Zum Inhalt springen

„Endlich wehrt ihr euch!“

Arbeitgeber erfüllen auch berechtigte Forderungen in der Regel nicht freiwillig. Ohne Druck und Mut zur Auseinandersetzung geht es nicht – das zeigt ein Blick in die Tarifgeschichte des öffentlichen Dienstes.

GEW-Vorstandsmitglied Daniel Merbitz (Foto: Kay Herschelmann)

In den Einrichtungen und GEW-Landesverbänden haben Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter in den vergangenen Wochen und Monaten diskutiert, mit welchen Forderungen die Bildungsgewerkschaft in die Tarifverhandlungen gehen soll. Zustande gekommen sind so solide und gerechtfertigte Forderungen, die auf nachvollziehbaren Erwartungen basieren. Nicht nur die gefühlte und belegbare Inflation macht ein Umdenken bei den Arbeitgebern nötig. Wir haben es mit einem eklatanten Fachkräftemangel zu tun, der die Arbeitsfähigkeit der öffentlichen Hand zwar nicht immer einschränkt – aber doch deutlich belastet. Diese Situation wird auf dem Rücken von Kolleginnen und Kollegen, die in den Kindertagesstätten sowie in ganz verschiedenen Einrichtungen, von der Sozialarbeit bis zur Forschung und Wissenschaft, tagtäglich alles geben.

Zu einem attraktiven öffentlichen Dienst gehört nicht nur, aber eben auch eine gerechte und zeitgemäße Bezahlung. Gemeinsam mit den anderen Gewerkschaften im öffentlichen Dienst fordert die GEW eine deutliche Verbesserung bei den Einkommen: Die Tabellenentgelte der Beschäftigten sollen um sechs Prozent, mindestens aber 200 Euro monatlich steigen. Hier muss auch die Laufzeit des Tarifvertrages in den Blick genommen werden – schließlich ist es ein erheblicher Unterschied, ob die Prozentforderung für zehn Jahre oder ein Jahr erhoben wird. Die Gewerkschaften fordern, dass der Vertrag für ein Jahr gilt – in wirtschaftlich guten Zeiten ist eine kürzere Laufzeit für die Beschäftigten besser als eine längere. Ein weiterer wichtiger Punkt: Fast drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall ist die Angleichung der Jahressonderzahlung Ost an die Westregelung immer noch nicht vollzogen. Es wird Zeit, auch hier die Einheit herzustellen! Ich komme selbst aus dem Osten und kenne die Arbeitgeber dort, die gern mit dem Austritt aus dem Arbeitgeberverband, also mit Tarifflucht, drohen oder dies gar vollziehen.

Wir haben aber noch eine Beschäftigtengruppe, die von Tarifregelungen ausgeschlossen ist. Auf Landesebene angestellte Lehrkräfte haben mit Abschluss des Tarifvertrags über eine Entgeltordnung (TV EntgO-L) endlich tariflichen Schutz erhalten: Den kommunalen angestellten Lehrkräften wird dieser bisher jedoch verweigert. Bei den Kommunen angestellte Lehrkräfte an Schulen, für die der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) gilt, gibt es in Bayern. Deshalb hat die GEW den Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern und auch die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) zu Tarifverhandlungen aufgefordert. Unsere Kolleginnen und Kollegen aus Bayern brauchen für ihre Auseinandersetzung die Unterstützung und Solidarität auch aus den anderen GEW-Landesverbänden.

Ohne Druck und Mut zur Auseinandersetzung geht es nicht – das zeigt ein Blick in die Tarifgeschichte des öffentlichen Dienstes.

Die Arbeitgeber übergehen gern die Tatsache, dass Bund und Kommunen auch im vergangenen Jahr ein Haushaltsplus verzeichnet haben und nach den aktuellen Prognosen weiterhin mit steigenden Einnahmen rechnen können. Dass es trotzdem noch überschuldete Kommunen gibt, liegt an einer falschen Verteilung der Staatseinnahmen.

Werden die Arbeitgeber unsere berechtigten Forderungen und Erwartungen freiwillig erfüllen? Ich habe da Zweifel. Ohne Druck und Mut zur Auseinandersetzung geht es nicht – das zeigt ein Blick in die Tarifgeschichte des öffentlichen Dienstes. Es braucht Kolleginnen und Kollegen in Einrichtungen und Betrieben, die trotz des Drucks der Arbeitgeber zusammenhalten. Und: Nein, wir wollen nicht die Eltern treffen. Wir wollen die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen verbessern. Streiks fallen niemandem leicht, sie kosten Überwindung, erfordern Mut und Engagement. Die Solidarität der Eltern, der Bürgerinnen und Bürger, die sagen „Endlich wehrt ihr euch!“, haben wir.