschlagen, immer weiter nach hinten, kritisiert die Imboden-Kommission. Daran dürfte auch die geplante Verstetigung der Exzellenzinitiative wenig ändern. Zwar soll der Exzellenzstatus künftig auf unbestimmte Zeit vergeben werden, Grundlage dafür sind aber Exzellenzcluster, die jeweils auf sieben Jahre befristet gefördert werden.

Es wird also höchste Zeit für einen Kurswechsel in der Hochschulfinanzierung. Ja, es muss mehr Geld ins Hochschulsystem. Bund und Länder sollten den erweiterten verfassungsrechtlichen Spielraum nutzen, um für mehr Dauerstellen und damit mehr Studienplätze sowie eine bessere Betreuungsrelation zu sorgen, bevor sie über eine Neuauflage des Exzellenzprogramms entscheiden.

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Andreas Keller, stellvertretender GEW-Vorsitzender und Hochschulexperte