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fair childhood - Bildung statt Kinderarbeit

Ein tägliches Massaker

Weltweit sind rund 820 Millionen Menschen unterernährt, jährlich sterben nach Schätzungen von UNICEF mehr als drei Millionen Kinder an Mangel- und Unterernährung. Dabei werden genügend Nahrungsmittel produziert.

Foto: imago images/epd

Dienstag, 23. Juli 2019, im großen Konferenzsaal No. XI im Genfer Völkerbundpalast: Es war ein schrecklicher Tag für die Vereinten Nationen, ein Tag der Niederlage. Die höchsten Verantwortlichen all jener Spezialorganisationen der UNO, die mit dem Kampf gegen den weltweiten Hunger betraut sind, mussten sich vor den Botschaftern und Botschafterinnen sowie den Vertretern der internationalen Zivilgesellschaft rechtfertigen. Der Hunger in der Welt steigt. Und dies auf -einem Planeten, der vor Reichtum überquillt.

Im Konferenzsaal saßen die Direktoren und Direktorinnen der FAO (Food and Agricultural Organization), der WHO (Weltgesundheitsorganisation), der UNICEF (UNO-Kinderhilfswerk), des Welternährungsprogramms, der FIDA (Internationale Föderation für die Entwicklung der Landwirtschaft). Sie stellten den kiloschweren jährlichen Bericht „Die Lage der Ernährungssicherheit in der Welt“ vor.

In der Entwicklungsagenda 2030 der UNO steht der Hunger ganz oben. Artikel 1 heißt: „Eliminate hunger“ (den Hunger eliminieren). Nachdem der Hunger jedoch in absoluten Opferzahlen in den vergangenen Jahren stabilisiert oder sogar teilweise zurückgedrängt worden ist, sind es heute wieder über 820 Millionen Menschen, die an permanenter schwerster Unterernährung leiden. Das sind 11 Prozent der Weltbevölkerung. Im subsaharischen Afrika, das großartige, uralte Bauern-Kulturen und Millionen Hektar fruchtbaren Bodens besitzt, leidet über ein Fünftel der Bevölkerung an den Tod bringenden Mangelkrankheiten Kwashiorkor, Noma oder schwerster Unter- und Mangelernährung.

Unterernährung ist durch eine unzureichende Kalorienzufuhr, Mangelernährung durch das Fehlen von Vitaminen und Mineralnährstoffen gekennzeichnet. Hunger ist ein einfaches Phänomen: Der Mensch arbeitet, redet, denkt, durchmisst Räume etc. und verbraucht dabei Energie. Diese muss regelmäßig durch flüssige oder feste Nahrung ersetzt werden. Die Messeinheit für Nahrungsmittelzufuhr heißt: Kalorie. Ein erwachsener Mensch in gemäßigtem Klima braucht etwa 2.200 Kalorien pro Tag.

Hunger ist menschengemacht und könnte morgen durch einige radikale Reformen aus der Welt geschafft werden.

In Uganda stieg der Prozentsatz der Hungernden von 24 auf 44 der Bevölkerung. Der zweitgrößte Kupferproduzent der Welt, Sambia, hat ebenfalls 46 Prozent von Hunger geplagte Menschen. Nigeria ist der größte Erdölproduzent Afrikas. In diesem überreichen Riesenland hat sich die Zahl der Hungernden verdoppelt. In Madagaskar ist ihr Anteil an der Bevölkerung von 35 auf 44 Prozent gestiegen.

Warum dieser Schrecken? Klimakatastrophen (Dürre, Orkane), jahrelange Kriege (im Darfour, im Südsudan, am Horn von Afrika, im Sahel) sind evidente Gründe. Aber ebenso verheerend sind die Folgen des Landraubes. 2018 sind 41 Millionen Hektar afrikanischen Agrarlandes von Hedgefonds und internationalen Großbanken vereinnahmt worden; die erdrückende Auslandsschuld der ärmsten Länder der südlichen Hemisphäre, die Börsenspekulation auf Grundnahrungsmittel, die die Weltmarktpreise in die Höhe treibt und für die vom Import abhängigen Entwicklungsländer den notwendigen Nahrungsmittelaufkauf auf dem Weltmarkt erschwert oder gar unmöglich macht, sind weitere Gründe.

Fazit: Das tägliche Massaker des Hungers ist der absolute Skandal unserer Zeit. Hunger ist menschengemacht und könnte morgen durch einige radikale Reformen aus der Welt geschafft werden: Verbot der Börsenspekulation auf Reis, Getreide und Mais; Total-Entschuldung der ärmsten Länder, Verbot des Landraubes. Für diese Radikal-Reformen müssen wir kämpfen. Denn was uns von den Opfern trennt, ist nur der Zufall der Geburt.