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Corona an britischen Hochschulen

Eine Krise mit Chancen

Die Hochschulen in England, Nordirland und Wales sind bisher weitgehend von Studiengebühren abhängig. Diese brechen in der Krise weg, tausende Stellen sind bedroht. Die Gewerkschaft UCU fordert eine öffentliche Finanzierung.

Mehr als 30.000 Jobs im britischen Hochschulsystem könnten wegfallen. (Foto: Pixabay / CC0)

Angesichts der akuten Krise der Hochschulen hat die britische Gewerkschaft University and College Union (UCU) die Kampagne Fund the Future (Finanziere die Zukunft) gestartet. In einem Schreiben an Premierminister Boris Johnson forderte UCU-Generalsekretärin Jo Grady die britische Regierung auf, die Finanzierung der Hochschulen sicherzustellen. Die Regierung müsse handeln, um Lehre und Forschung zu sichern und den Verlust tausender hochqualifizierter Arbeitsplätze von Lehrkräften, wissenschaftlichen und administrativ Beschäftigten zu verhindern.

Die UCU plädiert zudem für einen runden Tisch mit Hochschulen, Gewerkschaften und Studierendenvertretungen zur Zukunft des Hochschulsystems und sieht in der Krise auch eine Chance, über eine öffentliche Finanzierung der Hochschulen zu beraten. 

Studiengebühren als Finanzierungsmodell

In angelsächsischen Ländern wie den USA, Australien und Großbritannien machen Studiengebühren einen großen Teil der Hochschulbudgets aus. So finanziert sich zum Beispiel die Universität Exeter im südenglischen Devon zu knapp 60 Prozent aus Studiengebühren. Forschungseinnahmen tragen 19 Prozent bei, der Anteil staatlicher Förderung liegt bei nur circa 10 Prozent.

Internationale Studierende bezahlen deutlich höhere Studiengebühren als einheimische. In Exeter kostet das Jurastudium für Einheimische 9.250 Pfund (rund 10.225 Euro) pro Jahr, für Studierende außerhalb Europas 18.500 Pfund (20.451 Euro). Bis einschließlich Sommer 2021 zahlen Studierende aus EU-Ländern so viel wie Einheimische. Die Hochschulen sind daher schon aus wirtschaftlichen Erwägungen daran interessiert, möglichst viele Plätze mit internationalen Studentinnen und Studenten zu füllen. Die Höhe der Studiengebühren nach dem Brexit sind noch nicht geregelt und Teil der Verhandlungen mit der EU.

Tausende Jobs an Hochschulen gefährdet

Der zu erwartende Rückgang internationaler Studierender, aktuell aufgrund der Corona-Krise und zukünftig auch wegen des Brexits, rückt die Schwächen im Finanzierungsmodell der englischen, nordirischen und walisischen Hochschulen sowie deren Abhängigkeit von Studiengebühren in den Mittelpunkt und offenbart die staatliche Unterfinanzierung.

Die Hochschulen bemühen sich derzeit durch Lobbyarbeit, die Regierung zu mehr finanzieller Unterstützung zu bewegen – bisher allerdings ohne Erfolg. Die Universitäten sollten sich selber retten, argumentiert die konservative Tories-Regierung. Lediglich eine zurückzuzahlende staatliche Anleihe dürfen sie aufnehmen.

Die Universitäten reagierten mit Einstellungs- und Beförderungsstopps, in den Ruhestand gehende Akademikerinnen und Akademiker werden nicht ersetzt. Auch eine Schließung von Hochschulen ist nicht ausgeschlossen. Die UCU berechnete, dass rund 30.000 Jobs im britischen Hochschulsystem wegfallen könnten.

Krise könnte zu Reformen führen

Um die Einnahmeausfälle zu kompensieren, werben die Hochschulen nun auch um einheimische Schulabgängerinnen und -abgänger mit schlechteren Noten oder ohne Abitur, die bislang vom Hochschulzugang ausgeschlossen waren. Die Krise könnte daher auch eine Chance sein, das englische Hochschulsystem offener zu gestalten. Dies müsste allerdings mit einer stärkeren Unterstützung der Studierenden einhergehen, wozu auch die Förderung von außer-curricularen Aktivitäten, Berufspraktika und internationalen Austauschen gehört.

Wie in Deutschland besteht in Großbritannien ein enger Zusammenhang zwischen sozialem Hintergrund, Schulbesuch und Schulerfolg. Die Studiengebühren tragen entscheidend dazu bei, dass die soziale Auslese sich an den Hochschulen fortsetzt. Vor den Wahlen zum britischen Parlament im vergangenen Jahr spielte das Thema Studiengebühren eine wichtige Rolle. Die oppositionelle Labour-Partei hatte angekündigt, die Gebühren im Fall eines Wahlsiegs abzuschaffen - eine Forderung, die von den Gewerkschaften unterstützt wird.