Foto: Manfred Brinkmann
Vor Beginn der eigentlichen EGBW-Konferenz traf sich am Vormittag des ersten Tages der Womans‘ Caucus zum Thema „Economic Empowerment of Women and Equal Pay“. Schwerpunkte der Veranstaltung waren das gleichstellungspolitische Arbeitsprogramm des EGBW in den vergangenen Jahren und die zukünftigen Herausforderungen. Ausgangspunkt der Beratungen waren die Auswirkungen der neoliberalen Politik und der Finanzkrise. Die Veranstaltung des Womans‘ Caucus stand allen weiblichen Delegierten und denjenigen, die sich in ihren Gewerkschaften für die Gleichstellung von Frauen und Männern einsetzen, offen. Etwa zehn Prozent der rund achtzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren männlich.
Die Französin Odile Cordelier, Vizepräsidentin des EGBW, stellte den Arbeitsbericht vor und sprach über Prioritäten und Entwicklungen der Jahre 2010 bis 2012: Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf Frauen und auf die Gleichstellung, die Vereinbarkeit von Arbeit, Familie, Gewerkschafts- und anderen Aktivitäten, Gleichstellung der Geschlechter und Nichtdiskriminierung in Gewerkschaften sowie der Notwendigkeit, Geschlechterstereotypen zu begegnen.
Gegenstand des Redebeitrags der Norwegerin Haldis Holst, designierte stellvertretende Generalsekretärin der Bildungsinternationale, war das gleichstellungspolitische Arbeitsprogramm des EGBW. Sie beschrieb die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf Bezahlung und Alterssicherung von Frauen und sprach sich für eine Verbesserung ihrer ökonomischen Lage und das Ziel der Entgeltgleichheit aus. Ein Projekt zur Gewalt gegen Frauen und ihren Rechten am Arbeitsplatz stellte die EGBW-Vizepräsidentin Monika Konczyk von der polnischen Lehrergewerkschaft NSZZ Solidarnosc vor. Rosella Benedetti aus Italien, Mitglied der Gleichstellungs-AG des EGBW, präsentierte Ansätze zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Dorota Obidniak von der größeren polnischen Lehrergewerkschaft ZNP, ebenfalls Mitglied dieser AG, berichtete über Wege, die Unterrepräsentation von Frauen in Entscheidungsgremien zu überwinden.
Übereinstimmend wurde festgestellt, dass die praktischen Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation von Frauen in langfristige strategische Ziele der Gewerkschaftspolitik einzubetten sind. Die Rolle des EGBW wurde in der Wissensvermittlung, der Sensibilisierung für Gleichstellungsthemen, dem Austausch von Erfahrungen, der Entwicklung von Strategien sowie von Empfehlungen für die Mitgliedsorganisationen gesehen.
Dass die ökonomische Krise in Europa dazu beiträgt, die soziale Ungleichheit innerhalb der Staaten und zwischen den einzelnen Ländern zu vergrößern und dass sie die Demokratie untergräbt sowie Professionalität im Lehrberuf erschwert, war dann zur Eröffnung der Konferenz Gegenstand der Rede von Ronnie Smith, dem scheidenden EGBW-Präsidenten. Die Australierin Susan Hopgood, Präsidentin der Bildungsinternationale, unterstrich daraufhin, dass Bildung und Erziehung öffentliche Güter seien und dazu beitragen könnten, das Wirtschaftswachstum zu fördern. Sie wies darauf hin, dass Bildungsgewerkschaften keine Zuschauer seien, sondern Akteure, die sich einmischten.
Hopgood betonte, dass die Bildungsgewerkschaften einen doppelten Kampf gegen die Austeritätspolitik führen: auf politischer und auf beruflicher Ebene. Steuergerechtigkeit, Arbeitsgesetzgebung, die die Arbeitnehmer im Blick hat und starke Gewerkschaften würden zum Wachstum beitragen, erläuterte die Australierin. Investitionen in den Lehrberuf, in Ausbildung, gute Arbeitsbedingungen und gute Bezahlung im öffentlichen Sektor wären erforderlich, um den Kollaps der Ausgaben im Privatsektor aufzufangen.
Bernadette Ségol, Generalsekretärin des europäischen Gewerkschaftsbunds (EGB), machte deutlich, dass niemand wisse, wie Europa morgen beschaffen sei und wie sich die Krise aus zügellosem Kapitalismus und Deregulierung auswirken werde. Sie stellte einen Sozialvertrag des EGB für ein soziales Europa vor: Soziale Demokratie, nachhaltige Wirtschaftspolitik und Umverteilung seien zentrale Elemente.
Von Androulla Vassiliou, EU-Kommissarin für Bildung, Kultur, Mehrsprachigkeit und Jugend, wurde eine Videobotschaft übertragen. Die Kommissarin wies vor allem auf die Bedeutung von Bildung, Ausbildung und Beschäftigung für die jüngere Generation hin. Die Reihe der Grußworte beschloss Mark Eleven aus dem Büro der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Budapest. Die ILO setze sich für Bildungsinvestitionen ein, für die Professionalisierung des Lehrberufs und den sozialen Dialog. Es müsse mit den Lehrergewerkschaften gearbeitet werden und nicht gegen sie, sagte Eleven.
Martin Römer, europäischer Direktor der Bildungsinternationale, stellte das Konferenzpapier „Europas Dilemma bei der Krisenbewältigung“ vor und hob die große Bedeutung von europaweiter Solidarität hervor. Es habe im vergangenen Jahr nicht nur 18 Streiks von Bildungsgewerkschaften gegeben, sondern auch den europaweiten Aktionstag am 14.November 2012. Die Folgen der Austeritätspolitik zeigten sich in Arbeitslosigkeit, zunehmender Ungleichheit, politischem Extremismus und einer Krise der Demokratie, betonte Römer. Der öffentliche Bildungssektor sei unter Druck. Die Profession müsse gestärkt werden.
Im Anschluss an die Worte Römers wurde die Resolution zur Wirtschafts- und Finanzkrise ausführlich beraten und beschlossen. Insbesondere Kolleginnen und Kollegen aus südeuropäischen Ländern beteiligten sich an der Diskussion. Zum Abschluss des ersten Konferenztages wurde die Britin Christine Blower ohne Gegenkandidat zur neuen Präsidentin des EGBW bestimmt.