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Gastkommentar

Know-how für die Gesundheit

Im August 2019 hat die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung die Branchenregel Schule veröffentlicht. Diese verlangt, dass Schulhoheitsträger und Schulsachkostenträger kooperieren. Dafür müssen klare Zuständigkeiten festgelegt werden.

Wolfhard Kohte, Forschungsdirektor am Zentrum für Sozialforschung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Beim Kampf für eine bessere Gesundheit der Beschäftigten in den Bildungseinrichtungen ist ein langer Atem gefragt. Erste Erfolge sind mit dem Einsatz der Personalräte für das Instrument der Gefährdungsbeurteilung in den Schulen vor rund 20 Jahren sichtbar geworden. Der 2009 organisierte Arbeitskampf der Beschäftigten in Kindertagesstätten hatte ebenso ein wichtiges Signal gesetzt.

Vor 2010 hatte kein Bundesland das 1973 beschlossene Arbeitssicherheitsgesetz korrekt angewandt, so dass oft bereits das elementare „arbeitsschutzrechtliche Know-how“ fehlte. Inzwischen gibt es Gefährdungsbeurteilungen für physische und teilweise auch psychische Belastungen, die allerdings noch nicht zu flächendeckenden Maßnahmen geführt haben, obgleich Defizite bei der Gestaltung der -Arbeitsstätten, beim Lärmschutz und den psychischen -Belastungen bekannt sind. Auch in diesem Heft werden Beispiele dokumentiert, wie die Verantwortung hin- und hergeschoben, der Stillstand verwaltet wird.

Im August 2019 ist als Lichtstreifen am Horizont die Branchenregel Schule durch die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung veröffentlicht worden. Sie enthält eine Zusammenstellung einschlägiger Rechtsvorschriften, technischer Normen und vor allem gesicherter arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse, die als arbeitsschutzrechtliches Know-how nach Paragraf 4 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) von jedem Arbeitgeber zu beachten sind. Die Regel ist in einem intensiven Kommunikationsprozess aller Gruppen entwickelt worden – von der Kultusministerkonferenz über die Unfallkassen der Länder, die kommunalen Spitzenverbände bis zu den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände. Das war und ist ein neuer, wichtiger Ansatz.

Im Lauf des Jahres 2020 sollte in jedem Arbeitsschutzausschuss die Branchenregel diskutiert und eine erste Prioritätenliste konkreter Maßnahmen formuliert werden.

Die Regel verlangt, dass die beiden Unternehmen Schulhoheitsträger (Land) und Schulsachkostenträger (Kommune/Landkreis/Bezirk) miteinander kooperieren. Dafür müssen gemeinsam klare Zuständigkeiten und Kooperationsformen festgelegt werden. Es fehlt allerdings noch an tauglichen Konfliktregelungsverfahren.

Im Hauptteil werden in 19 Schritten die wichtigsten Arbeitsschutzthemen mit konkreten Lösungsmöglichkeiten beschrieben. Die Gliederung ist tätigkeitsbezogen – sie beginnt mit dem Eintreffen der Schülerinnen und Schüler am Morgen sowie den möglichen Unfallschutzmaßnahmen und -endet bei der Instandhaltung der Schule (Hygiene, Reinigung, Reparaturen).

Natürlich geht es auch um die physischen und psychischen Arbeitsbedingungen der Beschäftigten – sowohl der Lehrkräfte als auch des Verwaltungspersonals – sowie die -Gestaltung der Arbeitsstätte: Lärm und Raumakustik, Mobiliar und digitale Arbeitsformen. Auch die Rolle der Eltern im Arbeitsschutz und die Anforderungen der Inklusion -werden erläutert.

Mit diesem Werk werden wesentliche Herausforderungen der Gestaltung des Arbeitsschutzes in der Schule verständlich beschrieben, die Grundlage für Beratungen durch die Unfallkassen nach Paragraf 17 Sozialgesetzbuch (SGB) VII sein können. In der Regel wird betont, wie wichtig die Beteiligung der Interessenvertretungen und die Beachtung der Mit-bestimmungsrechte ist. Mit den 19 Arbeitsschritten ist sie eine gute Grundlage für Beratungen und Fortbildungen der Personalräte, für deren Initiativrechte und für die Schwerbehindertenvertretungen. Im Lauf des Jahres 2020 sollte in jedem Arbeitsschutzausschuss die Branchenregel diskutiert und eine erste Prioritätenliste konkreter Maßnahmen formuliert werden.