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Außerschulische Förderung von Grundschülern

Eine Win­-Win-­Situation

11.700 „Gespanne“ haben im Projekt „Balu und Du“ schon zueinander gefunden. Sie bestehen jeweils aus einem Grundschüler (Mogli) und einem jungen Erwachsenen (Balu). Das Ziel: Förderung der Grundschüler im außerschulischen Bereich.

Balu und Du
Das Mentorenprogramm „Balu und Du“ funktioniert nach dem Vorbild der Hauptfiguren Balu und Mogli aus dem Kinderbuch „Das Dschungelbuch“. (Foto: Balu und Du e.V./Jan Voth)

Prof. Tilly Bakker-Grunwald ahnte wohl nicht, was aus ihrer Idee eines Mentorenprogramms werden würde, die sie aus Israel mitgebracht hatte. Sie war dort als Studentin beim Projekt -„PERACH“ Mentorin. Auch 30 Jahre später stand sie noch immer in Briefkontakt zu ihrem Mentee. Da war sie längst Professorin für Biochemie an der Universität Osnabrück.

Ihre Idee fiel auf fruchtbaren Boden. Denn schon in den 1990er-Jahren hatte sich Thomas Möltgen vom Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln e. V. mit der Frage nach der Wirksamkeit ehrenamtlicher Tätigkeit beschäftigt. Eine Publikation zur Laienkompetenz (Müller-Kohlenberg, H., 1996), die das Potenzial von Ehrenamtlichen eindrucksvoll bestätigte, stand schließlich im Zentrum einer Fachtagung des Caritasverbandes. So entstand der Wunsch, das Modellprojekt Balu und Du zu entwickeln. Engagierte Menschen an der Uni Osnabrück und im Caritasverband warben Fördermittel ein und starteten die Initiative im Winter 2001/2002.

Die Initiative wurde 2001 gegründet. Die Geschäftsstelle des außerschulischen Kooperationspartners befindet sich in Köln. Aktuell beteiligen sich bundesweit 53 Gymnasien, Gesamtschulen und Berufsschulen an „Balu und Du“. Etwa die Hälfte zahlt einen freiwilligen Jahresbeitrag in Höhe von 250 Euro. Eine Lehrkraft koordiniert das Projekt, das ein Unterrichtsangebot darstellen soll. Balus und Moglis erhalten monatlich zehn Euro Taschengeld für -gemeinsame Aktivitäten, Fahrgeld erstattet der Verein.

Einmal wöchentlich gestalten Balus und Moglis gemeinsam ihre Freizeit, machen Ausflüge, gehen Eis essen, spielen oder reden einfach miteinander. Ein Jahr lang. 117 Standorte existieren bundesweit. Viele befinden sich an Schulen. Zum Beispiel an der Gesamtschule Buer-Mitte und dem Max-Planck-Gymnasium in Gelsenkirchen. Viele Jugendliche in der Oberstufe zögen die Teilnahme an einem Projekt der ansonsten vorgeschriebenen Facharbeit vor, sagt Jasmin Thom, die das Programm an der Gesamtschule koordiniert. Die Schülerinnen und Schüler tragen ihre Erfahrungen ins Online-Tagebuch ein, tauschen sich regelmäßig mit anderen Balus sowie ihrer Fachlehrerin aus und erstellen zum Abschluss eine umfangreiche Portfolioarbeit. Thom weiß: „Sie profitieren davon als Mensch und fürs Leben.“ Viele lernen, sich besser zu organisieren, ihre Zeit optimaler einzuteilen und können vom Schulalltag abschalten.

Ihre Kollegin Annemarie Schürmann vom Max-Planck-Gymnasium nennt es eine Win-Win-Situation. Übrigens auch für die Lehrkräfte. „Wir erleben die Balus ganz anders als im Unterricht, lernen neue Seiten an ihnen kennen und haben größeres Verständnis für sie.“ Ihre Moglis finden die Oberstufenschüler bei Besuchen in Partner-Grundschulen. Freie Wahl haben sie allerdings nicht. „Wir ordnen die Pärchen zu, damit sich niemand abgelehnt fühlt“, berichtet Schürmann. Auf Wünsche der Balus wie „lieber ein Mädchen/Junge“ oder „bitte kein Kind mit Beeinträchtigung, da habe ich keine Erfahrung“ wird jedoch Rücksicht genommen.

„Ich weiß jetzt, dass ich als Lehrerin über den Tellerrand schauen, einen Blick auf das soziale Umfeld der Kinder und nicht nur auf die reinen Leistungen haben werde.“ (Marie)

Marie (20) hörte erstmals zu Semesterbeginn an der Uni Paderborn von „Balu und Du“. Die Teilnahme an dem Programm ist für die künftige Deutsch- und Religionslehrerin als Berufsfeldpraktikum anrechenbar. Das ist eine Motivation, aber nicht die ausschlaggebende. Sie hat für sich einiges „mitgenommen“: die Zuwendung ihres Moglis, die sich in Umarmungen, Strahlen, Zeichnungen und den Worten „wie schön, dass wir uns treffen“ widerspiegelt. Marie glaubt zudem: „Ich weiß jetzt, dass ich als Lehrerin über den Tellerrand schauen, einen Blick auf das soziale Umfeld der Kinder und nicht nur auf die reinen Leistungen haben werde.“ Sie wünscht sich eigene Kinder und hat erkannt: „Das ist ganz schön schwierig mit so Kleinen, aber zu schaffen.“

Schon früh pflegte sie den Kontakt zu den Eltern ihres Moglis. Ohne sich einzumischen. Sie wird geschätzt und unterstützt. Genauso ergeht es auch Ilayda (18). Allerdings haben sie von anderen Balus auch erfahren, dass Eltern schon einmal eifersüchtig auf das gute Verhältnis des „Gespanns“ sind. Um das zu vermeiden, wählt Ilayda ihre Worte mit Bedacht: „Machen Sie das doch auch einmal mit ihrer Tochter …“, kommt ihr nicht über die Lippen. Ihre Balu-Tätigkeit stärkte sie in ihrem Wunsch, Sozialpädagogin zu werden. Besonders, weil sie erlebt, wie sich ihr Mogli entwickelt: „Mein Mogli ist viel selbstständiger und selbstsicherer geworden.“

„Meine Tochter fühlt sich ernstgenommen und kommt bei den Treffen zur Ruhe. Für mich bedeutet das eine enorme Unterstützung.“ (Mutter von Feli)

Diese Effekte wurden durch die Evaluation an der Uni Bonn bestätigt: „Verbessertes soziales Verhalten und eine um 11 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit aufs Gymnasium zu wechseln“, lauten zwei der Resultate. „Dabei geht es uns aber nicht darum, das Gymnasium als Ziel auszugeben, sondern es belegt nur die Wirksamkeit“, betont Lisa Gregor vom Verein „Balu und Du“. Die Wirksamkeit attestiert auch die Grüne Liste Prävention des Landespräventionsrates Niedersachsen: „Effektivität nachgewiesen.“

Anerkennung für das Projekt sind auch die Nominierung für den „Engagement-Preis NRW 2020“ und die Reaktionen von Eltern. Die Mutter von Feli (9) sagt: „Meine Tochter fühlt sich ernstgenommen und kommt bei den Treffen zur Ruhe. Für mich bedeutet das eine enorme Unterstützung.“ Und so wird der Wunsch von Marie leicht nachvollziehbar: „Das Projekt müsste es überall und nicht nur in großen Städten geben.“