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JA13

„Eine Frage der Gerechtigkeit“

Immer mehr Bundesländer erkennen die Gleichwertigkeit der Arbeit in den verschiedenen Schulformen an. Sie versprechen Verbesserungen, die Hälfte der Länder setzt diese auch schon konkret um. Doch in die Freude mischt sich auch Skepsis.

„Grundschullehrkräfte arbeiten an der inklusivsten Schule mit Schülerinnen und Schülern mit Teilleistungsstörungen, sonderpädagogischem Förderbedarf, Migrationshintergrund, Hochbegabung, altersgerechter Entwicklung. Zudem sind wir in Sachsen-Anhalt mit der Diagnostik beauftragt. Und dann heißt es, unsere Ausbildung sei nicht wissenschaftlich, deshalb sei die geringere Bezahlung gegenüber anderen Schulformen okay. Ist sie aber nicht, das ist eine Frage der Gerechtigkeit“, sagt Ingo Dossmann, Leiter der Grundschule Stadtmitte in Genthin. Er weiß: „Wir sind in Sachsen-Anhalt umgeben von Bundesländern, die mehr bezahlen. Damit sind wir nicht konkurrenzfähig, dabei fehlen schon heute an allen Ecken und Kanten Lehrkräfte. Die Unterrichtsversorgung liegt in unserem Bundesland aktuell bei 92 Prozent – ein Desaster.“

„Dafür sollen wir andere Tätigkeiten zurückstellen. Soll ich mich weniger oder schlechter vorbereiten? Oder Elterngespräche streichen?“ (Kathrin Frieser)

Allmählich weicht die Front derer, die an einer Besoldung nach A12 festhalten, auf. In Nordrhein-Westfalen (NRW) versprach Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) unlängst, bis 2026 alle Lehrkräfte nach A13 zu bezahlen, und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte kurz darauf ebenfalls den Ausstieg aus A12 an. Zunächst aber sollen im Freistaat nur die Mittelschullehrkräfte besser bezahlt werden.

Kathrin Frieser, Lehrerin an der Grundschule an der Thelott-Straße in München, ist sich nicht hundertprozentig sicher, dass nach der Wahl – in Bayern finden 2023 Landtagswahlen statt –  auch vor der Wahl ist: „Diese Regierung hätte es ja längst umsetzen können.“ Sie ist nicht damit einverstanden, dass die Grundschullehrkräfte vertröstet werden und weist darauf hin, dass sie schon jetzt zu einer zusätzlichen Unterrichtsstunde „gebeten“ werde. Frieser fragt: „Dafür sollen wir andere Tätigkeiten zurückstellen. Soll ich mich weniger oder schlechter vorbereiten? Oder Elterngespräche streichen?“

„Die Arbeit der Profis an Grundschulen ist anders, aber genauso professionell und so viel wert, wie die der Profis in Abiturklassen.“ (Frauke Gützkow)

Diese Position teilt die Landesvorsitzende der GEW Bayern, Martina Borgendale: „Wir freuen uns sehr, dass nun auch die CSU endlich ein Einsehen hat und A13 für Grund- und Mittelschullehrkräfte nach der nächsten Landtagswahl zumindest stufenweise und beginnend mit den Mittelschullehrkräften in Aussicht gestellt hat. Jetzt heißt es, dran zu bleiben, damit A13 möglichst schnell kommt. Außerdem setzen wir uns dafür ein, dass Grund- und Mittelschullehrkräfte gleichzeitig bedacht werden.“

Frauke Gützkow, GEW-Vorstandsmitglied Frauen-, Gleichstellungs-, Geschlechterpolitik, ergänzt: „Gerade wenn etwas zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehört, muss es überprüft und auch korrigiert werden. Die Arbeit der Profis an Grundschulen ist anders, aber genauso professionell und so viel wert, wie die der Profis in Abiturklassen.“ Mit Blick auf Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Saarland und Sachsen-Anhalt, die im Grundschulbereich besonders hartnäckig am niedrigen „Lohn“ festhalten und nur in der Sekundarstufe I Beweglichkeit zeigen, mag sie zwar nicht von einem Dominoeffekt sprechen, glaubt aber: „Von Nordrhein-Westfalen und Bayern geht ein starkes politisches Zeichen aus. Die Länder mit besonderem Beharrungsvermögen werden sich einer fairen Lösung nicht länger entziehen können. Sonst laufen ihnen die Lehrkräfte weg.“

„Ich leiste das gleiche wie eine Förderlehrerin, mit der Erschwernis für mich, nicht dafür ausgebildet zu sein.“ (Bettina Hermann)

Bettina Hermann, die an einer Grundschule im rheinland-pfälzischen Neustadt an der Weinstraße unterrichtet, hebt daher hervor: „Ich leiste das gleiche wie eine Förderlehrerin, mit der Erschwernis für mich, nicht dafür ausgebildet zu sein. Das erfordert zusätzliche Vorbereitungszeit im Umgang mit ,betroffenen‘ Kindern.“ Sie kann sich vorstellen, dass es längst eine Angleichung der Besoldung gäbe, wenn im Grundschulbereich mehr Männer arbeiten würden. Und sagt: „Trotzdem ist meine Schulwahl richtig, da ich gerne mit kleinen Kindern arbeite und die Grundlage für ihre Bildungsbiografie legen möchte.“