Die AfD und die Bildungspolitik
Exklusiv und national - die Bildungspolitik der Rechten
Wie könnte sich Schule verändern, wenn die AfD an einer Landesregierung beteiligt wird? Ein Blick in Wahlprogramme, Positionen sowie auf Äußerungen der Politikerinnen und Politiker der Rechtsaußen-Partei.
Ein „großangelegtes Remigrationsprojekt“, konsequent durchgeführt mit wohltemperierter Grausamkeit, ist kein Geheimplan, sondern Kernanliegen einer „neuen politischen Führung“, wie Björn Höcke, Fraktionschef der AfD im Landtag Thüringen und Spitzenkandidat der Partei für die Landtagswahl im Herbst, ganz offen in seinem Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“ betont. Schule solle dazu beitragen, indem sie Migrantinnen und Migranten etwa durch Normen und Schuluniformen den weiteren Besuch „vergällt“, ergänzt Maximilian Krah, Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl, in seinem Manifest „Politik von rechts“.
In vielen Einzelheiten widersprechen sich die Vorstellungen der AfD zur Bildungspolitik. Ganztagsschulen werden von den einen als Zerstörerin der Familie und des Vereinslebens abgelehnt, von anderen gutgeheißen – wenn das geforderte kostenlose Mittagessen autochthonen* deutschen Kindern vorbehalten bleibt.
Einig ist man sich darin, dass Migration schuld ist am angeblichen Niedergang der Bildung und der angeblichen Absenkung des Bildungsniveaus, wie Rolf Weigand, bildungspolitischer Sprecher der sächsischen AfD-Fraktion, am 11. Dezember 2023 beklagte: „Wir fordern daher, die ausufernde Durchmischung der Schulklassen zu verhindern. Unbegleitete, minderjährige Migranten sollten gesondert in ihrer Heimatsprache unterrichtet werden.“ Für ukrainische Kinder wird Online-Unterricht nach ukrainischem Lehrplan vorgeschlagen. Ausgebildete deutsche Lehrkräfte seien deutschen Schülern (die AfD gendert nicht) vorbehalten.
Das Recht des Stärkeren
Für die AfD in Baden-Württemberg sind homogene Lerngruppen, also Klassen mit Kindern aus dem gleichen Herkunftsland, der Schlüssel zu erfolgreichem Unterricht. Zugangstests schon vor der Grundschule sollen dies sicherstellen. Die AfD im Landtag Brandenburg fordert, dass der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund auf maximal 10 Prozent zurückgeführt wird.
Höcke bezeichnete 2023 im Sommerinterview des MDR Inklusion als ein „Ideologieprojekt“, von dem die Schulen „befreit“ werden müssten. Für autochthone Schüler will der Nationalist ein strenges Auslesesystem. „Stärkere“ dürften nicht von Kindern mit Handicaps oder Lernschwächeren behindert werden. Während die einen mit grundlegender Bildung mit dem Schwerpunkt bei „praktischen Unterrichtsinhalten wie Holzbearbeitung und Haushaltslehre“ für ihre Bewerbung auf Lehrstellen vorbereitet werden sollten, dienten Gymnasium und noch mehr Hochschulen der Förderung einer völkischen Elite, heißt es bereits 2019 im Wahlprogramm der AfD Thüringen.
Die Rechten beschwören einen „schleichenden Genozid durch Genderismus“ (MdB Christina Baum) oder den „Volkstod“ (Höcke) durch zu niedrige Geburtenquoten. Die AfD Thüringen setzt stattdessen auf eine „lebensbejahende“ Sexualpädagogik. „Mut zur Mutterschaft“ und zur „kinderreichen, gesunden Familie“ sollten dazu dienen, so Krah, „Deutschland als Land der ethnisch Deutschen“ gegen eine Zuwanderung von Menschen zu verteidigen, deren Intelligenz nicht ausreiche, qualifizierte Berufe auszuüben. Ein biologistisch begründeter Rassismus kann kaum deutlicher formuliert werden.
Revisionistische Erinnerungspolitik
Hans-Thomas Tillschneider, kulturpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion Sachsen-Anhalt, beklagt die „Verweichlichung der Kinder“. „Echte Männlichkeit“ sei durch eine Erziehung mit „Kampf, Wettbewerb und Gefahr“ zu fördern, damit Männer wieder „fortpflanzungswürdig“ werden. Mit dem Video „Echte Männer sind rechts, echte Männer haben Ideale, echte Männer sind Patrioten, dann klappt es auch mit der Freundin“, erzielte Krah auf dem Social-Media-Kanal TikTok 1,4 Millionen Aufrufe!
Es gelte, sich nicht nur „unser Land, sondern auch unsere Vergangenheit“ zurückzuholen, betonte der damalige Co-Parteivorsitzende Alexander Gauland schon 2017. Um ein positives Verhältnis der sächsischen Schüler zu ihrer Nation zu fördern, hat die AfD-Fraktion beantragt, alle Schulen mit der Deutschlandfahne auszustatten. Zudem solle die deutsche Nationalhymne zu besonderen Veranstaltungen gesungen werden.
Unter dem Hashtag „#AfD: Sei stolz auf #Deutschland“ postete Krah auf TikTok ein 220.000fach aufgerufenes Video, in dem es heißt: „Wir haben allen Grund, stolz auf unser Land zu sein. (...) Wenn du wiederentdeckst, was deine Vorfahren alles getan haben, dann wirst auch du dich aufrichten können.“ Die Ressourcen der Fraktionen ermöglichten es, „unsere #Jugend effektiv anzusprechen“, so die schwäbische AfD-Bezirksrätin Gabrielle Mailbeck nach einer Fraktionsschulung. Filmsequenzen auf TikTok und die Bildsprache gehässiger Sharepics mit zu Fratzen entstellten Gesichtern von Migranten und AfD-Gegnern, oft mit Künstlicher Intelligenz (KI) produziert, entmenschlichen mit den Mitteln der Kriegspropaganda.
Autoritär geführte Schule
Die autoritäre Rechte setze auf eine autoritär geführte Schule und lehne „Individualisierung“ ab, so Höcke. In Sachsen-Anhalt fordert man ein „hartes Durchgreifen der Lehrer“ mit Strafen wie dem „In-die-Ecke-Stellen“. „Bildung braucht Führung“, postuliert Tillschneider.
„Mittel für politische Bildung“ sollten in Thüringen zugunsten einer kostenlosen Frühstücksversorgung gekürzt, Landesprogramme für Toleranz und Weltoffenheit „unverzüglich“ beendet werden, betonte Höcke auf dem Landesparteitag am 17. November 2023. Opfer rechtsextremer Gewalt könnten, würde seine Forderung umgesetzt, dann ebenso wenig unterstützt werden wie Initiativen gegen Antisemitismus, Schulfahrten zum KZ Buchenwald, Schulprojekte für Weltoffenheit und Lesungen oder zivilgesellschaftliche Initiativen.
Als Regierungspartei werde man dafür sorgen, so Höcke, dass die Schulen nationale Traditionen pflegen. Das Eintreten von Lehrkräften für Demokratie und Weltoffenheit zählt die Rechtsaußen-Partei zu den „Verstößen durch das Lehrpersonal oder der Schulaufsichtsbehörden gegen das Neutralitätsgebot“, die zu ahnden seien. Unverhohlen drohte schon das Thüringer Landtagswahlprogramm der AfD von 2019 demokratischen Lehrkräften mit Disziplinarmaßnahmen und Strafverfolgung. Auch in seiner „Bewerbungsrede“ als Ministerpräsident sprach Höcke am 17. November von einem „langen Weg des Aufräumens“.
„Wenn wir gute Lehrkräfte für die künftige Generation möchten, brauchen wir Länderregierungen, die für demokratische Grundwerte stehen und Minderheiten schützen. Ich werde nicht für die AfD arbeiten.“
Solche Drohungen haben Folgen. In Burg in Brandenburg rief die rechte Szene Anfang 2023 in den sozialen Medien mit Stickern und Steckbriefen zur „Jagd“ auf zwei engagierte Lehrkräfte auf. Im Sommer 2023 ließen sich diese versetzen, die Schulleiterin trat zurück. Der AfD-Kreisvorsitzende von Cottbus, Jean-Pascal Hohn, kommentierte zynisch: „Bürgerliches Engagement wirkt.“
Die GEW Thüringen verweist denn auch auf Sorgen der Mitglieder für den Fall einer Regierungsbeteiligung der AfD. Die Verunsicherungen mit Blick auf mögliche Redeverbote sowie Zweifel, ob die Arbeit unter einer solchen Regierung noch mit ihrem demokratischen Wertekompass vereinbar wäre, seien groß. So weit dürfe es nicht kommen, betont eine junge Kollegin aus Jena, die anonym bleiben möchte: „Wenn wir gute Lehrkräfte für die künftige Generation möchten, brauchen wir Länderregierungen, die für demokratische Grundwerte stehen und Minderheiten schützen. Ich werde nicht für die AfD arbeiten.“
*Altgriechisch für „einheimisch, eingeboren, hier entstanden“
Das hat der Beutelsbacher Konsens damit zu tun
Demokratiebildung ist zentraler Bestandteil des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule. Die Landesschulgesetze beschreiben die Ziele. Lehrkräfte sollen demokratische Werte wie Würde und Gleichheit aller Menschen, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität vermitteln.
Wenn es in der Schule um politische Bildung geht, müssen sich Lehrkräfte nicht neutral verhalten. Es ist wichtig, verschiedene Blickwinkel zu beleuchten. Lehrkräfte sollen auf Basis des Grundgesetzes eine klare Haltung zum Beispiel gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus, Gewaltverherrlichung und menschenverachtende Aussagen zeigen.
Oft fällt das Stichwort ’Beutelsbacher Konsens’. Er ist ein in den 1970er-Jahren formulierter Minimalkonsens für den Politikunterricht in Deutschland. Er darf nicht mit dem parteipolitischen Neutralitätsgebot des Staates verwechselt werden. Der Konsens formuliert drei zentrale didaktische Prinzipien politischer Bildung: das Überwältigungs- bzw. Indoktrinationsverbot, das Kontroversitätsgebot sowie das Ziel, dass Schüler*innen zur politischen Teilhabe befähigt werden sollen. Lehrkräfte dürfen ihre eigene politische Meinung ausdrücken, diese aber nicht als allgemeingültig darstellen. Kontroverse Themen müssen multiperspektivisch behandelt werden.
1. Überwältigungsverbot
Es ist nicht erlaubt, den Schüler – mit welchen Mitteln auch immer – im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der „Gewinnung eines selbständigen Urteils“ zu hindern. Hier genau verläuft nämlich die Grenze zwischen Politischer Bildung und Indoktrination. Indoktrination aber ist unvereinbar mit der Rolle des Lehrers in einer demokratischen Gesellschaft und der – rundum akzeptierten – Zielvorstellung von der Mündigkeit des Schülers.
2. Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen.
Diese Forderung ist mit der vorgenannten aufs engste verknüpft, denn wenn unterschiedliche Standpunkte unter den Tisch fallen, Optionen unterschlagen werden, Alternativen unerörtert bleiben, ist der Weg zur Indoktrination beschritten. Zu fragen ist, ob der Lehrer nicht sogar eine Korrekturfunktion haben sollte, d. h. ob er nicht solche Standpunkte und Alternativen besonders herausarbeiten muss, die den Schülern (und anderen Teilnehmern politischer Bildungsveranstaltungen) von ihrer jeweiligen politischen und sozialen Herkunft her fremd sind.
Bei der Konstatierung dieses zweiten Grundprinzips wird deutlich, warum der persönliche Standpunkt des Lehrers, seine wissenschaftstheoretische Herkunft und seine politische Meinung verhältnismäßig uninteressant werden. Um ein bereits genanntes Beispiel erneut aufzugreifen: Sein Demokratieverständnis stellt kein Problem dar, denn auch dem entgegenstehende andere Ansichten kommen ja zum Zuge.
3. Der Schüler muss in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren,
sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen. Eine solche Zielsetzung schließt in sehr starkem Maße die Betonung operationaler Fähigkeiten ein, was eine logische Konsequenz aus den beiden vorgenannten Prinzipien ist. Der in diesem Zusammenhang gelegentlich erhobene Vorwurf einer „Rückkehr zur Formalität“, um die eigenen Inhalte nicht korrigieren zu müssen, trifft insofern nicht, als es hier nicht um die Suche nach einem Maximal-, sondern nach einem Minimalkonsens geht.