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Experte: Kommunen sollten Kompetenzen der Pflegeversicherung erhalten

Die Bundesregierung solle den Kommunen die Aufgaben der Pflegeversicherung übertragen, fordert der Sozialexperte Thomas Klie. Der Bund müsse die lokale Politik finanziell so ausstatten, dass diese für ein gutes Leben im Alter sorgen kann.

Karikatur: Kari von Brecheis

Ob älteren Menschen ein gutes Leben gelingt, hängt zum Großteil von den örtlichen Bedingungen ab. "Wir müssen uns dringend fragen: Wie kann die lokale Politik Voraussetzungen für ein gutes Leben im Alter für alle schaffen?", sagt Thomas Klie, Mitglied der Sachverständigenkommission des Siebten Altenberichts und Leiter des Zentrums für zivilgesellschaftliche Entwicklung an der Evangelischen Hochschule Freiburg im "E&W"-Interview. Es gebe "dramatische regionale Unterschiede" mit Blick auf Gesundheitszustand und Lebenserwartung, Wohnverhältnisse und die pflegerische Versorgung.

Die Politik müsse für die Bedingungen vor Ort spezifische Lösungen entwickeln, forderte Klie. Dazu müssten den Kommunen mehr Aufgaben - etwa die der Pflegeversicherung - übertragen werden. Der Staat müsse in Vorleistung gehen, indem er die Kommunen finanziell besser ausstatte und Voraussetzungen für eine leistungsfähige Infrastruktur schaffe. Darüber hinaus wäre dem Experten zufolge ein regionales Monitoring sinnvoll, das strukturschwache Gebiete identifiziere und eine Finanzierung für die Grundversorgung älterer Frauen und Männer sicherstelle.

Quartiersprojekte

In Sachsen und Nordrhein-Westfalen laufen bereits Modellprojekte dazu, wie ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben im Alter in der Kommune gelingen kann. Das Projekt "Chemnitz + Zukunftsregion lebenswert gestalten" erprobt unter Leitung des Verbandes Sächsischer Wohnungsgenossenschaften (VSWG) in der Modellregion Mittleres Sachsen unter anderem, welche Dienstleistungs- und Gesundheitsangebote nötig sind, damit SeniorInnen so lange wie möglich autonom in ihrer Wohnung leben können. Das Sozialamt Chemnitz hat ein Frühwarnsystem entwickelt, um bei Vereinsamung oder Verwahrlosung rasch einschreiten zu können.

In Gelsenkirchengibt es das Projekt "QuartiersNETZ", das daran arbeitet, dass nach und nach in allen Wohnvierteln dauerhafte Netzwerke entstehen, die es ermöglichen, dort bis ins hohe Alter zu leben. Einkaufsangebote, medizinische und pflegerische Versorgung, Begegnungs-, Freizeit- und Sportmöglichkeiten sowie Nachbarschaftshilfe sollen gesichert sein. Entscheidend dabei ist: Ältere können den Prozess mitgestalten und werden bei Quartierskonferenzen einbezogen.

Das Interview mit Thomas Klie von Anja Dilk und der Artikel über die Modellprojekte in Sachsen und NRW von Nadine Emmerich sind in voller Länge in der Januarausgabe der "E&W" abgedruckt.

 

Thomas Klie, Mitglied der Sachverständigenkommission des Siebten Altenberichts. Foto: Jan Deichner.