DGB-Index „Gute Arbeit“ 2024
Ein Teufelskreis
Der DGB-Index „Gute Arbeit“ 2024 zeigt erneut alarmierende Zustände an Deutschlands Schulen. Durch den wachsenden Mangel an Kolleginnen und Kollegen sehen sich Lehrkräfte massiv belastet – und treten ebenfalls kürzer. Ein Teufelskreis.
Es sind nüchterne Zahlen, die eine klare Sprache sprechen: Die Personallücken bei Lehrkräften in der deutschen Schullandschaft nehmen immer größere Ausmaße an. Laut dem aktuellen Gute-Arbeit-Index des DGB berichten mittlerweile drei Viertel der Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen von einem starken, lang anhaltenden Personalmangel – mit häufig sehr negativen Konsequenzen für die Beschäftigten: Drei Viertel der Betroffenen müssen noch mehr zusätzliche Aufgaben übernehmen, 60 Prozent unter erhöhtem Zeitdruck arbeiten. Generell sind laut Gewerkschaftsbund die Arbeitszeiten und die Qualität der Leistungen quer durch viele Berufsbranchen beeinträchtigt.
Die Folge: Die zu hohe Arbeitsbelastung treibt immer mehr Beschäftigte in Teilzeit – auch und nicht zuletzt an Schulen. Von den teilzeitbeschäftigten Lehrkräften berichteten 80 Prozent, dass die hohe Arbeitsbelastung der Grund für ihre verkürzten Arbeitszeiten sei. Zudem geht nur noch jede und jeder dritte Befragte davon aus, bis zur Rente durchhalten zu können. Der Großteil plant hingegen, eher aufzuhören und frühzeitig in den Ruhestand zu gehen, wenn sich die Bedingungen nicht deutlich verbessern. Es ist ein Teufelskreis: Der Personalmangel verstärkt den Trend zu Teilzeit und früherem Eintritt in Rente oder Pension noch weiter.
Lehramt gehört seit Jahren zu Engpass-Berufen
Anja Bensinger-Stolze, GEW-Vorstandsmitglied Schule, ist von den Ergebnissen wenig überrascht. Seit Jahren gehöre eben auch das Lehramt zu den Engpass-Berufen – dies habe der DGB-Index bestätigt. „Wenn der Personalmangel erst mal beginnt und eine Schmerzgrenze überschritten ist, trifft die Misere die anderen Beschäftigten immer härter“, sagt sie. Dies hätten auch weitere Befragungen gezeigt. Inzwischen würden immer mehr Lehrkräfte freiwillig auf Gehalt verzichten und nur noch Teilzeit arbeiten, um ihren Job möglichst gut zu machen und genug Zeit für die Unterrichtsvorbereitung zu haben. „Sie arbeiten lieber sinnerfüllend, auch wenn sie damit weniger verdienen“, betont Bensinger-Stolze.
„Ich erlebe häufig Lehrkräfte, die sagen: Ich kann nicht mehr.“ (Anja Bensinger-Stolze)
Allerdings würden auch immer mehr Kolleginnen und Kollegen den Dienst quittieren und sich einen anderen erfüllenden Job suchen. Für viele sei die Situation so belastend, dass sie krankheitsbedingt frühzeitig aus dem Dienst ausscheiden und Abschläge bei Pension oder Rente in Kauf nehmen müssen. „Ich erlebe häufig Lehrkräfte, die sagen: Ich kann nicht mehr“, erzählt -Bensinger-Stolze. Daran müsse sich dringend etwas ändern.
Das 15-Punkte-Programm der GEW gegen den Lehrkräftemangel habe leider bis heute nichts von seiner Gültigkeit verloren, so die GEW-Expertin weiter. Zu dessen Forderungen zählen unter anderem das Heben von Arbeitszeit- und Personalreserven, das Bilden multiprofessioneller Teams sowie mehr Unterstützung durch IT, Verwaltung und Mentoren. Entscheidend, so Bensinger-Stolze, sei vor allem eine Unterrichtsversorgung von mehr als 100 Prozent, um Ausfälle im Kollegium etwa durch Krankheit, Elternzeit oder familiäre Belastungen abzufedern.
Keine Fortbildungen wegen Personalmangels
„Solange wir das System Schule auf Kante fahren, kommen wir aus dem Teufelskreis des Fachkräftemangels nicht heraus“, warnt die GEW-Schulexpertin. „Die rechnerische Abdeckung muss bei 110 Prozent liegen.“ Doch stattdessen werde etwa in Schleswig-Holstein schon wieder über Personalkürzungen gesprochen, kaum dass an allgemeinbildenden Schulen eine rechnerische Versorgung von 101 Prozent erreicht wurde, weil die Zahl der Grundschülerinnen und -schüler zurückgegangen sei.
Im DGB-Report werden neben der Aufstockung von Teilzeit und einer alternsgerechten Gestaltung der Arbeit auch Fortbildungen als Wege aus der Krise genannt – ein wichtiger und zugleich schwieriger Aspekt. „Viele Lehrkräfte würden angesichts ihrer vielen neuen Aufgaben gern Fortbildungen besuchen, aber sie werden gar nicht erst freigestellt, da ihre Abwesenheit neue Lücken reißen würde“, berichtet Bensinger-Stolze. „Das sorgt für zusätzlichen Frust. Dabei könnten gerade Fortbildungen sehr motivierend sein.“
Der aktuelle DGB-Index basiert auf einer bundesweiten Zufallsbefragung von knapp 7.000 abhängig Beschäftigten in Deutschland. Befragt wurden zwischen Januar und April 2024 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einer Wochenarbeitszeit von mindestens zehn Stunden.