An Grundschulen herrscht Lehrermangel. Die nicht gendergerechte Sprache ist ausnahmsweise korrekt: Viele Kinder erleben erst auf der weiterführenden Schule einen männlichen Pädagogen. An einigen Hochschulen – etwa in Hamburg und Hildesheim – sind deshalb Projekte entstanden, die um mehr Männer werben. An der Uni Bremen läuft seit 2012 das Projekt „Rent a Teacherman“ (Leih‘ dir einen Lehrer), das männliche Studierende an Grundschulen vermittelt; die Honorare der Hilfskräfte auf Zeit bezahlt die Bildungsverwaltung. „Weder Jungen noch Mädchen sollten den Eindruck bekommen, es sei ausschließlich Frauensache, sich professionell um kleinere Kinder zu kümmern“, betont Christoph Fantini vom Fachbereich Erziehungswissenschaften.
Das Thema landet schnell im Minenfeld der Gender-Debatte. So haben maskulinistisch orientierte Gruppen männliche Schüler als „Bildungsverlierer“ einer angeblich „feminisierten“ Schule ausgemacht. Forscherinnen dagegen warnen vor Rollenklischees. Die Hamburger Pädagogik-Professorin Hannelore Faulstich-Wieland spricht von einer „Dramatisierung des Geschlechts“. Ähnlich argumentiert der Soziologe Marcel Helbig vom Wissenschaftszentrum Berlin: Nach seinen Studienergebnissen hat das Geschlecht der Lehrenden nachrangige Bedeutung, jedenfalls seien Kolleginnen nicht „für den geringeren Schulerfolg der Jungen verantwortlich“.
Der Ruf nach mehr Männern birgt stets die Gefahr, Stereotype zu bedienen. „Ich raufe nicht die ganze Zeit mit den Jungs und spiele auch nicht dauernd Fußball“, sagt ein Student über seine Erfahrungen bei „Rent a Teacherman“. „Lehrerinnen und Schulleiterinnen reagieren begeistert, wenn wir ihnen männliche Helfer schicken“, berichtet Fantini. Diese leisten Unterstützung etwa im Sexualkundeunterricht oder assistieren als Betreuer bei Klassenfahrten. Eine nennenswerte Anzahl von Männern an Schulen sei ein wichtiges Korrektiv – nicht, weil Lehrer „besser“, sondern weil sie anders sind und die Situation bereichern.
Studie untersucht, „wie Geschlechtervielfalt in Kollegien von Grundschulen erreicht werden kann“
Was hält männliche Studienanfänger davon ab, das Grundschullehramt zu wählen? Zum einen die finanziellen Aussichten: Sie werden bis zu 500 Euro weniger verdienen als am Gymnasium – im Monat. Mit der aktuellen „JA13“-Kampagne, mit der ein besserer Verdienst, nämlich A13 (Beamte) und E13 (Angestellte), für alle voll ausgebildeten Lehrkräfte erkämpft werden soll, versucht die GEW gegenzusteuern. Zudem gab die Max-Traeger-Stiftung der Bildungsgewerkschaft in Kooperation mit dem Bundesfamilienministerium eine – noch unveröffentlichte – Expertise in Auftrag. Olaf Stuve und Thomas Viola Rieske vom Berliner Forschungsinstitut Dissens untersuchen darin, „wie Geschlechtervielfalt in Kollegien von Grundschulen erreicht werden kann“.
Die Gründe für den niedrigen Männeranteil sehen die Verfasser neben der Bezahlung auch darin, dass möglichen Interessenten „durch verbreitete Männlichkeitsbilder Wege in pädagogische Tätigkeitsfelder erschwert werden“. Viele junge Männer sind nach wie vor von traditionellen Rollenvorstellungen beeinflusst. An Autos zu schrauben oder an Maschinen zu tüfteln, gilt im Umfeld der Gleichaltrigen oft mehr als die Arbeit mit Kindern. Abschreckend wirkte auch die – wichtige – Diskussion um sexuellen Missbrauch, die männliche Pädagogen mit Pädokriminalität in Verbindung brachte.
Die Dissens-Autoren halten es für wichtig, „das öffentliche Bild des Berufs so zu korrigieren, dass die Vielseitigkeit sowie die didaktischen Erfordernisse der Tätigkeit bekannt und wertgeschätzt werden“. Auch Fantini wünscht sich einen Imagewandel. An den Grundschulen gehe es „keineswegs nur um Einmaleins, Singen und Basteln“. Bei der Bildungsgerechtigkeit setze die Primarstufe sogar entscheidende Impulse, dieses Profil müsse man herausstellen: „Dann sagen gerade Männer, die politisch engagiert und vielleicht auch noch mutig sind: Das ist für mich kein Kinderkram!“