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Arbeitsalltag von Kita-, Hort und Schulleitungen

„Eine Schule, ein Kollegium“

Schülerinnen und Schüler gemeinsam optimal fördern: Dafür sollen Hortleitungen und Lehrkräfte eng auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Im Interesse aller.

Hortleiter Sebastian Pfeifer hat es gut getroffen. Er arbeitet an einer neu gegründeten Schule im Osten Berlins, die vergleichsweise personell gut ausgestattet ist. (Foto: Kay Herschelmann)

Noch hocken die Kinder in tristen Containern, lediglich mit ein paar Tischen und Stühlen: Der erste Jahrgang der gerade neu entstandenen 36. Grundschule im Berliner Stadtteil Hellersdorf ist schon ins Schuljahr gestartet, doch das topmoderne Gebäude ist noch nicht fertig. Dafür steht die Vision des Kollegiums felsenfest. „Wir gestalten Schule so, wie Schule sein sollte“, sagt Hortleiter Sebastian Pfeifer, der auch bei der GEW aktiv ist. Dazu gehört, dass Erzieherinnen und Erzieher mit Lehrkräften auf Augenhöhe zusammenarbeiten – zum Wohl der Kinder. „Klar ist: Das Haus gehört uns allen“, so Pfeifer. „Und es ist unser gemeinsamer Job, die Kinder den ganzen Tag über gut zu betreuen und zu fördern.“

Auf Infoveranstaltungen vergleicht der Erzieher die neue Schule gerne mit einem Zug, der gerade losfährt: „Die Richtung bestimmen wir gemeinsam.“ Und im Cockpit säßen Schul- und Hortleitung, betont Pfeifer. In der neuen Schule sitzen sie Schreibtisch an Schreibtisch in einem Büro, können sich beim Arbeiten in die Augen blicken. Es gibt auch keine Lehrkräfte- und Erzieherzimmer, sondern einen gemeinsamen Aufenthaltsraum für das gesamte pädagogische Personal. Die Sekretärin war zunächst verblüfft, dass sie nicht mal einen eigenen Aktenordner für die Erzieherinnen und Erzieher aus dem Hort anlegen sollte. „Wir sind eine Schule, ein Kollegium“, bekräftigt der Hortleiter.

„Schulhorte haben landauf, landab keinen klaren pädagogischen Auftrag. Das erschwert ihre Arbeit sehr.“ (Doreen Siebernik)

Das ist leider nicht selbstverständlich. „In Deutschland gibt es einen großen Flickenteppich“, stellt Doreen Siebernik, bei der GEW verantwortlich für Jugendhilfe und Sozialarbeit, fest. Häufig sei der Hort in einer Kita oder einem Schülerladen angesiedelt, die Kinder verbringen dort nach dem Unterricht ihren Nachmittag. „Das hat relativ wenig mit Schule zu tun.“ Doch auch wenn der Hort in der Schule verortet sei, fehle oft der Kontakt zu den Lehrkräften. Mit gutem Beispiel voran gehen Berlin, Hamburg und Thüringen. „Dort ist der Hort in den Schulen angesiedelt, und die Beschäftigten gehören dem Kollegium an“, berichtet Siebernik. Die Landesregierungen müssten sich dringend auf den Weg machen, Bildungsprogramme für die offene Ganztagsschule zu verankern.

Während für Kitas längst überall ein klarer Bildungsauftrag festgelegt sei, fehlten in fast allen Bundesländern konkrete Vorgaben für Horte. „Schulhorte haben landauf, landab keinen klaren pädagogischen Auftrag. Das erschwert ihre Arbeit sehr. Die Erzieherinnen und Erzieher brauchen eine Lobby“, sagt die Gewerkschafterin. Lehrkräfte würden in ihrer Ausbildung kaum darauf vorbereitet, mit anderen Professionen zusammenzuarbeiten. „Umso wichtiger ist eine starke Hortleitung.“ Diese müsse klar machen, dass Kinder nicht nur im 45-Minuten-Takt lernten, sondern auch im Spiel, im Streit, beim Basteln oder Sport. „Beide Professionen haben einen unterschiedlichen Blick“, sagt Siebernik. „Das ist für Kinder total toll.“

Komplett neue Strukturen

Hortleiter Pfeifer sieht in dem Aufbau der neuen Grundschule eine Chance. „Wir bauen komplett neue Strukturen auf.“ Und zwar so, wie sie idealerweise sein sollten. Im Stadtteil habe etwa die Hälfte der Kinder einen Förderbedarf. „Das ist in Regelklassen eigentlich gar nicht zu wuppen“, meint der Pädagoge. Die Erzieherinnen und Erzieher organisieren nicht nur die Freizeitangebote in der Ganztagsschule, sondern sind auch im Unterricht dabei, widmen sich besonders einzelnen Kindern oder machen Entspannungsübungen mit der Klasse. „Die Lehrkräfte sind immer sehr dankbar für jede Hilfe“, berichtet Pfeifer.

Enge Abstimmungen

Die Erzieherinnen und Erzieher nehmen an Entwicklungsgesprächen teil und arbeiten an Förderplänen mit. „Wir stimmen uns eng ab, verfolgen ein gemeinsames Ziel.“ Jede Profession mit ihrem eigenen Schwerpunkt. So hätten Lehrkräfte stärker im Fokus, wenn Kinder fachlich gefördert werden müssen. Erzieherinnen und Erzieher hingegen guckten mehr darauf, was das Kind im Alltag braucht, damit es gut lernen kann: Ist in der Familie alles in Ordnung? Gibt es Probleme im Freundeskreis?

Wichtig sei dabei, dass sich die Professionen auf Augenhöhe begegneten, betont Pfeifer: „Es ist Aufgabe der Hortleitung, das einzufordern.“ Dabei sei von großem Vorteil, dass alle einem Kollegium angehören. Die Schulleitung sei für alle weisungsbefugt. Zudem teilten sie sich einen Kühlschrank, säßen in der Pause nebeneinander – und hätten keine Hemmungen, miteinander ins Gespräch zu kommen.

Für ältere Erzieherinnen und Erzieher sei diese Form der Zusammenarbeit noch neu, sagt der Hortleiter: „Da kommt gerade viel in Bewegung.“ Sie freuten sich sehr über die Erfahrung, dass ihre Meinung „etwas wert ist“. Das erklärt auch, warum der Hortleiter direkt Topleute für sein neues Team gefunden hat. Alle zwölf Erzieherinnen und Erzieher sind vollausgebildete Fachkräfte. Der Hortleiter weiß selbst, dass das nicht selbstverständlich ist: „Wir sind ein Sonderfall.“

Arbeitsbedingungen oft schlechter als in Kitas

Der Fachkräftemangel sei im Hort generell ein großes Problem, berichtet GEW-Vorstandsmitglied Siebernik. Kein Wunder. Viele Träger zahlten nicht nach Tarif. Die Arbeitsbedingungen seien an Schulen im Vergleich zu Kitas oft deutlich schlechter. Im Schnitt arbeiteten die Beschäftigten im Hort lediglich 22 Stunden pro Woche, sagt die Gewerkschafterin. Viele kämen damit finanziell nicht über die Runden und benötigten einen Zweitjob. „Das kann nicht sein“, findet Siebernik. „Wir brauchen Fachpersonal, das pädagogisch qualifiziert ist und gut bezahlt wird.“ Hortleitungen hätten leider oft die Aufgabe, den Mangel zu verwalten, statt wirkliche Impulse zu setzen.

An der neuen Grundschule in Hellersdorf kümmert sich der Hortleiter gerade um 1.000 andere Dinge, um Technik und Ausstattung. Er lieh unter anderem bei Nachbarschulen kurzerhand ein paar Bälle und Brettspiele aus. Noch fehlt es in der Schule an so gut wie allem, aber das Wichtigste ist da: „Wir haben eine gemeinsame Vision.“