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Deutsche Schule in Erbil (DSE)

Eine Schule für Rückkehrer

Streng bewacht und gesichert: An der Deutschen Schule in Erbil (DSE), Irakisch-Kurdistan, lernen kurdische Kinder und Jugendliche, die zuvor in Deutschland gelebt haben.

An der DSE lernen derzeit 137 kurdische Kinder und Jugendliche. (Foto: Matthias Holland-Letz)

Beton-Elemente, dreieinhalb Meter hoch. Stacheldraht. Vergitterte Fenster. Und sechs Peschmerga-Soldaten, die das Schulgebäude rund um die Uhr bewachen. „Bis 2018 durfte außerdem niemand wissen, dass sich hier die Deutsche Schule befindet“, erklärt DSE-Schulleiter Daniel Bücker (42). „Erst Ende 2018 haben wir wieder ein Schulschild aufgehängt.“

Bis 2017 herrschte Krieg im Irak. Die islamistische Terrormiliz IS (Islamischer Staat) hatte Mossul eingenommen, nur 80 Kilometer von Erbil entfernt. Dann gelang es der irakischen Armee und kurdischen Soldaten mit Unterstützung der USA, den IS zu besiegen. Erbil, Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan im Irak, gilt heute als weitgehend sicher. „Das Gefährlichste ist der Straßenverkehr“, witzelt Bücker. Dennoch werde Sicherheit an der Schule weiterhin großgeschrieben.

„Weltweit ziemlich einzigartig“

An der DSE lernen derzeit 137 kurdische Kinder und Jugendliche. Die meisten lebten zuvor mit ihren Familien in Deutschland, berichtet Bücker. Eine Schule für Rückkehrer, „damit sind wir weltweit ziemlich einzigartig“, sagt der Schulleiter. Gegründet wurde die DSE 2010. Damals galt Irakisch-Kurdistan als befriedet. Öl-Einnahmen sorgten für einen wirtschaftlichen Aufschwung. Zahlreiche Kurdinnen und Kurden, die vor Krieg und Bürgerkrieg geflohen waren, kehrten zurück.

Musik-Unterricht in Klasse 2. „Guten Morgen, Frau Wicklein!“, rufen 13 Kinder im Chor. Juliane Wicklein (34), Ortslehrkraft (OLK, siehe Kasten) aus Leipzig, greift zur Gitarre und stimmt ein Lied an: „Das Auto von Lucio, das hat ‘n Loch im Reifen ...“ Die Kinder singen mit, erst laut und durcheinander, dann klingt es immer besser. Anschließend üben die Zweitklässler, einen Notenschlüssel ins Heft zu zeichnen.

Ohne Klimaanlage kein Unterricht

Die DSE führt zu deutschen Schulabschlüssen und zum Gemischtsprachigen Internationalen Baccalaureate (GIB), das zum Studium in vielen Ländern, auch in Deutschland, berechtigt. Nach kurdischem Lehrplan werden vier Fächer unterrichtet: Kurdisch, Arabisch, Religion und Sozialkunde. Zum Kollegium gehören derzeit vier Auslandsdienstlehrkräfte (ADLK), eine Bundesprogrammlehrkraft (BPLK), 15 OLK sowie drei kurdische Lehrkräfte, die das kurdische Bildungsministerium abgeordnet hat. Auch das Gebäude stellen die kurdischen Behörden zur Verfügung: ein Flachbau, zweigeschossig, mit Aula, Cafeteria, Fußballfeld und großem Schulhof.

Wichtig ist der schuleigene Dieselgenerator. „Weil der Stadtstrom zeitweise abgeschaltet wird“, berichtet Bücker. Der Generator erlaube es, im Winter durchgehend zu heizen und im heißen Sommer – 40 Grad Celsius und da-rüber – die Klimaanlage zu betreiben. „Sonst könnten wir im Gebäude nicht unterrichten“, betont der 42-Jährige. Kurdische Schulen hätten in der Regel keine Klimaanlage. „Dementsprechend unterrichten sie deutlich weniger als wir.“ Deren Schuljahr beginne wegen des heißen Sommers erst Anfang Oktober und ende bereits Anfang Mai. Auch seien die Klassen an kurdischen öffentlichen Schulen viel größer. Bis zu 40 Kinder in einer Klasse seien keine Ausnahme, berichtet Bücker.

Organisation als Privatschule

Wie bei Deutschen Auslandsschulen üblich, ist die DSE als Privatschule organisiert. Die Eltern zahlen Schulgeld: Für das erste Kind werden 2.750 US-Dollar pro Jahr fällig, Geschwisterkinder erhalten Rabatt. „Damit sind wir viel günstiger als andere Deutsche Auslandsschulen“, erklärt Bücker. Die DSE sei „keine Schule für die finanzielle Elite“. Zur Elternschaft gehörten Ärzte und Ingenieure, aber auch Handelsvertreter oder „Personen aus dem handwerklichen Bereich“.

Im Erdgeschoss hat Schilan Gaff ihr Büro. Sie ist die Schulkrankenschwester, zuständig für Schürfwunden oder Kopfschmerzen. Und für seelische Probleme. „Besonders die Grundschüler. Die brauchen mehr Pflege“, sagt Gaff. Wenn ihnen der Unterricht zu langweilig sei, kämen sie zu ihr. „Sie machen ein paar Minuten Pause. Und gehen dann wieder in die Klasse.“

Treffen mit Lehrkräften im Sami-Abdulrahman-Park, einer weitläufigen Grünanlage im Zentrum Erbils. Junge Frauen sitzen lernend unter Bäumen. Eine Pferdekutsche rollt vorbei. Angelika Bauer-Ipek (64) unterrichtet als ADLK Deutsch und Biologie an der DSE. Ihr gefällt, dass die Schule klein und überschaubar ist. „Man kann Projekte organisieren und Schule mitgestalten.“ Was Ortslehrkraft Wicklein bestätigt. Ob sie spüre, dass sie einen anderen rechtlichen Status habe als eine ADLK? „Da werden keine großen Unterschiede gemacht“, antwortet Wicklein. Die Schule sei „familiär“, es gebe eine „flache Hierarchie“. Tim Schulte (51), ebenfalls OLK und seit August 2017 an der DSE, bestätigt: Er wisse, dass er deutlich weniger verdiene. „Aber in der Behandlung, vom Direktor, auch vom Schulverein, spürt man keinen Unterschied.“ 

Weltweit gibt es 140 Deutsche Auslandsschulen (DAS). Hier lernen vor allem Kinder der deutschen Expats, also von Vorständen großer Firmen, Entwicklungshelfern oder Botschaftsmitarbeitern. In vielen Ländern schickt zudem die heimische Mittel- und Oberschicht ihren Nachwuchs gerne auf eine DAS. Es unterrichten zum einen Auslandsdienstlehrkräfte (ADLK). Dies sind verbeamtete oder unbefristet angestellte Lehrkräfte aus Deutschland, die von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) vermittelt und bezahlt werden.

Hinzu kommen Bundesprogrammlehrkräfte (BPLK). Sie erhalten ein Ortsgehalt, das die Schule zahlt, sowie eine Zuwendung des Bundesverwaltungsamtes. Eine Tätigkeit als BPLK steht auch jenen offen, die nicht im Landesdienst fest angestellt sind. Zum Kollegium gehören zudem Ortslehrkräfte (OLK). Mal sind es deutsche Staatsbürgerinnen und -bürger, mal haben sie den Pass des Gastlandes. OLK sind beim Schulträgerverein angestellt, haben weniger Rechte als ADLK und BPLK. Sie verdienen in aller Regel auch deutlich weniger als diese.