Reform der Lehrkräftebildung
„Ernüchternde Bilanz“
Eine Studie zur Lehrkräftebildung sieht die Entwicklungen der vergangenen zehn Jahre und den Ist-Zustand kritisch. Mit Blick auf Reformen warnen die Fachleute indes vor Schnellschüssen.
Während in der Bildungspolitik noch über Regelungen für die unterschiedlichsten alternativen Wege in den Lehrberuf diskutiert wird, unterrichten in den Schulen längst mehr als 30.000 Menschen in unbefristeter Anstellung, aber ohne grundständige Ausbildung. Sie nahmen ihre Arbeit „weitgehend ohne angemessene Nachqualifikation und Unterstützung auf“, heißt es in der Expertise „Lehrer:innenbildung in Deutschland im Jahr 2024 – Status quo und Entwicklungen der letzten Dekade“ von Maik Walm, Universität Rostock, und Junior-professorin Doris Wittek, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. 2013 hatten die Bildungsforschenden eine erste Bestandsaufnahme vorgelegt, diese wurde nun aktualisiert.
„Die alternativen Wege in den Schuldienst sind bundesweit nicht standardisiert und mehrheitlich ohne die Beteiligung von Hochschulen entwickelt und umgesetzt worden.“ (Maik Walm)
Das Besondere: „Es ist die einzige Expertise, die den Diskurs und die Trends der vergangenen zehn Jahre abbildet, mit Empirie verbindet und auf dieser Grundlage zeigt, was der Sachstand in den Bundesländern ist“, sagt Wittek. Formale Aspekte etwa zu Studienzeiten und Abschlüssen lesen sich wertfrei. Kritisch werden die Fachleute, wenn es um den Umgang mit dem Lehrkräftemangel geht. „Die alternativen Wege in den Schuldienst sind bundesweit nicht standardisiert und mehrheitlich ohne die Beteiligung von Hochschulen entwickelt und umgesetzt worden“, moniert Walm. Qualifiziert werde nach Bedarf und Kassenlage: „Unsere Bilanz fällt insgesamt eher ernüchternd aus.“
Runder Tisch gefordert
Andreas Keller, GEW-Vorstandsmitglied Hochschule und Forschung, sagt: „Dieser Flickenteppich an Regelungen kann zu einer Deprofessionalisierung und Abwertung des Lehrberufs führen.“ Walm und Wittek werden noch eindringlicher: Setzten sich unbefristete Einstellungen von ungenügend wissenschaftlich qualifiziertem Personal ohne Nachqualifizierung fort, „dann ist die Bildung der nachkommenden Generationen realistisch gefährdet“.
„Wir müssen kurzsichtiges Bewältigen ohne Plan stoppen.“ (Doris Wittek)
Entsprechend warnen die beiden vor voreiligen und folgenreichen Reformen. Bei einer GEW-Fachtagung im Januar in Berlin, während der sie ihre Expertise vorstellten, führte der benutzte Begriff „Moratorium“ derweil zu Diskussionen. „Wir müssen kurzsichtiges Bewältigen ohne Plan stoppen“, erklärt Wittek, was gemeint sei. Viele bedenkenswerte Vorschläge lägen auf dem Tisch. „Die Kultusministerkonferenz sollte diese breit diskutieren und erst dann entscheiden.“ Wichtig sei ein „kluges Abwägen“, damit die Qualität der Lehrkräftebildung und der Bildung in Schulen nicht weiter sinke.
Hochschulexperte Keller fordert: „Wir brauchen einen Runden Tisch zur Reform der Lehrkräftebildung, an dem Vertreterinnen und Vertreter der Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler, Hochschulen und Länder Eckpunkte einer Reform aushandeln.“
„Kompass“ mit vier Empfehlungen
Im vergangenen Jahr legte die GEW zehn „Eckpunkte für die Reform der Lehrer*innenbildung in Zeiten des Fachkräftemangels“ vor, die künftig weiterentwickelt werden sollen. „Die Diskussion auf der GEW-Tagung hat in zwei Punkten gezeigt, dass wir noch konkreter werden müssen“, sagt Keller. Das betreffe die Modellversuche für ein einphasiges duales Masterstudium, das den Vorbereitungsdienst integriere, und die mögliche Zukunft des international üblichen Ein-Fach-Lehramtes hierzulande.
Auch Wittek und Walm geben in einem „Kompass“ vier Empfehlungen, die unabhängig vom Lehrkräftemangel gelten: Die Lehrkräftebildung müsse wissenschaftsbasiert sein und die Bildungsforschung integrieren. Professionalisierung müsse berufslang phasenübergreifend stattfinden. Dies erfordere eine Perspektive auf Lehrende als lernende Erwachsene. Zentral bei allem seien immer die individuellen Bildungsbedarfe der Schülerinnen und Schüler.