Zum Inhalt springen

Coronapandemie

Es gibt viel zu tun

Die Forderungen sind klar: besseres Krisenmanagement, Ausbau der Fachberatung und mehr Zeit. Ein Forschungsteam hat die Folgen der Corona-Pandemie mit Blick auf die Gesundheit der pädagogischen Fach- und Leitungskräfte in Kitas untersucht.

Während der Kita-Schließungen in der Corona-Pandemie waren die Erzieherinnen und Erzieher besonders belastet. (Foto: IMAGO/Petra Schneider)

Eigentlich saßen Kita-Leitungen, aber auch die Erzieherinnen und Erzieher, zwischen allen Stühlen“, lautet die Bilanz von Prof. Susanne Borkowski (Hochschule Magdeburg) und Katrin Lattner (Uni Leipzig). Gemeinsam mit Prof. Petra Strehmel (Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg) und -Annalena Otto (Studentin an der Uni Erfurt) haben sie im Auftrag der Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung und Erziehung in der Kindheit zwölf nationale Studien ausgewertet, um herauszufinden, wodurch und wie stark das Personal in Kitas durch die Pandemie belastet worden ist.

Die Ergebnisse alarmieren: Viele Leitungskräfte, aber auch ihre Mitarbeitenden fühlen sich zermürbt, emotional erschöpft, zerrieben zwischen den Erwartungshaltungen. Ihr eigener Anspruch wirkt sich besonders negativ auf die Gesundheit aus: Allen Widrigkeiten zum Trotz möchte die große Mehrheit der Beschäftigten weiterhin dem Auftrag gerecht werden, Kinder zu bilden und zu betreuen, Eltern zu entlasten, ihnen die Möglichkeit zu geben, weiterhin Job und Familie unter einen Hut zu bringen.

„Die Basis ist zu wenig gefragt worden, etwa, wenn es um Hygiene- und Schutzmaßnahmen ging.“ (Susanne Borkowski und Katrin Lattner)

Für die Leitungskräfte eine besondere Herausforderung: „Einerseits wollten sie dieses Ziel, das im Übrigen auch die Eltern eingefordert haben, erreichen, andererseits mussten sie sich und ihre Fachkräfte schützen“, sagen Borkowski und Lattner. Ein starkes Spannungsfeld mit unheilvollen Folgen: Schlafstörungen, Konzentrationsmängel, Müdigkeit, das Gefühl von Hilflosigkeit, Nervosität und die Sorge vor dem, „was als Nächstes kommt“, haben sich in den Kita-Teams breitgemacht.

Verstärkt wurden die Effekte durch die Erfahrung, in wesentliche Entscheidungen nicht eingebunden worden zu sein. „Die Basis ist zu wenig gefragt worden, etwa, wenn es um Hygiene- und Schutzmaßnahmen ging. Das führte zu Praxisferne und machte die Umsetzung schwieriger“, fassen die Wissenschaftlerinnen die Erkenntnisse der Studien zusammen. Nicht selten kam es vor, dass pünktlich zum Dienstschluss am Freitag eine Mail einer Behörde eintraf, „man solle …“.

Und wieder war ein Wochenende gelaufen, Eltern mussten informiert, Dienstpläne angepasst, die Fachkräfte kontaktiert werden. Lattner und Borkowski: „Wundert sich da jemand, dass sich Erschöpfung und auch eine Spur Resignation breitmachen?“ Zumal viele, so ein weiteres Ergebnis, sich als „kleines, mitunter unwichtiges Rad in der Bildungs- und Betreuungskette“ empfanden: „Alle und alles war wichtiger als wir.“

Vorschläge zur Verbesserung

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung und Erziehung möchte daran etwas ändern, will die Missstände und ihre Folgen aufzeigen, aber auch Handlungsempfehlungen aussprechen. Eine Forderung richtet sich an die Träger. Borkowski und Lattner: „Dem Krisenmanagement muss ein viel höherer Stellenwert eingeräumt, Gesundheitsförderung und Prävention müssen ausgebaut werden.“ Aus den Studien haben die Wissenschaftlerinnen herausgelesen, dass es in jenen Einrichtungen reibungsloser lief, deren Träger vorausschauend Unterstützungssysteme etabliert hatten. „Das ermöglichte, zu agieren statt zu reagieren.“ Nach ihrer Ansicht müssten die Träger schon aus Eigeninteresse für bessere Bedingungen sorgen: „Sie müssen angesichts des massiven Fachkräftemangels diejenigen, die sie haben, an sich binden.“

Gelingen könne dies unter anderem durch mehr Fortbildungen, aber auch eine stärkere Vernetzung der Leitungskräfte zum besseren Erfahrungsaustausch. Deutlich ausgebaut werden müsse die Fachberatung. Das Forscherteam berichtet von einer Kita aus Sachsen, die ihre Fachberatung zuletzt vor sieben Jahre gesehen habe. Und noch eine Forderung stellen die Wissenschaftlerinnen auf: Kita-Leitungen, Erzieherinnen und Erzieher benötigen Zeit. Viel Zeit – und mehr Personal. Auch, um sich neu zu sortieren, eine gemeinsame pädagogische Linie etwa an Teamtagen zu entwickeln. Schließlich sah man sich „gefühlt“ ewig nur aus der Entfernung, konnte den Kontakt und Austausch kaum aufrechterhalten, auch weil häufig keine ausreichende Internetverbindung vorhanden war. Borkowski und Lattner: „Und dabei ist die Kita die erste Institution in unserem Bildungssystem.“