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#Twitterlehrerzimmer

Eine bessere Lehrerin – dank Twitter

Kurznachrichtendienste werden nicht nur von Schülerinnen und Schülern genutzt, auch Lehrerinnen und Lehrer tauschen sich so über Unterrichtsideen und Bildungsmaterialien aus - zum Beispiel bei Twitter.

Foto: Pixabay / CC0

Zweieinhalb Jahre nach der Gründung von Twitter im März 2006 hatte Alicia Bankhofer alias @aliciabankhofer bereits ein Nutzerkonto bei dem Mikrobloggingdienst. Als Instagram im Oktober 2010 an den Start ging, war die Wiener Lehrerin für Englisch sowie Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) in der Sekundarstufe l rund einen Monat später dabei. Sie ist das, was man „early adopter“, frühzeitige Anwenderin, nennt. Damit fiele sie in der Tech-Branche nicht auf – im Schulbereich indes schon. „An meiner Schule bin ich eine Ausnahme“, sagt auch André Hermes, Lehrer für Erdkunde und Sport am Gymnasium Ursulaschule in Osnabrück.

Doch die Community aus dem Bildungsbereich, die Hashtags wie #Twitterlehrerzimmer, #EduPnx, #EduChat oder #BayernEdu nutzt, wächst stetig. Die ganz Aktiven haben Tausende Followerinnen und Follower. Wie groß das Netzwerk insgesamt ist, ist schwierig zu beziffern – gemessen an der Zahl aller Lehrenden bleibt es jedoch weiter ein Nischenforum. Beliebt ist die Plattform, die für das zweite Quartal 2019 weltweit 139 Millionen tägliche Nutzerinnen und Nutzer vermeldete, vor allem bei Politikern und Journalisten.

„Ich muss nicht nach Schweden ziehen, um zu wissen, wie Lehrkräfte dort unterrichten. Twitter ist wie Arbeiten im gemeinsamen Raum.“  (Alicia Bankhofer)

Was Bankhofer, die an der Allgemeinbildenden Höheren Schule antonkriegergasse (akg) auch E-Learning-Koordinatorin ist, nicht verstehen kann. „Unsere Gesellschaft läuft analog und digital ab, da können sich Lehrkräfte nicht ausklinken“, sagt sie. „Ich bin dank Twitter eine bessere Lehrerin geworden.“ Etliche Unterrichtsideen habe sie dort entdeckt und in ihren Klassen umgesetzt. Auch sie selbst twittert oft Downloadlinks zu eigenen Materialien.

Bankhofer ist auf Trinidad und Tobago geboren, Englisch ist ihre Muttersprache, auf Twitter ist sie international unterwegs. Bei der kanadischen Lehrerin Sylvia Duckworth guckte sie sich den Umgang mit Sketchnotes genannten visuellen Notizen ab, bei dem britischen Kollegen Jacob Woolcock kopierte sie eine Animation für einen Workshop. „Ich muss nicht nach Schweden ziehen, um zu wissen, wie Lehrkräfte dort unterrichten. Twitter ist wie Arbeiten im gemeinsamen Raum.“

„Wenn ich den Kolleginnen und Kollegen an meiner Schule eine Frage etwa zum Thema Flipped Classroom stelle, bekomme ich eine Antwort – bei Twitter sind es bis zu 100 Reaktionen.“

Sowohl Bankhofer als auch Hermes alias @medienberater nutzen alle Möglichkeiten des börsennotierten Kurznachrichtendienstes: vom Mitlesen von Diskussionen über das Vernetzen durch Folgen bis zu eigenen Tweets mit Lesetipps. Außerdem stellen sie Fragen an die Community: Als Hermes jüngst ein Tool zur Audioaufnahme mit Windows-Geräten suchte, wandte er sich an das #Twitterlehrerzimmer. Auch die Software H5P, mit der er Lerninhalte um QR-Codes mit Audioclips ergänzt, kennt er dank des virtuellen Kollegiums. „Wenn ich den Kolleginnen und Kollegen an meiner Schule eine Frage etwa zum Thema Flipped Classroom stelle, bekomme ich eine Antwort – bei Twitter sind es bis zu 100 Reaktionen“, sagt Bankhofer.

Lehrkräfte gelten oft als Einzelkämpfer, dies werde durch das #Twitterlehrerzimmer aufgehoben, sagt Hermes, der an seiner Schule auch als Medienberater tätig ist. Für Bankhofer geht der Dienst weit über das Virtuelle hinaus: Um ihre Twitter-Kontakte persönlich zu treffen, reiste sie bereits zu zahlreichen Bildungsveranstaltungen. Außerdem ist sie Teil der Austauschplattform Bildungspunks.de, die 2017 von sechs Lehrerinnen gegründet wurde, die sich bei Twitter kennenlernten.

„Twitter ist zeitaufwendig. Man bekommt weitaus mehr Empfehlungen als man verarbeiten kann.“ (André Hermes)

Jens Lindström, Lehrer für Mathematik und Sport sowie Medienberater am Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen in Schleswig-Holstein, plädiert dafür, Twitter für neue Fortbildungsformate in der Schulentwicklungsarbeit zu nutzen. Sein Konzept: Digitalaffine Lehrkräfte geben bei Twitter entdeckte Ideen und Anregungen an die ganze Schule weiter – etwa durch zusammen mit der Schulleitung entwickelte Mikrofortbildungen oder Barcamps. „Wir müssen nicht alle zu Twitter holen“, sagt er. Schulleitungen sollten soziale Netzwerke aber nicht nur mit Problemen wie Mobbing assoziieren, sondern deren Potenzial für Fortbildungen erkennen.

Lindström will das via Twitter generierte Wissen auch besser konservieren. Spannende Diskussionen – etwa aus Twitter-Chats – ließen sich schon eine Woche später kaum noch wiederfinden. Der Medienberater erstellte daher mit Padlet eine Sammlung zu digitalen Medien und Medienkompetenz im Fachunterricht, in die Lehrkräfte all ihre Ideen eintragen können. „So wird das geballte Twitter-Wissen langfristig gespeichert.“

Lindström alias @KaeptnKeks gibt in dem Beitrag Twitter als Lehrerfortbildung auf seinem Blog zudem grundlegende Tipps für Neulinge: Wem folge ich, welche Hashtags nutze ich, wie suche und finde ich etwas, wie bitte ich um #followerpower, was teile ich, und wie bringe ich Ordnung in meinen Newsfeed. Weiterführende Infos gibt es auch an anderen Stellen: Die Gesellschaft für digitale Bildung etwa listet auf ihrer Webseite eine Übersicht mit wichtigen Hashtags. Der Geschichtslehrer und Medienexperte Marc Albrecht (@lbrechthermanns) erstellte das nach Themen und Fachgruppen geordnete Meta-Padlet Twitterlehrer*innen.

Hermes, der Twitter ausschließlich im beruflichen Bildungskontext nutzt, ist sich derweil auch bewusst, dass er sich dort in einer Filterblase bewegt. „Die Themen sind so eindimensional wie die Leute, denen man folgt. Es wird das diskutiert, was man sich gezielt ausgesucht hat.“ Er warnt zudem: „Twitter ist zeitaufwendig. Man bekommt weitaus mehr Empfehlungen als man verarbeiten kann.“ Ratsam sei es daher, von Beginn an Tools wie Pocket oder Evernote zu nutzen und sich dort Beiträge für das spätere Lesen zu speichern.

Hermes weist zudem auf No-Gos hin: Dazu gehöre, sich etwa über Schülerinnen und Schüler lustig zu machen. „Lustige Stellen aus Klausuren posten geht gar nicht“, betont er. Auch Vertrauliches aus der Schule gehöre nicht in die Öffentlichkeit. Und: Eine „reine Kuschelzone“ ist auch der Austausch unter Pädagoginnen und Pädagogen nicht. „Es gibt auch Streit im Twitterlehrerzimmer.“

Alternativen zu Google, Facebook, Twitter und Co.

Internetnutzerinnen und -nutzer in Deutschland richten rund 95 Prozent ihrer Suchanfragen an Google. Doch der US-Konzern hat zig unzulässige Klauseln in seiner Datenschutzerklärung und scannt nicht nur das Internet, sondern auch Userinnen und User. Stiftung Warentest testete im März 2019 neben Google neun Alternativen: Bing, Duckduckgo, Ecosia, Google, Metager, Qwant, Startpage, T-Online, Web.de und Yahoo. Testsieger ist mit der Note 2,3 die niederländische Suchmaschine Startpage: Bei guter Qualität der Ergebnisse sei das Datensendeverhalten „unkritisch“, Mängel in der Datenschutzerklärung gebe es keine. Zwar gibt es auch bei der Suche über Web.de und Metager.de sowie T-Online.de mit Blick auf den Datenschutz nichts oder nur „sehr gering“ etwas zu beanstanden. Allerdings bekamen die Dienste nur die Gesamtnoten 2,9 und 4,2 beziehungsweise 3,5: keine oder mangelhafte Videosuche, viel Werbung, unübersichtlich, lautete die Kritik.

Bei sozialen Netzwerken ist die Frage nach Alternativen zu Facebook, Twitter und Co. schwieriger zu beantworten. Apps mit einem vergleichbaren Funktionsumfang wie Facebook gibt es bisher nicht. 2018 machte Vero Schlagzeilen: Der Dienst, über den sich quasi alles teilen lässt, wirbt damit, keine Algorithmen zu nutzen. Das bedeute: keine Werbung, kein Data-Mining und „völlige Kontrolle über deine Privatsphäre“. Dafür kostet Vero eine jährliche Gebühr, deren Höhe auf der Webseite allerdings nicht zu finden ist.

Wer Twitter den Rücken kehren will, kann sich bei Mastodon anmelden. Der 2016 in Jena gegründete Mikrobloggingdienst ist ein durch Spenden und Freiwilligenarbeit finanziertes Open-Source-Projekt. Nach kurzen Hypes wurde es indes sowohl um Vero als auch Mastodon wieder still.

Mit Threema, Signal oder Telegram gibt es Alternativen zu dem zu Facebook gehörenden Messenger WhatsApp. Fachleute empfehlen zudem, Privatsphäre-Einstellungen sorgfältig zu prüfen, Pseudonyme und anonyme E-Mail-Adressen zu nutzen, die GPS-Ortung auszuschalten und generell sparsam mit Daten umzugehen.