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GEW-Umfrage

Eingeschränkte Lernmittelfreiheit

Wie hoch sind die Ausgaben für Lernmittel an allgemeinbildenden öffentlichen Schulen in den Bundesländern? Übernimmt das Land oder die Kommune die Kosten? Und wo müssen Eltern zuzahlen? Antworten liefert eine Umfrage der GEW.

Nur in wenigen Bundesländern müssen Eltern für die Schulbücher ihrer Kinder nichts zuzahlen. (Foto: Matthias Holland-Letz)

„Die zugewiesenen Mittel sind sehr bescheiden“, erklärt Ulrike Schulz, Schulleiterin der Annenschule-Oberschule im sächsischen Chemnitz. Digitale Schulbücher anzuschaffen, sei nicht möglich. Gedruckte Schulbücher nutze die Schule „in manchen Fächern sechs bis acht Jahre lang“, so Schulz. „Oder wir halten einen Klassensatz für zwei Klassen vor.“ So käme man mit den Finanzen gerade so hin, ohne Elternbeiträge. „Allerdings riechen dann manche Bücher nicht gut und animieren nicht zum Lernen.“

Im Freistaat Sachsen sind die Kommunen zuständig, um Lernmittel zu finanzieren. Die „digitale Ausstattung“ gehöre dazu, betont das sächsische Staatsministerium für Kultus. Ob die Eltern einen Eigenanteil zu zahlen haben, müsse bei den Kommunen abgefragt werden. Laut Sächsischem Schulgesetz, Paragraf 38 Absatz 2, kann der Schulträger „nach Beschlussfassung durch die Schulkonferenz Kostenbeiträge erheben“. Auf E&W-Anfrage erklärt die Stadt Chemnitz: Ihr seien zwei städtische Schulen bekannt, die Kostenbeiträge von den Eltern verlangen. Im Haushaltsjahr 2021 werde die Stadt für Schulbücher, Arbeitshefte, Taschenrechner und Kopien „reichlich 1,7 Millionen Euro“ bereitstellen. 2019 waren es 1,6 Millionen Euro.

Am besten schneidet Hessen ab

Die GEW-Umfrage ergab: In sieben Bundesländern ist allein das Land zuständig, um Lernmittel an öffentlichen Schulen zu finanzieren. Dies gilt für Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen. Für diese Bundesländer wurde ermittelt, wie hoch die Lernmittel-Ausgaben im Jahr 2019 pro Schülerin und pro Schüler ausfallen. Am besten schneidet Hessen ab (47,24 Euro pro Kopf), gefolgt von Bremen (46,42 Euro), Hamburg (45,40 Euro) und Rheinland-Pfalz (40,05 Euro). Dann kommen Thüringen (36,20 Euro) und das Saarland (21,66 Euro). Berlin bleibt außen vor; das Land weist Ausgaben lediglich gemeinsam für Lern- und Lehrmittel aus, also inklusive Computer, Kameras und Sportgeräten.

Oft Kommunen zuständig

Bremen, Hamburg, Hessen und Thüringen geben an, dass Eltern generell nichts zuzahlen müssen. In Berlin gilt dies bis einschließlich Klasse 6. Auch in Bayern und Baden-Württemberg sind die Eltern von Zuzahlungen befreit. In Rheinland-Pfalz und im Saarland hingegen verlangen die Schulen in bestimmten Fällen von den Eltern eine Ausleihgebühr. In vier Bundesländern hält sich das Land aus der Lernmittelfinanzierung heraus, zuständig sind dort die Kommunen. Dies gilt für Nordrhein-Westfalen (NRW), Sachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.

In NRW werden die Kosten zu zwei Dritteln von Städten und Kreisen gestemmt, ein Drittel müssen die Eltern aufbringen. „Wir kommen mit dem Finanzvolumen gut hin“, betont Christian Gröne, Schulleiter der Geschwister-Scholl-Gesamtschule in Lünen bei Dortmund. „Die Eltern zahlen aktuell zwischen 20 Euro und 26 Euro pro Schuljahr hinzu.“ Wer allerdings Hilfe zum Lebensunterhalt („Sozialhilfe“) nach Sozialgesetzbuch (SGB) XII erhält, ist in Lünen von der Zuzahlung befreit. Auch Empfänger von Arbeitslosengeld II („Hartz IV“) müssen nichts hinzuzahlen. In Mecklenburg-Vorpommern haben die Kommunen das Recht, von den Eltern einen jährlichen Pauschbetrag in Höhe von 30,68 Euro zu verlangen. Schleswig-Holstein gibt keine Auskunft, ob Eltern zuzahlen müssen – das Land verweist auf die Zuständigkeit der kommunalen Schulträger.

Mischformen in vielen Ländern

In allen anderen Bundesländern gibt es Mischformen. So übernimmt der Freistaat Bayern zwei Drittel der Kosten, ein Drittel wird von den Kommunen getragen. Sachsen-Anhalt zahlt eine „Lernmittelkostenentlastung“. Unterschieden wird zwischen Kauf-Exemplaren, kostenfreien Leih-Exemplaren und kostenpflichtigen Leih-Exemplaren. Zur Finanzierung der Leih-Exemplare zahlte das Land Sachsen-Anhalt 2019 insgesamt 4,41 Millionen Euro, die Eltern brachten 2,2 Millionen Euro an Leihgebühren auf.

In Brandenburg sind zunächst die Kommunen zuständig, die Eltern müssen einen Eigenanteil berappen. Allerdings zahlt Brandenburg den Schulträgern einen pauschalen Kostenausgleich für jene Schülerinnen und Schüler, die vom Eigenteil befreit sind. Das gilt für jene, deren Familien Arbeitslosengeld II, Grundsicherung oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. In Niedersachsen sind generell die Eltern zuständig. Das Land übernimmt aber die Kosten für jene Familien, die Sozialleistungen beziehen.

„Viele Jahre standen pro Gymnasiast mehr Gelder für Lernmittel zur Verfügung als pro Oberschüler.“ (Ulrike Schulz)

Auch in Baden-Württemberg sind die Kommunen in der Verantwortung. Allerdings zahlt das Land an die Städte und Kreise einen „Sachkostenbeitrag“ pro Schülerin und Schüler. Der dient aber nicht nur dazu, die Kosten für Lernmittel zu stemmen. Er soll auch helfen, die Ausgaben für das Schulgebäude und das nicht-lehrende Personal zu decken. An einer Realschule in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart unterrichtet Dominik Steiner. „Wir nutzen neue, aktuelle Schulbücher“, zeigt sich das GEW-Mitglied zufrieden. Steiner betont allerdings: Leinfelden-Echterdingen gehöre zu den wohlhabenden Gemeinden des Landes. „Das ist einfach mehr Geld vorhanden als in anderen Städten.“

In Chemnitz äußert Schulleiterin Schulz einen Verdacht: „Viele Jahre standen pro Gymnasiast mehr Gelder für Lernmittel zur Verfügung als pro Oberschüler.“ Sie vermutet, dass dies noch heute gelte. Die Stadt Chemnitz bestätigt: 2021 seien für die Erstausstattung mit Lernmitteln an Oberschulen 55 Euro pro Schülerin und Schüler geplant, für Gymnasien hingegen 67 Euro. Dies liege an der Preispolitik von Schulbuchverlagen wie Klett und Cornelsen, erläutert der Chemnitzer Pressesprecher Matthias Nowak. „Generell kann man sagen, dass die Bücher, die in Gymnasien genutzt werden, teurer sind als die der Oberschulen.“ So biete ein Verlag für die Oberschule ein Geschichtsbuch für 19,25 Euro. „Das adäquate Buch für das Gymnasium kostet 22,95 Euro“, betont Nowak.