Zum Inhalt springen

Medienkompetenz

Eine Schlüsselkompetenz wie Lesen und Schreiben

Zu den politischen Reflexen unserer Zeit gehört es, neue Schulfächer als Antwort auf gesellschaftliche Herausforderungen zu fordern. Das zeigt sich unter anderem im Ruf nach einem Fach für „Medien- bzw. Digitalkunde“. Doch führt dies zum Ziel?

Medienkompetente Schülerinnen und Schüler benötigen Wissen über Medien sowie Fähigkeiten, diese kritisch zu nutzen und aktiv mitzugestalten. (Foto: Pixabay / CC0)

Unumstritten ist, dass Medienkompetenz dramatisch an Bedeutung gewonnen hat. So gibt es kaum einen Menschen, der nicht von problematischen Inhalten und/oder schlechten Erfahrungen im Netz zu berichten weiß. Cybermobbing, Betrug und Datenraub sind Beispiele für die Gefahren für einzelne Personen – gezielte Desinformationskampagnen und Meinungsmanipulation sind mittlerweile handfeste Bedrohungen für die Demokratie. Damit umgehen zu müssen ist nicht schön, aber in der digitalen Welt essenziell. Medienkompetente Schülerinnen und Schüler benötigen dafür Wissen über Medien sowie Fähigkeiten, diese kritisch zu nutzen und aktiv mitzugestalten.

Dazu präsentierte die Kultusministerkonferenz (KMK) bereits 2016 das Strategiepapier „Bildung in der digitalen Welt“. Es umfasst sechs Kompetenzbereiche, die dem Ziel untergeordnet sind, dass „jedes einzelne Fach mit seinen spezifischen Zugängen zur digitalen Welt seinen Beitrag für die Entwicklung der in dem (…) Kompetenzrahmen formulierten Anforderungen leistet“. Diese Bereiche (zum Beispiel „Kommunizieren und Kooperieren“ oder „Produzieren und Präsentieren“) decken verschiedenste Themen vom Umgang mit Suchmaschinen bis zum Erstellen digitaler Lernprodukte ab.

Damit verfolgt die KMK einen fächerübergreifenden Ansatz, der den Aufbau von Medienkompetenz als Querschnittsaufgabe definiert und Schulen auffordert, eigene Konzepte zu entwickeln (unter anderem mit lehrplanbezogenen Maßnahmen und Querverbindungen zu anderen Aspekten der digitalisierungsbezogenen Schulentwicklung).

Die digitale Transformation betrifft nahezu alle Fachbereiche und erfordert eigene fachspezifische Auseinandersetzungen.

Mit Blick auf die Komplexität dieser Aufgabe ist der Ruf nach einem eigenen Fach verständlich – und teilweise bereits erfolgreich. So startete mit Beginn des laufenden Schuljahres in Hessen ein Schulversuch mit dem neuen Fach „Digitale Welt“, um die Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler zu stärken. In der Theorie brächte ein eigenes Fach Schulbücher, ausgebildete Lehrkräfte, eine eigens dafür definierte Zeit in der Stundentafel sowie entsprechende Fortbildungen mit sich. In der Realität steht jedoch zu befürchten, dass die Umsetzung des neuen Fachs angesichts des Lehrkräftemangels von denjenigen zu stemmen wäre, die ohnehin schon medienbezogene Aufgabenfelder bearbeiten. Nur dass dann noch dazukäme, dass einige andere Fachbereiche sich wohl zurücklehnen würden.

Umfassender Bildungsauftrag

So sollte es aber nicht laufen. Die digitale Transformation betrifft nahezu alle Fachbereiche und erfordert eigene fachspezifische Auseinandersetzungen. Sie stellt einen Umsetzungsauftrag an alle Lehrkräfte, die ihrerseits Medienkompetenz aufbauen müssen. Letztlich geht es ja nicht nur um die Vermittlung von Anwendungskompetenzen (die man vielleicht noch einem Pflichtfach Informatik zuschieben könnte).

Vielmehr geht es um einen umfassenden Bildungsauftrag, junge Menschen zu befähigen, sich selbstbestimmt und autonom in der digitalen Welt zu bewegen. Wenn der Aufbau von Medienkompetenz jedoch an alle Lehrkräfte und jedes Fach gerichtet ist (wie die Vermittlung von Lesen und Schreiben), müssen alle Beteiligten durch Fortbildung, Ausstattung und zeitliche Ressourcen die Möglichkeit erhalten, sich diese Fähigkeiten anzueignen.

Klar, das ist viel verlangt und erscheint derzeit fast naiv vor dem Hintergrund, überhaupt eine unterrichtliche Basisversorgung aufrechtzuerhalten. Dennoch muss dies mit den dazugehörenden Ressourcen bildungspolitisch eingefordert werden. Sonst droht der reflexhafte Ruf nach einem eigenen Fach lauter zu werden, um den mühsamen Weg abzukürzen. Abkürzen ist jedoch kein guter Rat, wenn es um die Zukunft unserer Kinder geht. 

Joscha Falck ist Mittelschullehrer und Schulentwickler in Bayern. Er ist als Fortbildner, Referent und Autor tätig und engagiert sich für die GEW unter anderem im Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“.