Berufliche und akademische Bildung
Ein Sonderweg mit Erfolgsaussicht
An der Beruflichen Hochschule Hamburg (BHH) können junge Menschen sowohl ein Bachelorstudium absolvieren als auch einen Abschluss des dualen beruflichen Systems erwerben.
Im Herbst werden die ersten Studierenden an der BHH ihr Studium beginnen. Der Hamburger Senat beschreibt die zum 1. Januar vergangenen Jahres gegründete Errichtung der BHH im Kontext von Durchlässigkeit, Anerkennung und Anrechnung beruflicher Qualifikationen sowie einer Gleichrangigkeit akademischer und beruflicher Bildung. Während bislang in Hamburg mehr als 40 Prozent der Auszubildenden über eine Hochschulreife verfügen und viele Absolventen des dualen Systems mit Abitur ihre Unternehmen nach der Ausbildung verlassen, um zu studieren, fehlt es bislang an kombinierten Bildungsangeboten einer Berufsausbildung und eines Bachelorstudiums, die nicht mit stark verdichtetem Lern- und Arbeitsaufkommen sowie mit Studiengebühren verbunden sind.
Der Senat will dieser Entwicklung mit einer studienintegrierenden Ausbildung begegnen, die innerhalb von vier Jahren sowohl eine duale Ausbildung als auch ein Bachelorstudium und damit zwei berufsqualifizierende Abschlüsse ermöglicht. Dabei werden die Leistungen an den drei Lernorten Betrieb, Berufsschule sowie Hochschule gegenseitig anerkannt und somit inhaltliche Doppelungen reduziert. Für Unternehmen ist das attraktiv, weil sie nicht nur leistungsstarke Auszubildende und Studierende gewinnen, sondern auch dauerhaft qualifizierte Fachkräfte beziehungsweise Spezialisten binden.
Eigenes Forschungsprofil
Als neuer Hochschultypus soll die BHH zudem ein eigenständiges Forschungsprofil erhalten, das die zugrunde liegende Verzahnung von Hochschule und Praxis nutzt. Noch sind die Vorbereitungen für den Studienbetrieb allerdings nicht abgeschlossen. Das Gründungspräsidium und der Gründungskanzler Christian Scherf haben mittlerweile ihre Arbeit aufgenommen, neben einer Berufungsordnung wurde bereits eine Immatrikulationsordnung beschlossen.
In Arbeit sind unter anderem die Entwicklung von Curricula, eine Studien- und Prüfungsordnung sowie die vorläufige Grundordnung der BHH, zurzeit laufen mehrere Berufungsverfahren, um die Professuren für die Startphase des Studienbetriebs zu besetzen. Schwierigkeiten beim Start in das erste Semester könnten allerdings die Auswirkungen der Corona-Pandemie bereiten. Das gilt vor allem für das quantitative Angebot, aber auch für die zu erwartende Nachfrage nach Ausbildungs- beziehungsweise Studienplätzen.
Gewerkschaftliche Skepsis
Aus gewerkschaftlicher Sicht sind duale Studiengänge hinsichtlich des Zugangs, der Studierbarkeit und der möglichen Konkurrenz gegenüber dem Ausbildungssystem problematisch. Bei der BHH sind bislang – auch dank der Besetzung einer Arbeitnehmervertretung im Gründungsrat – einzelne Grundannahmen und Entscheidungen getroffen worden, die den Qualitäts- und Durchlässigkeitskriterien entsprechen, wie sie der GEW-Gewerkschaftstag 2017 mit dem Beschluss „Duales Studium“ als Anforderungen gefasst hat. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Weg, Qualitätsanforderungen zu erfüllen, weiterhin beschritten wird und die BHH kein Sonderfall bleibt.
Mittelfristig sollte sich die BHH auch der Verbindung von Ausbildung und Studium in den zukunftsträchtigen vollzeitschulischen Berufen des Gesundheits-, Sozial- und Erziehungswesens widmen. Generell ist die Entscheidung Hamburgs begrüßenswert, eine öffentliche berufliche Hochschule als Alternative zu der in der jüngeren Vergangenheit häufig zu beobachtenden Einrichtung privater Hochschulen zu gründen.
Der Autor gehört dem Gründungsrat der BHH an.